Samstag, 26. Oktober 2013
Neutralität - Nationalfeiertag 2013
„Wie schön, dass Du geboren bist …“
Kleine Hymne für die Immerwährende an ihrem Festtag
Dankbar bin ich Dir, du österreichische Neutralität. Du hast mein Land davor bewahrt, Mitglied in einem der klassischen Militärblöcke zu werden. So konnte Österreich in der Jungzeit der Zweiten Republik immer wieder zum Ort der Begegnung zwischen verfeindeten Blöcken werden. Anders als in den Paktstaaten war es möglich, das Militärbudget noch relativ niedrig zu halten. Wien konnte zu einem der Hauptorte der Vereinten Nationen werden.
Übel wird Dir seit vielen Jahren mitgespielt. Du wirst hintergangen und betrogen. Nach außen hin verspricht man Dir weiterhin bleibende Treue, doch längst schon haben die politischen Entscheidungsträger auf militärische Bündnispolitik im Kontext von EU und NATO gesetzt. Du bist durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Man hat Dich ausgehöhlt durch gesetzliche Tricks, die eine Beteiligung an den EU-Battlegroups ermöglichen. Mitgliedschaft in einer NATO-Vorfeldorganisation scheint nun plötzlich kompatibel mit den am 26.10.1955 beschlossenen neutralitätsrechtlichen Grundsätzen zu sein. So wird Seite an Seite mit FRONTEX gegen Flüchtlinge gekämpft. Wenn es heute heißt „Panzer marsch!“, dann ist dies kein rühmliches Geburtstagsständchen für Dich.
Manche Kräfte in diesem Land – und sie fühlen sich auf der Siegerstraße – negieren weiterhin implizit das Faktum einer österreichischen Nation, weil sie von ihrer Deutschtümelei, die sich heute vor allem als Islamfeindlichkeit äußert , nicht loslassen wollen. Penetrant benennen sie Deinen Geburtstag nicht „Nationalfeiertag“ , sondern „Staatsfeiertag“. So kann von wackeren Rechten in Österreich dieser Tag auch missbraucht werden zu Hetzkampagnen gegen Muslime inmitten einer österreichischen Nation.
Noch bist Du nicht begraben. Noch darf ich mit Dir Geburtstag feiern. Nicht am Heldenplatz, denn dort müsste ich wahrlich in das Loch von Leo II kotzen ob der Wut angesichts der Vergeudung von Volksvermögen für Kampfhubschrauber oder Kampfflugzeuge. Das martialische Gehabe widerspricht so sehr Deiner Intention, die da lautet: NIE WIEDER KRIEG! Im Herzen feiere ich deswegen heute mit all den jungen Männern, die auf ihre Weise die Wehrpflicht verweigern, mit den Organisationen, die für eine Erhöhung der schäbig niedrigen Entwicklungshilfe Österreichs plädieren, mit den Friedensbewegten, die weiterhin für ein Ende jeglicher kriegerische Gewalt und ihrer Vorbereitungen eintreten. Vielleicht brauchen wir schon einen politischen Neutralitätsdefibrillator, um dich neu zu beleben für eine aktive Neutralitätspolitik. Dann würde sich das politische Österreich in Solidarität mit den Flüchtlingen gegen Dublin II aussprechen und nicht länger zuschauen, wenn im Mittelmeer Menschen ertrinken. Dann würde die nächste Syrienkonferenz auf Einladung der Bundesregierung in Wien stattfinden mit dem Vorschlag für ein umfassendes Waffenembargo gegenüber allen Bürgerkriegsparteien.
Dein Fan,
Klaus Heidegger, 26. Oktober 2013
Donnerstag, 29. August 2013
Kein Krieg mit Syrien
Dr. Klaus Heidegger
Kommission Pazifismus/Antimilitarismus von Pax Christi Österreich,
28.8.2013
Kein Krieg mit Syrien!
Die USA, Großbritannien und Frankreich sind auf Kriegskurs mit dem syrischen Regime. Die teuersten und besten Waffensysteme sind im Mittelmeer zusammen gezogen worden und warten auf Einsatzbefehl. Die Staatsspitze Israels drängt auf diesen Angriff. Die Bündnispartner der NATO stehen „Gewehr bei Fuß“. Und wieder wird eine „Koalition der Willigen“ gebildet.
Drei Fragen müssen beantwortet werden.
1) Gibt es eine Legitimation für einen US-Militärschlag gegen Syrien?
2) Gibt es Aussicht auf Erfolg für eine kriegerische Intervention?
3) Gibt es Alternativen zu den kriegerischen Mitteln?
Erstens: Legitimation für einen US-Militärschlag?
Auch wenn die Arbeit der UN-Inspektoren in Syrien zur Aufdeckung der Anwendung von Giftwaffen im syrischen Bürgerkrieg noch nicht abgeschlossen ist, steht fest: Giftgas wurde eingesetzt. Dies hat auch „Ärzte ohne Grenzen“ festgestellt. Kann dies aber dem syrischen Machthaber Assad in die Verantwortung gelegt werden? Assad musste immer damit rechnen, dass damit die berühmte „rote Linie“ überschritten würde, die zur militärischen Reaktion der USA führen würde. Haben also andere Einheiten chemische Waffen in diesem inzwischen so unübersichtlichen Krieg eingesetzt, um die militärische Reaktion des Westens herauszufordern? Weder Assad und die Regierungstruppen noch der mit Syrien verbündete Iran hätten ein Interesse an einem US-Militärschlag. Schon lange vor dem Giftgaseinsatz haben andererseits der israelische Ministerpräsident und mächtige Kräfte in den USA und in Großbritannien für eine Intervention plädiert.
Eine Legitimation für einen Militärschlag dürfte laut internationalem Völkerrecht nur vom UN-Sicherheitsrat gegeben werden. Russland hat sich aber bereits klar dagegen ausgesprochen. Würden die USA und Großbritannien und ihre Verbündeten angreifen, so würden sie sich damit außerhalb des UN-Vertragswerkes stellen.
Zweitens: Die Folgen des Militäreinsatzes
In den letzten Wochen gibt es mit dem neuen iranischen Präsidenten Hassan Rouhani Hoffnungszeichen, dass das iranische Nuklearprogramm gestoppt wird. Ein US-Angriff würde diese Entwicklung gefährden, indem es die iranischen Hardliner stärken würde, die enge Verbindungen mit dem syrischen Regime haben.
Eine Militärintervention brächte unkalkulierbare Risiken mit sich. Die bisherigen US-Militärinterventionen in Afghanistan, im Irak oder in Vietnam haben gezeigt, dass kriegerische Interventionen meist mit langjährigen Kriegshandlungen verknüpft waren und keinen Frieden mit sich brachten. Was würde ein unkontrollierbarer Regimewechsel in Syrien nach sich ziehen, wenn die Extremisten an die Macht kämen, in deren Hand dann die syrischen Waffenarsenale wären – bis hin zu den chemischen Kampfstoffen?
Jedenfalls würde eine Militärintervention eine unkontrollierbare Eskalation des Krieges bedeuten mit einer Vervielfachung von Zerstörung, Kriegstoten und Kriegsverletzten. Mit Öl kann kein Feuer gelöscht werden!
Drittens: Alternativen zum Militärschlag
Tatsächlich müsste gerade nach diesem schrecklichen Giftgaseinsatz eine nicht-militärische und politisch-diplomatische Kriegsintervention von Seiten der internationalen Gemeinschaften – wie der EU oder der Arabischen Liga – und der USA und Russlands erfolgen. Ziel muss ein sofortiger Waffenstillstand im syrischen Bürgerkrieg sein. Dieser könnte noch erreicht werden. Washington müsste intensiven Druck auf Saudi Arabien ausüben und Moskau auf den Iran, damit der permanente Waffenfluss in das Kriegsgebiet unterbrochen wird.
Es bleibt zu hoffen, dass sich die österreichische Außenpolitik und zivile Organisationen gegen Kriegstreiberei und für nichtmilitärische Interventionen stark machen
Sonntag, 25. August 2013
Ägypten und die Wehpflicht
Ägypten und die Wehrpflicht
Wenn ich die schrecklichen Bilder aus Ägypten sehe, wenn ich die Gewalttaten der ägyptischen Armee gegenüber den protestierenden Menschen im Blick habe, dann denke ich auch an jene Argumente, die da vor einigen Monaten lauteten: Eine Armee auf der Basis der Wehrpflicht würde nicht auf die eigenen Menschen losgehen, hätte Hemmungen, exzessive Gewalt im Inneren anzuwenden. Kaum ein Staat dieser Welt hat eine Armee mit einer solch starken Wehrpflichtbasis wie Ägypten: Alle jungen Männer sind militärverpflichtet. Wehrdienstverweigerer werden weiterhin diskriminiert. Sie werden beispielsweise von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Christen werden während ihrer Wehrpflichtzeit oftmals schikaniert. Der ägyptische Zwangsdienst dauert bis zu 36 Jahre und eine Reservistenverpflichtung besteht für weitere 9 Jahre. Die ägyptische (Wehrpflicht-)Armee ist auch deswegen so stark – und gefährlich! Zu wünschen wäre deswegen eine weltweite Bewegung zur Abschaffung der Wehrpflicht – und damit auch ein Weg zu weniger Militär und Gewaltmissbrauch. Das ägyptische Exempel zeigt: Wehrpflicht garantiert keinen Schutz vor dem missbräuchlichen Einsatz des Militärs, sondern bietet vielmehr eine Basis für Gräueltaten gegenüber der eigenen Bevölkerung.
Klaus Heidegger, 23.8.2013
FPÖ-Nationalratswahl-Nächstenliebe?
Dr. Klaus Heidegger, Bachgasse 10, A-6067 Absam, klaus.heidegger@aon.at, 22.8.2013
Wahlkampf auf Kosten der „Nächsten“
Und wieder führt die Partei mit der himmelblauen Farbe einen gewohnt ausländerfeindlichen Wahlkampf und bedient sich dabei der eigentlich so leicht durchschaubaren populistischen Strategie. Da wird auf den Plakaten das religiöse Grundgebot „LIEBE deine NÄCHSTEN“ mit dem belehrenden Zusatz versehen „Für mich sind das unsere ÖSTERREICHER“. Unschwer ist in diesem Zweizeiler von den Werbestrategen der „sozialen Heimatpartei“ die Großschreibung von drei emotional aufgeladenen Begriffen zu erkennen: LIEBE – NÄCHSTEN – ÖSTERREICHER. Wer der scheinbar Liebende ist, lässt das Plakat nicht offen. Der freiheitliche Parteichef blickt in einem der Werbeplakate strahlend in das Gesicht einer älteren Frau, die ihm liebevoll über die Wange streichelt, in einem anderen ist sein Gegenüber ein – sicherlich nicht zufällig – blondes Mädchen.
Plumper geht es wohl nicht mehr. HC Strache benützt diesmal nicht wie ein Kreuzritter das Kreuz, um gegen Ausländer oder Andersgläubige zu hetzen und die „christlichen Werte des Abendlandes“ zu verteidigen, sondern das biblisch-religiöse Grundgebot. Allerdings verdreht die FPÖ dabei die Kernaussage dieser Stelle aus dem Evangelium in ihr Gegenteil. Dort nämlich ist Jesus von Nazareth sehr eindeutig. Auf die Frage, wer denn mein Nächster sei, stellt er in der bekannten Gleichniserzählung vom „barmherzigen Samariter“ ( Lukas 10,25-37) eindeutig fest: Der Nächste ist vor allem jener, der in Not geraten ist und der Hilfe bedarf. In dieser jesuanischen Lehrerzählung wird zusätzlich gezeigt, dass nicht die „Einheimischen“, nicht die Vertreter der „eigenen Religion“, sondern ein „Fremder“, ein „Andersgläubiger“ begreift, wer der Nächste ist, was Nächstenliebe wirklich bedeutet.
Die christliche Sozialethik baut ihre Lehre nicht auf Gruppenegoismus, sondern auf eine grenzenlose solidarische Ethik. In der jesuanischen Logik sind die Nächsten daher die Pakistanis im Servitenkloster in Wien, denen der Abschub droht, genauso wie die entlassenen Dayli-Verkäuferinnen, die nur schwer einen selbst minderbezahlten Job finden.
Wenn sich also die FPÖ eines religiösen Vokabulars bedient, täte sie gut daran, dieses auch wirklich zu beherzigen und nicht nach ihrem Gutdünken umzudeuten. Die Kirchen in Österreich, aufbauend auf ihrer praktischen Arbeit mit den „Nächsten“, haben klar gemacht, dass sie mit einer Politik auf Kosten von Flüchtlingen oder Migranten und mit antiislamischen oder antisemitischen Untertönen keine gemeinsame Basis finden. Eine missbräuchliche Verwendung religiöser Symbole und religiöser Sprache für eine inhumane Politik wird abgelehnt.
Die untergriffige Reaktion des FP-Parteichefs auf die klare Distanzierung von Kardinal Christoph Schönborn oder von Bischof Michael Bünker lautete, dass diese kein Monopol auf den Satz „liebe deine Nächsten“ hätten. Heinz Christian Strache übersieht als typischer Vertreter einer postmodernen Beliebigkeit, dass sich das Gebot „christlicher Nächstenliebe“ jedoch nicht beliebig auslegen lässt. Es passt einfach nicht zusammen, wenn damit eine ausländerfeindliche Politik legitimiert werden soll.
Es ist falsch, wenn Nächstenliebe als „Inländerliebe“ („unsere Österreicher“) uminterpretiert wird, weil sich dieses allen Religionen gemeinsame Grundgebot an der Würde und dem Wert jeder Person orientiert, nicht aber an Herkunft oder ethnischer Zugehörigkeit. Wer sich implizit oder explizit auf das Christentum bezieht, und gerade das tut Heinz Christian Strache, kann Nächstenliebe nicht wieder neu eingrenzen. Die Grenzenlosigkeit jesuanischer Nächstenliebe manifestiert sich bei Jesus schließlich auch in der Feindesliebe. Jesus und die Evangelien greifen damit den Faden auf, der sich schon in den jüdischen Schriften des Alten Bundes findet. Dort wird Nächstenliebe stets im Kontext mit den Schutzrechten für die Armen und Fremden gesehen! Würde die FPÖ die biblischen Grundgebote wirklich ernst nehmen, könnte sie auch plakatieren: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten!“ Papst Benedikt schrieb in seiner ersten Enzyklika (Deus caritas, 2005) über die Nächstenliebe folgende Deutung: "Nächstenliebe besteht ja darin, dass ich auch einen Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe."
Klaus Heidegger
Donnerstag, 25. Juli 2013
Sanftes Reisen und brutales Reisen:
Begleitende Gedanken während meiner Radrunde durch die Schweiz im Juli 2013
Sanft reisen, das bedeutet die Höhen und Tiefen auszukosten, dem Wind und Wetter ausgesetzt zu sein, die Gerüche von Wiesen, Bäumen und Sträuchern intensiv wahrzunehmen. Eine Woche lang konnte ich es genießen. Da gab es viele Passstraßen und Wegstrecken dazwischen, um alte Kulturlandschaften und die Bergwelt zu erspüren, und Seen, um sich zu erfrischen. Wärmende Sonne nach einem Regenschauer, Hitze und die Kühle der Berghöhen wechselten sich ab.
Der Gegensatz zu sanft ist brutal. Als Radfahrer ist man immer der Schwächere, wird an den Straßenrand gedrängt, bedroht von irgendwelchen überfetten Wohnmobilen, die sich tonnenschwer bis auf die höchsten Passübergange quälen, von Horden von Motorradfahrern, für die Bergstraßen prinzipiell Rennstrecken zu sein scheinen. Die überdimensionierten PS-starken benzin- und dieselfressenden Monster werden ausgefahren. So manchen Streckenabschnitt zwischen einsamen Bergstraßen waren wir somit den giftigen Abgasen und dem Lärm der freizeitfahrenden Massen ausgesetzt.
Nach Oil-Peak ist noch lange keine Umkehr in Sicht. Die Sanften sind nicht an der Macht. Brutalität regiert die Welt. Die Masse lebt so, als gäbe es keine anthropogene Klimaveränderung. Die Gebirgswelt wird durch das Aufbrechen des Permafrostes instabil und auf den „erschlossenen“ Gletscherflächen wird das Eis mit Planen abgedeckt. Der durchschnittliche, motorisierte Erdenbürger interessiert sich nicht dafür. Es freuen sich die Öl-Giganten dieser Welt über fette Gewinne. Für die Rohstoffkriege der Gegenwart und Zukunft werden Milliarden investiert und jede Tankfüllung trägt dazu bei, dass auch Kriegsgeräte geschmiert werden, dass die Wüsten sich ausbreiten und die Massen in den Ländern des Südens in Hungersnöte katapultiert werden. Überall werden Landschaften und Städte „autogerecht“ zurecht gerichtet. Ökologische Unvernunft paart sich mit egoistischem Ausbeuterdenken und gebiert Zerstörung. Am ersten Tag nach der Rückkehr von unserer „Tour de Suisse“ lese ich, dass Tirols oberster Tourismuswerber mit einer deutschen Edelautoschmiede ein Partnerschaftsabkommen eingeht und damit wirbt, dass die heimischen Bergstraßen für diese Autos so gut geeignet wären. Eine Autofirma nennt es „Summerdrive“, wenn mit einem Auto ein Gebirgsweg entlang gefahren wird. Die Alpenkonvention besteht wohl nur auf dem Papier. Der heimische Wirtschaftsminister bezeichnet stolz Österreich als „Autoland“ und begrüßt euphorische die geplante Rückkehr der Formel 1 nach Spielberg. Warum wohl ist in Österreich der Spritpreis niedriger als in allen Nachbarländern?
Hin und wieder treffe ich auf seelenverwandte Gleichgesinnte, wenn sie entlang der Fernradwege mit Packtaschen dahin treten. Wir sind eine Minderheit. Gut ausgebaut ist das öffentliche Verkehrssystem in der Schweiz. Alternativen zum Auto gäbe es zuhauf. Selbst über den Oberalppass fährt noch die Eisenbahn oder über den Flüelapass eine Buslinie. Wer das Rad nicht wählt oder wählen kann oder wählen möchte, würde ohne ölfressenden, lärmenden Blechhaufen auskommen - Familien mit Kleinkindern, Ältere oder Behinderte ausgenommen. Nur das Land Tirol tut sich so schwer, eine vernünftige Zugverbindung zwischen zwei Tiroler Landesteilen aufrecht zu erhalten.
Ein Großteil der Politiker meidet solche Worte aus Angst, nicht gewählt zu werden. Da ist selbst ein Tempo 100 auf den Autobahnen zu viel des Guten. Regierende Politiker sind stolz, wenn eine weitere Tunnelröhre feierlich eröffnet wird – auch mit dem Segen von kirchlichen Funktionären – und der Verkehr besser fließen kann. Soll er fließen? Der Sanftheit gehöre die Zukunft! Österreich soll kein Red-Bull-Land werden!
Dr. Klaus Heidegger, Bachgasse 10, 6067 Absam, klaus.heidegger@aon.at
Samstag, 30. März 2013
Kreuz und Auferstehung
Von einem Mensch, der das Leben in Fülle für alle will
Gedanken am Karsamstag
Wie jedes Jahr bei der Karfreitagsliturgie spüre ich die Ambivalenz der inszenierten Kreuzesverehrung. Auf der einen Seite ist da das Wissen, dass jener, in dessen Nachfolge ich sein möchte, aufgrund seines politischen Wirkens, seines radikalen Lebensstils und seiner Infragestellung von erniedrigenden Herrschaftsstrukturen von den Römern in Zusammenarbeit mit der religiösen Führungsclique grausam hingerichtet worden ist. In dieser Radikalität ist mir jener, der Menschen von ihrem psychischen oder körperlichen Leiden heilte („Wunder vollbrachte“), dessen Bewegung gekrümmte Existenzen aufrichtete, der politische Widerständler vor sinnlos-gewalttätigem Märtyrertum retten wollte („wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“) und der mit den Menschen Hochzeitsfeste feierte („Weinwunder von Kana“) ein Vorbild. Das Leiden Jesu steht in krassem Gegensatz zur lässigen Rund-um-die-Uhr-Party-Mentalität, jenem egoistisch-ausbeuterischen Lebensstil, jener Grundhaltung, ich hole mir das Maximum – an Ressourcen, an Arbeits- und Lebenszeit von anderen Menschen – um mir selbst den nötigen Fun zu verschaffen. Das Kreuz als radikalstes Zeichen einer Proexistenz: als solches möchte ich darauf schauen. Es wird dann zum durchsichtigen Kreuz und ich sehe dahinter die Kreuze unserer Zeit, die Abermillionen Menschen, die durch eine kapitalistische Weltwirtschaft, gestützt durch unseren Konsum, zu wenig zum Leben haben. Ich denke an die Kriege in der Welt, die Flüchtlinge, und frage mich, was kann ich tun, außer darüber nachzudenken und Gedanken zu formulieren. Dies ist mir zu wenig.
Auf der anderen Seite kann das Gedenken an den Kreuzestod Jesu so leicht zu einer falsch verstandenen Leidensverherrlichung führen und ich verstumme beim Lied „o Haupt voll Blut und Wunden ...“ und ich kann nicht mehr mitsingen bei „heil’ges Kreuz sei hochverehret ...“ Das Kreuz als solches bleibt eines der grausamsten Symbole der Hinrichtungsmethoden römischer Besatzer. Das Kreuz an sich verdient keine „Verehrung“, sondern Abscheu. Dieser Jesus ist gestorben, nicht damit wir uns selbst verstümmeln. Es gab in dieser Geschichte der Religionen schon viel zu viele masochistische Selbstabtötungen. Unsere Kirchen sind voll von Gebeinen von Märtyrern, von steingewordenen Grausamkeiten. Sie riechen zu oft nach Blut und Tränen, das aus den Bildern von den Fresken und Ölgemälden rinnt.
Nach den Kartagen kann ich nun das Osterfest feiern: Als Aufruf, gegen die Kreuze in unserer Zeit aufzubegehren, gegen das Verhungernlassen, gegen die Kriegsvorbereitungen durch Militär und Waffenhandel, gegen fremdenfeindliche Stimmungen in diesem Land, gegen die FPÖ mit ihre menschenverachtenden Parolen („Asylbetrüger abschieben“). Auch meine Kirche, die sich auf Kreuz und Auferstehung bezieht, braucht solche Auferstehung gegen Gesetze und Strukturen, die nicht der Freiheit dienen, sondern Ausdruck von Unterdrückung und Herrschaft sind.
Klaus Heidegger, Karsamstag 30.3.2013
Mali und der Gerechte Krieg
Die französische Militärintervention in Mali
und die
Kriterien des „Gerechten Krieges“
Von Klaus Heidegger – 27. März 2013
Kommission Pazifismus/Antimilitarismus von Pax Christi Österreich
Inhaltsverzeichnis
DIE FRANZÖSISCHE MILITÄRINTERVENTION IN MALI UND DIE KRITERIEN DES „GERECHTEN KRIEGES“ 1
EIN LEGITIMER, ETHISCH GERECHTFERTIGTER, UNVERMEIDLICHER KRIEG? 2
1 MILITÄRISCHE Kampfmaßnahmen MÜSSEN ULTIMA RATIO (LETZTES MITTEL) SEIN. 5
2 DER KRIEG MUSS VON EINER LEGITIMEN AUTORITÄT AUSGEHEN. 6
3 ES MUSS EINEN SCHWERWIEGENDEN GRUND GEBEN. 7
3.1 Menschenrechtsverletzungen 7
3.2 Ausbreitung des Terrorismus 8
4 MILITÄRISCHE MAßNAHMEN MÜSSEN IN RECHTER ABSICHT ERFOLGEN. 8
4.1 Blood for Uranium – Mali und die umliegende Region als Ressourcenparadies 8
4.2 Interessen der französischen Rüstungsindustrie 9
5 DIE MITTEL MÜSSEN ANGEMESSEN UND VERHÄLTNISMÄßIG SEIN. 10
5.1 Flüchtlingselend 10
5.2 „Kollateralschäden“ 10
5.3 Millionen für Militär, Brosamen für Entwicklungshilfe 11
6 DER EINSATZ MILITÄRISCHER MITTEL MUSS AUSSICHT AUF ERFOLG HABEN. 11
6.1 Islamistische Gefahr wird nur „verlagert“ 12
6.2 Mission creep oder die Terrorgefahr wächst weltweit 12
6.3 Rache und Vergeltung – Gewalt gebiert neue Gewalt 13
6.4 Flächenbrand 14
6.5 Vom Scheitern der jüngsten Militärinterventionen 14
6.5.1 Beispiel: Krieg im Irak 14
6.5.2 Die Aussichtslosigkeit einer militärischen Lösung in Syrien 15
CONCLUSIO 15
Ein legitimer, ethisch gerechtfertigter, unvermeidlicher Krieg?
(a) Breite Unterstützung
Vor zweieinhalb Monaten, am 11. Jänner 2013, begann Frankreich mit der „Operation Serval“ seine Streitmacht gegen die aufständischen bewaffneten Einheiten im Norden von Mali einzusetzen. Präsident Francoise Hollande bekam für diesen Einsatz seitens der eigenen Bevölkerung sowie weltweit breite Unterstützung. Die betroffene Bevölkerung in Mali schien die Intervention begrüßt zu haben. Euphorisch wurde von ihr die ehemalige Kolonialmacht als Retter gefeiert. Überall fand sich in den „befreiten“ Gebieten die französischen Flagge. Vertreter der katholischen Kirche wurden zitiert, die mit Blick auf die Franzosen der „Hilfe Gottes“ dankten oder die Intervention als „unvermeidlich“ darstellten. „Die französische Militärintervention wird in ganz Mali vom Volk begrüßt. Wo die Islamisten sich bereits zurückziehen mussten, jubeln die Menschen und tanzen auf den Straßen“ , berichtete der deutsche Caritas-Afrika-Koordinator Hannes Stegemann. Schließlich habe die Bevölkerung unter der radikalen Auslegung des Islam extrem gelitten. In Frankreich war die Zustimmung breiter als das damalige Engagement im Kosovo oder in Libyen. Einhellig schien die Meinung in Afrika zu sein. Die Staatschefs aller westafrikanischen Länder jubelten über die französische Hilfe. Bis hinein in friedensbewegte Kräfte galt die vorherrschende Meinung: Dies ist ein gerechter Krieg!
(b) Kurzer Rückblick
Frankreich war bis 1960 Kolonialmacht und hat in der gesamten Region weiterhin große wirtschaftliche Interessen. Frankreich begann seine Intervention im Jänner 2013, wie in den modernen Interventionskriegen üblich, mit einem massiven Luftkrieg. Luftwaffe und Bodentruppen sowie auch Eliteeinheiten der französischen Fremdenlegion waren im Einsatz. Unmittelbarer Anlass war ein beginnender Vorstoß der Djihadisten in Richtung Süden auf die Millionenstadt Bamako. Den Norden hatten die Aufständischen weiträumig nach dem Militärputsch im Jahr 2012 unter ihre Kontrolle gebracht. Salafistische Extremisten hatten die zuerst von den Tuaregs kontrollierte Region Azawad unter ihre Kontrolle gebracht und im Juni 2012 in Nordmali ihre Form der Sharia eingeführt. Auf ihrer Seite kämpften unterschiedliche Gruppen wie Anhänger der Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQIM) und der radikalislamischen Ansar Dine, von der sich allerdings die Splittergruppe MIA losgesagt hatte, die sich später zu Verhandlungen bereit erklärte. Anfangs bestanden auch Allianzen zwischen den Tuareg, die in Mali und dem benachbarten Niger seit Jahren systematisch benachteiligt werden, und den Djihadisten. Im Verlaufe der Militäroperationen stellten sich die Tuareg auf Seite der malisch-französischen Streitkräfte.
(c) Ethische Kriterien eines Gerechten Krieges
War es legitim und ethisch geboten, der grausam-militärischen Gewalt der Aufständischen in Mali mit Gewalt zu begegnen? Gab es keine anderen oder besseren Möglichkeiten, als mit Kampfhubschraubern und Kampfflugzeugen den regulären Streitkräften von Mali zu Hilfe zu kommen, um weitere Menschenrechtsverletzungen im umkämpften Gebiet zu vermeiden? Ist es in der Terminologie der katholischen Soziallehre gar ein unausweichlicher „gerechter Krieg“, mit dem den „Gotteskriegern“ begegnet werden musste? Wäre die Unterlassung einer militärischen Hilfeleistung in diesem Fall unmoralisch gewesen?
Besonders für friedensbewegte und pazifistische Menschen bzw. Organisationen wie Pax Christi und den Internationalen Versöhnungsbund waren dies unangenehme Fragen, die eine pazifistische bzw. antimilitaristische Grundhaltung in Frage stellten. Man ging diesen Fragen lieber aus dem Weg, entweder um sich nicht selbst einzugestehen, dass in „solchen Fällen“ eine schlagkräftige und höchst professionelle Armee notwendig sei, oder um nicht mit dem Vorwurf konfrontiert zu werden, das Leid der Betroffenen in Mali nicht wahrzunehmen.
Zeitgleich mit der französischen Militärintervention fand in Österreich eine lebhafte Diskussion über Wehrpflicht und Profi-Armee statt. Höchst widersprüchlich argumentierten nun einige plötzlich für das französische Eingreifen, obwohl sie sich in der Wehrpflichtdiskussion stets gegen den Aufbau von schlagkräftigen Interventionsgruppen ausgesprochen hatten.
Ich möchte versuchen, anhand der klassischen Kriterien der Lehre vom „Gerechten Krieg“ Antworten zu finden. Bewusst verwende ich diese Argumentationslinie, weil sie nicht darauf verzichtet, von „Krieg“ zu sprechen, ein Begriff, der im herrschenden Diskurs durch Begriffe wie „friedensschaffende Maßnahmen“, „Interventionen“ oder „Responsibility-to-Protect-Maßnamen“ ersetzt wird. Es ist Krieg, wenn wie folgt berichtet wird: „Während des Tages bombardieren die Franzosen die Rebellenstellungen mit Kampfflugzeugen. In der Nacht greifen französische Kampfhubschrauber auf viel geringerer Entfernung an. Französische Spezialkräfte bewegen sich am Tag sichtbar hinter der Frontlinie bei Niono, in der Nacht identifizieren sie Ziele bei Kommandounternehmen. Bisher gab es jedoch keinen französischen Sturmangriff durch Infanterie. Die Luftangriffe sollen den Rebellen schmerzliche Verluste bereiten. Vier Flüchtlinge aus Diabaly erklärten, dass die Leichen sich stapeln würden und mindestens acht Fahrzeuge der Rebellen bei den Bombardierungen zerstört wurden. Dennoch konnten die Luftschläge die Rebellen nicht aus ihren Stellungen vertreiben.“
1 Militärische Kampfmaßnahmen müssen ultima ratio (letztes Mittel) sein.
Was hätte alles getan werden können, um Menschenrechtsverletzungen in Mali und Blutbäder zu verhindern? Die Liste vergangener Unterlassungen ist lang. Sie beginnt in der Kolonialgeschichte Nordafrikas und geht über die Jahrzehnte, in denen afrikanische Länder ökonomisch ausgebeutet und militärisch aufgerüstet wurden.
(a) Die Liste möglicher nichtmilitärischer Interventionsmaßnahmen ist vielfältig: Sie beginnt beim Hinhören auf die Rechte der ethnischen Gruppen in Mali. Wenn die Tuareg mehr Autonomie gewährt bekämen, wären sie auf Seiten der malischen Bevölkerung. Verhandlungen zwischen malischer Regierung und den Tuareg mit einer Anerkennung ihrer Rechte könnten stattfinden. Die Sezessionsbewegung der Tuareg im Norden, der von ihnen Azawad genannt wird, fand bereits 1963 statt. Die Tuareg erlebten seither permanentes Unrecht, Korruption und eine unfähige Staatsregierung im Süden. Eine grobe Unterlassung war es bislang, den Tuaregs ihre Rechte auf Selbstbestimmung nicht zu gewähren.
(b) Würde nur ein Bruchteil des Geldes, das ab Jänner 2013 für militärische Maßnahmen verwendet wurde, in eine ganzheitlich-nachhaltige Entwicklung Malis – in Bildung und eigenständige Ökonomie – gesteckt, so würde der Terrorismus den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren. Mali ist eines der ärmsten Länder der Erde.
(c) Die Europäische Union hätte so viele ökonomische und politische Mittel, um Frieden und Sicherheit in den Konfliktregionen dieser Welt zu schaffen. Dazu bräuchte es eine nicht-militärisch orientierte gemeinsame Außenpolitik. In der EU gäbe es genügend Experten, die als Berater und Vermittler in den Konfliktregionen auftreten könnten. Je mehr gebombt wird, desto weniger sind aber Worte des Dialogs möglich. Sind die islamistischen Gruppierungen im Norden von Mali wirklich menschenfressende Ungeheuer, die nur die Sprache von Sprengstoff verstehen, oder gäbe es nicht Möglichkeiten, selbst mit dem ärgsten Feind in Dialog zu treten? Wer den Feind reizt, muss sich nicht wundern, wenn seine Aggression noch größer wird. Wer einen Schritt auf den Feind zugeht, setzt einen Schritt der Entfeindung.
Nach der Intervention könnten nun jene vielen Möglichkeiten nicht-militärischer Gewaltbewältigung und eines zivilen Friedensaufbaus erfolgen, die schon zuvor beschritten werden hätten können. Der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz von Mali, Edmont Dembele, setzt dabei auf eine Zusammenarbeit mit dem „Hohen Islamischen Rat“ und glaubt an eine mögliche Aussöhnung zwischen den verfeindeten Gruppen.
2 Der Krieg muss von einer legitimen Autorität ausgehen.
Wenn Frankreich außerhalb seines Staatsgebietes und nicht aus Gründen der Selbstverteidigung agiert, so braucht es laut internationalem Völkerrecht die Legitimation des UN-Sicherheitsrates, beispielsweise für eine so genannte Responsibility-to-Protect-Intervention (R2P). Seit Sommer 2012 arbeitete Frankreich auf eine militärische Intervention hin. Die UN-Sicherheitsratsresolution 2056 (2012) sah noch keine R2P-Maßnahme vor.
Frankreich stützte sich auf die Resolution 2085 vom 20.12.2012. Die Regierung in Bamako hatte um Unterstützung und Hilfe gebeten. Darauf konnte sich die französische Regierung berufen. Allerdings sah die oben genannte UN-Resolution zunächst lediglich vor, dass es eine Intervention sei, die von afrikanischen Kräften getragen sein sollte.
Im Sinne eines Hilferufs von Seiten des Staatspräsidenten könnte das Kriterium der Legitimierung positiv abgehakt sein. Frankreich hat reagiert wie im Falle des Kosovo im Jahr 1999. Damals schritt der französische Premierminister Lionel Jospin gegen die Milizen von Milosevic ein, ohne dass er dafür ein Mandat seitens der Vereinten Nationen gehabt hätte. Zu den Grundsätzen des Völkerrechts zählt freilich, dass allein der UN-Sicherheitsrat das Mandat hat, gegen jemanden den Krieg zu erklären und zu führen. Frankreich kann sich diese auctoritas nicht allein anmaßen.
Zugleich wirft auch die militärische Orientierung des UN-Sicherheitsrates wieder einmal – wie im Falle von Libyen – die Frage auf, ob nicht die kriegsentscheidende Instanz der Vereinten Nationen zu sehr bestimmt wird von den polit-ökonomischen Interessen der fünf permanenten Sicherheitsratsmitglieder, die zugleich die größten Waffenexporteure sind.
3 Es muss einen schwerwiegenden Grund geben.
3.1 Menschenrechtsverletzungen
Der „militärische Feuerwehreinsatz“ (© Hollande) in Mali schien tatsächlich legitimiert durch die schweren Verbrechen der Djihadisten, die im Norden Malis ein Terrorregime errichtet hatten, das auf den Süden ausgeweitet werden sollte. Fundamentalistische und gewalttätige Islamisten hatten weite Gebiete im Norden von Mali unter ihre Kontrolle gebracht. Zehntausende mussten fliehen, uralte Kulturgüter, die unter dem Schutz der UNESCO stehen, wurden zerstört. Berichtet wurde von Gräueltaten, von Steinigungen von Ehebrechern, dem Abhacken von Händen von Dieben – kurzum all dem, was als Gräueltaten von „Steinzeitislamisten“ bezeichnet wird. Wer nicht gehorchte, wurde massakriert. Die Situation erinnerte an Afghanistan oder Somalia. Die Regierung von Mali schien demgegenüber Anfang des Jahres 2013 ohnmächtig zu sein. Der in den USA militärisch ausgebildete Staatschef von Mali war erst Mitte 2012 durch einen Militärputsch an die Macht gekommen und hatte im Norden Malis kaum Rückhalt. Alles ein gravis causa, ein schwerweigender Grund für eine Militärintervention von außen?
3.2 Ausbreitung des Terrorismus
Im Hintergrund steht auch der andauernde „Krieg gegen den Terror“, der nun nach Afghanistan, Pakistan, Somalia, Yemen auch in Nordafrika bekämpft werden sollte. Mit Mali rückte die Al Qaida ein Stück näher an Europa heran. Im Hintergrund der französischen Intervention stand daher die Angst, dass sich dieser Terror nun in Afrika ausbreiten würde – hin nach Burkina Faso, Niger, Algerien und letztlich bis an die Grenzen Europas. So erklärte Präsident Hollande noch am 11. Jänner, also zwei Tage vor der Intervention, dass Frankreich in Mali keinen anderen Zweck verfolge, als den Terrorismus zu bekämpfen. Vier Tage später gab Hollande als Hauptgrund für die Intervention an, die territoriale Integrität des Landes herzustellen und zu sichern, dass es legitime Autoritäten und einen demokratischen Prozess gäbe.
4 Militärische Maßnahmen müssen in rechter Absicht erfolgen.
Angefragt muss werden, ob die französische Regierung tatsächlich primär aus eigennützigen Interessen ihre Truppen in die Schlacht schickt. Waren humanitäre Interessen im Vordergrund?
4.1 Blood for Uranium – Mali und die umliegende Region als Ressourcenparadies
Die strategisch-ökonomischen Interessen sind offensichtlich. Rund um Mali sind seit langer Zeit französische Einheiten stationiert. Warum? Mali liegt mitten im „Goldgürtel“, der sich von Senegal über Guinea, Ghana, Mali, Burkina Faso, Niger, Nigeria und Kamerun durch ganz Westafrika zieht. Daneben gibt es Erdöl, Erdgas, Phosphat, Kupfer, Bauxit, Diamanten und andere Edelsteine. Kurzum: Wirtschaftliche Interessen sind evident. Im Westen des Landes wurde Uran gefunden. Dies nährte das Gerücht, Frankreich habe in den Konflikt eingegriffen, um seine Atomkraftwerke mit billigem Uran zu versorgen. Der staatliche Nuklearkonzern Areva bezieht sein Uran vor allem aus Minen in diesem Gebiet und dem benachbarten Niger. Geplant ist eine dritte Uranmine, in die allein bereits 1,2 Milliarden Euro investiert wurden. Zugleich nahmen in diesen Gebieten terroristische Übergriffe zu, die den Uranabbau verhinderten. Der Überfall auf das Erdgasfeld in Algerien zeigt weiters, wie in dieser Region das dominierende Interesse Europas nach Sicherung von Ressourcen durch islamistische Milizen gefährdet ist.
Faktum ist also, dass es sich mit Blick auf Mali und die französische Politik vor allem um einen Rohstoffkrieg handelt. Der Ansatzpunkt einer neuen Weltpolitik, die nicht auf Ausbeutung und Krieg beruht, würde daher in der heimischen Wirtschafts- und Energiepolitik liegen. Besonders mit Blick auf Frankreich erweist sich, dass die zivile Nutzung von Atomenergie und Kriegsbereitschaft zwei Seiten derselben Medaille sind. In Frankreich sind mit März 2013 58 Atomreaktoren in Betrieb die Zweidrittel des französischen Stroms produzieren. Beherrscht werden sie von einer mächtigen Atomlobby. Ein Drittel des Atomkraftbrennstoffs Uran bezieht Frankreich derzeit schon aus dem benachbarten Niger.
Was Frankreich und die Welt so dringend brauchen, ist ein Ausstieg aus der verbrecherischen Energiepolitik. Jeder und jede kann damit beginnen, wenn wir weniger Energie verschwenden. Die Politik wiederum muss auf die Gewinnung von Energie ohne Atomkraft setzen.
In den Blick genommen werden muss auch die Art und Weise, unter welchen Bedingungen in den umkämpften Gebieten Westafrikas das Uran abgebaut wird. In der Uranmine von Arlit in Niger bergen Arbeiter ohne Schutzkleidung das hochradioaktive Uran mit bloßen Händen, ganze Landstriche sind mit radioaktivem Staub verseucht.
4.2 Interessen der französischen Rüstungsindustrie
Die Grand Nation ist groß im Rüstungsbusiness. Offizielle Zahlen beziffern allein die Rüstungsexporte Frankreichs mit 2,4 Milliarden Euro – das ist mehr als die zweit- und drittgrößten europäischen Rüstungsginganten, Deutschland (1,2) und Großbritannien (1,2) zusammen exportieren. Frankreich steht weltweit an dritter Stelle der Rüstungsexporteure (USA 10; Russland 7,9). Der Krieg in Mali bot also eine gute Gelegenheit, um die französische Militärtechnologie anzupreisen und nicht von ungefähr war zur selben Zeit, als die Militärintervention stattfand, Präsident Hollande in den Golfstaaten unterwegs, um neue Großaufträge für den militärisch-industriellen Komplex Frankreichs zu unterzeichnen.
In dieses Schema passt auch das Drängen der französischen Regierung nach einer Aufhebung des EU-Waffenembargos gegenüber Syrien, was heißt: Es soll den EU-Ländern möglich sein, den bewaffneten syrischen Oppositionsgruppen Kriegsmaterial zu liefern.
5 Die Mittel müssen angemessen und verhältnismäßig sein.
5.1 Flüchtlingselend
Ist mit Blick auf die Fluchtbewegungen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit gewährleistet? Ende Jänner 2013 waren bereits 345.000 Menschen auf der Flucht aus den Kampfgebieten Malis, davon 123.000 in Nachbarländer. Die Situation in den Flüchtlingslagern wurde als dramatisch geschildert. Im Flüchtlingslager Mbera in Ostmauretanien lebten Ende Jänner 2013 55.000 Menschen aus Mali. Ein Fünftel der hier lebenden Kinder waren unterernährt, knapp fünf Prozent sogar schwer.
5.2 „Kollateralschäden“
Was ist mit den „Kollateralschäden“, die die Luftangriffe mit sich bringen? Wie viele Menschen starben aufgrund der französischen Bombardements? Berichte darüber gibt es so gut wie nicht. Lediglich von „Ärzte ohne Grenzen“ wurde berichtet, dass die Zivilbevölkerung nicht geschont würde. Die Jubelmeldungen über die französischen Erfolge ließen Berichte über die Folgen der heftigen Bombardements zu Beginn der Intervention gar nicht aufkommen. Berichte darüber finden sich allerdings in Internet-Beiträgen.
5.3 Millionen für Militär, Brosamen für Entwicklungshilfe
Der militärische Mitteleinsatz steht in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen für Entwicklungshilfe. Würde nur ein kleiner Teil der Aufwendungen für die Kriegsmaßnahmen in nicht-militärisches Krisenmanagement investiert, könnte damit nachhaltig ein „Erfolg“ erzielt werden. Je besser die Bildung, desto weniger Bereitschaft, der Al-Kaida und ihren Gefolgsleuten auf den Leim zu gehen. Je weniger Armut, desto kleiner die Versuchung, mit den Mitteln der Gewalt einen Ausweg aus der erbärmlichen Situation zu erreichen.
6 Der Einsatz militärischer Mittel muss Aussicht auf Erfolg haben.
„Jamais ces guerres n’ont bâti un Etat solide et démocratique. Au contraire, elles favorisent les séparatismes, les Etats faillis, la loi d’airain des milices armées.“
„Diese Kriege haben niemals zur Schaffung eines soliden und demokratischen Staates geführt. Im Gegenteil, sie neigen dazu, Separatismus, gescheiterte Staaten und bewaffnete Milizen zu fördern.“
Die Geschichte der jüngsten militärischen Interventionen des Westens zeigt, wie erfolglos und kontraproduktiv sie gewesen sind. Afghanistan ist ein Lehrbeispiel dafür, dass die mächtigsten militärischen Mächte mit den größten Militärapparaten und einem horrenden Mitteleinsatz in einem jahrzehntelangen Krieg keinen Frieden schaffen können. Wird Mali das afrikanische Afghanistan? Frankreich stellte Anfang Februar mit 4600 Soldaten ein größeres Kontingent, als dies in Afghanistan mit 4000 geschah.
6.1 Islamistische Gefahr wird nur „verlagert“
Die gewalttätigen Terrorgruppen werden sich mit den größten Militärapparaten nicht zerschlagen lassen. Einerseits werden sie nur aus dem umkämpften Gebiet zurückweichen, um dann irgendwo anders, nun sich selbst legitimierend aus Rache und Vergeltung, neu loszuschlagen. Als die französischen und malischen Truppen Ende Jänner in die Stadt Kidal vordrangen, waren die Rebellengruppen bereits weg – sie hatten sich in die Gebirgswüste zurückgezogen. Berichte zeigten zugleich, dass selbst islamistische Gruppierungen zu Verhandlungen bereit seien.
Nach einigen Wochen französischer Militärintervention mag die Freude im Norden Malis groß sein, die brutalen Steinzeitislamisten los geworden zu sein. Es ist jedoch lediglich eine Verlagerung. Eine nachhaltige Lösung würde darin bestehen, wenn es gelänge, sie nicht zu vertreiben und zu „eliminieren“, sondern auf dem Weg von Verhandlungen und Gesprächen Wege zu einem friedlichen Miteinander zu finden. Sollte es gelingen, durch eine Ausweitung des Krieges die Islamisten und salafistischen Milizen ganz aus den Städten und Dörfern Nordmalis zu vertreiben, so müsste dieses riesige Gebiet weiterhin von einer nicht unbeträchtlichen Präsenz der französischen Streitmacht über viele Monate, vielleicht sogar Jahre gesichert werden.
Mehr als zwei Monate nach der französischen Intervention, Ende März 2013, zeigen fast tägliche Berichte in den Medien jedenfalls, dass der Krieg an der Tagesordnung ist. „Tote bei Kämpfen in Nordmali“, lautet eine Schlagzeile in der Tageszeitung vom 26.3.2013.
6.2 Mission creep oder die Terrorgefahr wächst weltweit
"Mission creep" ist ein nützlicher Begriff, der umschreibt, was bei Militärinterventionen gegen terroristische Gruppierungen von Afghanistan über Irak bis Libyen und Mali geschieht. Die westlichen Interventionsgruppen mögen zwar anfängliche Erfolge feiern, finden sich aber dann später in einer Situation wieder, in der sich die Terrorgruppen nur versteckt oder sich in anderen Gebieten ausgebreitet haben. Es wird trotz vermehrtem Mitteleinsatz zu einem ausweglosen Kampf. Der militärische Kampf gegen den Terror gleicht dem Kampf gegen die vielköpfige Hydra. Wird ein Kopf abgeschlagen, wachsen anderswo zwei neue nach. Die französische Armee wird nicht der Herkules sein und den Kopf des Terrorismus mit Feuer und Schwert auslöschen können.
Frankreichs Sicherheitspolitik ist geprägt vom Bedrohungsbild „Kampf gegen den Terrorismus“. „Terrorbekämpfung“ steht daher ganz oben auf den Agenden des französischen Staates. Hollande beschwört sein Volk darauf ein, beim Kampf gegen den Terror hart zu bleiben. „Der Kampf gegen den Terrorismus erlaubt kein Nachgeben, keine Schwäche, keine Nachlässigeit ...“ Gleich zu Beginn der Kämpfe im Jänner stieg jedoch die Terrorgefahr in Frankreich an. In Algerien geschah eine Geiselnahme, die in einem Blutbad endete.
Als gefährlich kontraproduktiver Weg erwies es sich wieder einmal, wenn westliche Mächte eine Armee in einem Bürgerkriegsland aufrüsten. So dürfte die von den USA unterstützte Aufrüstung der regulären malischen Armee zunächst zum Putsch geführt haben. Ab April 2013 sollen die regulären Truppen Malis mit internationaler Hilfe ausgebildet und aufgerüstet werden. Auch Österreich ist im Rahmen eines UN-Kontingentes mit dabei.
6.3 Rache und Vergeltung – Gewalt gebiert neue Gewalt
Im Zuge der Kämpfe kam es immer wieder zu Übergriffen auf mutmaßliche Djihadisten bis hin zu Lynchmorden. Auch der malischen Armee wurden unter anderem von dem in Paris ansässigen Menschenrechtsdachverband FIDH (Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme) Misshandlungen vorgeworfen. Teils wurden Gräueltaten wie Leichenschändungen an vermeintlichen Kämpfern der Islamisten auch bildlich dokumentiert. Moussag Ag Assarid, Sprecher der Tuareg, gab in einem Interview zu Protokoll, dass die malische Armee der französischen Armee folgt und dann Massaker an Zivilisten verübt. Die Soldaten würden Rache üben, vor allem auch gegenüber der arabischsstämmigen Bevölkerung und den Tuaregs.
6.4 Flächenbrand
In einem Artikel der „Solidarwerkstatt“ wird prägnant formuliert: „Die Brandstifter rufen sich selbst als Feuerwehr - um mit Benzin zu löschen.“ In diesem Statement stecken zwei Behauptungen: Zum einen wäre die französische Politik selbst hauptverursachend für die gegenwärtige Konfliktlage, zum anderen würde durch die französische Militärintervention nicht gelöscht, sondern gefackelt.
6.5 Vom Scheitern der jüngsten Militärinterventionen
6.5.1 Beispiel: Krieg im Irak
Der Blick auf die jüngste Geschichte von Militärinterventionen zeigt, dass mit militärischer Gewalt kein Frieden geschaffen werden kann. In diesen Tagen denken wir an den Beginn des Golfkrieges gegen den Irak am 20. März 2003. Bombenanschläge sind seit dem Sturz von Saddam Hussein an der Tagesordnung. Um den 10. Jahrestag des 2. Golfkrieges gab es eine ganze Bomenserie. Am 16./17. März gab es mehrere Autobomben und Selbstmordanschläge im Zentrum von Bagdad. Dutzende Menschen kamen ums Leben. Am 14. März starben 18 Menschen bei einem Anschlag von Extremisten im Regierungsviertel von Bagdad. Am 10. März stirbt ein Oppositioneller bei einer Kundgebung gegen den amtierenden Präsidenten. Am 8. März erschießt die Polizei 3 Teilnehmer bei einer Protestkundgebung.
Die „Operation Iraqi Freedom“ hat in allen Aspekten ihre propagandistischen Begründungen und Versprechungen nicht eingehalten. Die Behauptungen, der Irak habe Massenvernichtungswaffen produziert, erwies sich als falsch genauso wie der Verdacht, Saddam Hussein hätte Verbindungen zur Al Qaida. Die Pläne von George W. Bush, einen demokratischen Staat mit militärischer Gewalt und mit der Strategie von „Shock and Awe“ aus dem Boden zu schießen, sind desaströs gescheitert. Es folgten ein blutiger Guerilla-Aufstand und ein Bürgerkrieg entlang der konfessionellen Grenzziehungen. Die Zahlen der seit 2003 getöteten Menschen reicht von 113.000 bis 600.000. 4488 US-Soldaten starben, an die 35.000 wurden körperlich verletzt oder verstümmelt. 9500 irakische Sicherheitskräfte kamen ums Leben. Weiterhin sind 10.000 US-Soldaten im Irak stationiert. Der Irak ist heute de facto in 3 Teile geteilt. 60% der Bevölkerung hat keine Arbeit. Der Ruf von George W. Bush am 1. Mai 2003 „Mission accomplished“ hat sich als tragischer Irrtum erwiesen. Die schlimmsten Auseinandersetzungen folgten erst. Allein die USA gaben für diesen Krieg bisher weit mehr als zwei Billionen Dollar aus.
6.5.2 Die Aussichtslosigkeit einer militärischen Lösung in Syrien
Zwei Jahre nach dem Aufstand in Syrien ist nach wie vor keine Lösung in Sicht. Je mehr die Opposition von paramilitärischen Gruppen übernommen worden ist, desto mehr eskalierte der Bürgerkrieg. Verrückterweise ist es gerade wieder Frankreich, das gemeinsam mit Großbritannien für eine Aufhebung des Waffenembargos eintritt und die syrische Opposition mit Waffen gegen Assad ausrüsten möchte. Am Beispiel Syrien zeigt sich die Doppelmoral der französischen Haltung: In Mali werden die salafistisch orientierten Rebellen bekämpft, in Syrien werden die salafistisch orientierten Rebellen unterstützt.
Conclusio
Das philosophisch-ethische Konzept des Gerechten Krieges geht davon aus, dass ein Krieg nur dann gerechtfertigt sein kann, wenn alle oben genannten Kriterien bzw. Prinzipien erfüllt werden. Mag auch mit Blick auf Mali ein „schwerwiegender Grund“ vorhanden sein, das heißt mag dieses Kriterium angesichts der Menschenrechtsverletzungen und der Terrorgefahr zutreffen, so zeigt sich jedoch in allen anderen Kriterien, dass zumindest von einem „gerechten Krieg“ nicht gesprochen werden kann.
a) Es kann nicht von einer ultima ratio gesprochen werden.
b) Die Legitimation durch die Vereinten Nationen ist fragwürdig.
c) Die rechte Absicht der französischen Regierung muss angesichts der ökonomischen und geopolitischen Interessen zumindest infrage gestellt werden.
d) Die Verhältnismäßigkeit der Mittel ist aufgrund der Verluste, Zerstörungen und des enormen Mitteleinsatzes nicht gerechtfertigt.
e) Ein Erfolg ist nicht in Sicht.
Daraus folgt: Die Anwendung der Gerechte-Krieg-Lehre würde zur Kriegsverhinderung führen. Es ist eine Ironie, dass jene, die rhetorisch die Lehre vom Gerechten Krieg ablehnen, zugleich dessen Kriterien ablehnen und daher neue Formen eines Gerechten Kriegs, vor allem in Gestalt von humanitären Interventionen, legitimieren. Jene wiederum, die kriegskritisch denken, berufen sich auf die Kriterien des Gerechten Krieges, weil sie taugliche Argumentationsmuster gegen das Kriegsführen bieten. Wenn man also die Kriterien des gerechten Krieges sorgsam anwendet, selbst im Fall von Mali, muss man keine Angst haben, dass daraus ein schnelles Kriegführen kommt. Im Gegenteil!
Für die friedensbewegten Kräfte zeigt der Krieg in Mali, wie die künftigen Militärinterventionen ablaufen werden. Nicht mehr im Stile großer und langwieriger Interventionen wie in Afghanistan, sondern ein rasches und gezieltes Eingreifen steht am Beginn. Für diese Strategie passt dann der Aufbau der EU-Battlegroups. Eine UN-Mandatierung ist nicht mehr automatisch vorgesehen. Zur Kampfstrategie zählt zunächst, mit massiven Luftangriffen die gegnerische Seite zu schwächen und zu demoralisieren, dann Kampftruppen nachzuschicken. Der Einsatz von Drohnen gehört zur neuen Kriegsstrategie.
Friedensbewegte Menschen fordern, dass Militärinterventionen stets an letzter Stelle stehen sollten. Die vergangenen Jahrzehnte militärischer Interventionen – Irak, Afghanistan, Somalia, Libyen – haben gezeigt, dass mit militärischer Einmischung von außen kein Staat und kein Frieden zu machen sind, dass jedoch damit stets unendlich viel menschliches Leid, Zerstörung und Vergeudung von Ressourcen verknüpft sind. Frankreich wäre aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit und seiner Interessen in der Region zu militärischer Zurückhaltung verpflichtet. Die französisch dominierte Intervention bietet den islamistischen Kräften nur neuen Vorwand für ihre terroristischen Aktivitäten. Auch Libyen ist kein Beispiel für eine gelungene Intervention von außen angesichts von 30.000 Opfern des Kampfes um die Macht in Libyen, einem bis heute tief gespaltenen Land, das stets am Rande eines neuerlichen Bürgerkriegs steht, und einer immer noch zerstörten Infrastruktur. Gewalt gebiert neue Gewalt. Aus der Gewalt führt nur der Weg der Gewaltfreiheit. Es bräuchte eine Politik, die nicht mehr auf militärische Konfliktbewältigung setzt.
Wer sich hingegen auf das Denkmuster einlässt, von außen mit militärischen Mitteln bei Menschenrechtsverletzungen einzuschreiten, wird sich fragen müssen oder muss sich gefallen lassen gefragt zu werden: Warum eine Intervention in Mali, nicht aber auch in Syrien oder in Israel/Palästina? Wenn die Option in Mali gerechtfertigt ist, warum dann dieses apodiktische Nein zu EU-Battle-Groups seitens friedensbewegter Menschen? Warum dann Festhalten an der Neutralität? ...
Samstag, 23. März 2013
Syrien - Waffenembargo
Wenn es schon einmal eine begrüßenswerte friedenspolitische Positionierung unseres Außenministers gibt - im Sinne beschlossener Syrien-Stellungnahmen von Pax Christi - so könnten wir dies deutlich unterstützen.
Als Vorschlag ein Briefentwurf, der persönlich unterschrieben werden könnte und auf die unten stehende Website mit deinem Namen, Adresse unterzeichnet werden könnte. ...:)
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Sg. Herr Außenminister Dr. Michael Spindelegger!
Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass sie innerhalb der EU zu einem Sprecher geworden sind, der sich gegen Waffenlieferungen an die syrischen Oppositionsgruppen stellt und für eine Fortführung des Waffenembargos eintritt. Tatsächlich trägt jeder Rüstungsdeal mit den kämpfenden Einheiten zu einer Aufschaukelung und Prolongierung des Krieges bei. Die offizielle österreichische Außenpolitik könnte auf der Basis der aktiven Neutralität – gerade als Antwort auf die Ablehnung von Waffenlieferungen – deutlich für Vermittlungs- und Versöhnungsinitiativen zwischen den kämpfenden Gruppen beitragen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Klaus Heidegger (Pax Christi)
http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/aussenministerium/der-aussenminister/kontakt-minister.html
Hoffnungspapst
Pope of Hope oder:
wie ich wieder begann, das Papsttum zu schätzen
Vor dem Konklave schrieb ich einen Text mit dem Titel „Mein Lieblingspapst“. Vieles, was ich darin als Wunsch und als Vision von einem ganz anderen Papst und einer reformwilligen Kirche formuliert hatte, ist in den vergangenen Tagen Wirklichkeit geworden.
Rückblickend auf das Pontifikat von Benedikt XVI. fällt es mir zunächst nicht schwer, in Papst Franziskus ein großes Hoffnungszeichen für meine Kirche zu sehen. Zunächst also ein Blick zurück. Von Beginn an schlug der vormalige Papst einen restaurativen Kurs ein. Die Erwartungen waren im Jahr 2005 nicht hoch, hatte doch Benedikt bereits als Kardinal Ratzinger und Chef der Glaubenskongregation in jeder Hinsicht mit seiner Verurteilung der Befreiungstheologie viele Katholiken enttäuscht. Diese Enttäuschungslinie setzte er mit seiner Anbiederung an die Pius-Bruderschaft oder mit missverständlichen Äußerungen gegen den Islam sowie mit einem Stillstand im Verhältnis zu den protestantischen „Kirchen“ (sic!), die von ihm nicht als Kirchen gesehen wurden, fort. Mit seinem Rücktritt hat Papst Benedikt XVI. einen mutigen und zukunftsweisenden Schritt gesetzt. Ich hatte Angst, es würde dann einer der Kardinäle zum Papst gewählt werden, der die Benedikt-Linie verlängern würde.
Nun aber mit Jorge Mario Bergoglio ein neuer Anfang, eine Abkehr vom bisherigen Kurs? Von Beginn seiner Ernennung an, vom ersten Auftreten auf der Loggia nach dem „Habemus Papam“ hat Papst Franziskus Signale der Hoffnung gesetzt. Überzeugend, authentisch und glaubwürdig ist seine zentrale Botschaft, als Papst vor allem für die Armen da zu sein. Sein nicht nur namentlicher Bezug auf Franz von Assisi zeigt an, dass er einen neuen Weg als Papst einschlagen möchte – ein erster Papst mit diesem Namen, ein erster Jesuit als Papst, ein erster Lateinamerikaner als Papst. Ein dreifaches Novum, es ist multiplizierte Hoffnung.
Nach den ersten sieben Tagen, als eine „kleine Versammlung in Rom“ (©Clemens Sedmak) den argentinischen Kollegen zum Papst gewählt hatte, nach der ersten Euphorie für die vielen einfachen Signale, die der neue Papst ausgesendet hat, kann nun eine erste nüchterne – und zugleich immer noch so vorläufige – Einschätzung erfolgen.
Erstens: Die natürlich-charismatische Art des Bergoglio-Papstes ist tatsächlich bewegend, gewinnend, faszinierend. Seine so gar nicht abgehobene Art, sondern sein einfach-bescheidener und ungezwungener Stil tut gut nach all dem Pomp, mit dem das Papsttum in der Geschichte assoziiert werden kann und belastet ist. Papst Franziskus hat mit den ersten Worten klar gemacht, mit seiner Bitte um den Segen, dass er seine Aufgabe im Dialog mit den Menschen, für die er da ist, erfüllen möchte. Nicht als Papst, sondern zunächst als Bischof von Rom hatte er sich vorgestellt.
Zweitens: Papst Franziskus setzt mit seinem Lebensstil Zeichen – ganz im Sinne von Gandhis Leitspruch „my life is my message“. Schon als Kardinal in Buenos Aires lebte er bescheiden, fuhr mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, wohnte in einem schlichten Apartment. Solche Zeichen sind wichtig. Sein neues Outfit in weiß bleibt ohne barocken Prunk. Keine roten Designer-Schuhe, kein schwer-goldener Ring, kein Hermelinkäppchen, keine gold-bestickte Mozzetta. Da passen auch die einfachen Grußformeln von „Guten Abend“ über „Mahlzeit“ bis „Gute Nacht“, mit denen er die Menschen anspricht.
Drittens: Noch blieben die „heißen Themen“ der Familienpolitik und Sexuallehre ohne Kommentierung seitens des neuen Papstes. Kolportierte Aussagen aus der Vergangenheit machen etwas vorsichtig. Schon wird der neue Papst als konservativ in den traditionellen moraltheologischen Fragen zitiert. Gegenüber Schwulen und Lesben soll er Vorbehalte haben. Homo-Ehe hätte er gar früher einmal als „Teufelswerk“ bezeichnet. Eine Abkehr vom Pflichtzölibat und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt werde es unter Papst Franziskus nicht geben. Für Reformkräfte in der Kirche, für „Wir sind Kirche“ oder die Pfarrerinitiative, wird dies nicht einfach sein. Ihre Anliegen werden nun gerne als sekundär hingestellt, als nachrangig gegenüber den zentralen Anliegen der Option für die Armen und für die Schöpfung oder der Herkules-Aufgabe einer Reform der Kurie. Hier gilt es allerdings, die Anliegen nicht aufzugeben, bei aller Sympathie für den neuen Papst, ihm auch diese Forderungen nach Zulassung der Frauen zu den Weiheämtern und Aufhebung des Pflichtzölibates nahe zu bringen. Es ist zu hoffen, dass ihm die Bischöfe diese Forderungen aus ihren Diözesen nahe legen werden und dass Papst Franziskus die Funktion der Bischöfe, nicht länger Befehlsempfänger aus Rom zu sein, sondern Vermittler der Anliegen aus der Ortskirche, ernst nehmen wird. Auch in einigen anderen dogmatischen Fragen ist so manche Unsicherheit gegeben. Verdeckt der Charme des neuen Papstes und die Euphorie für ihn vielleicht gar eine religiöse Sichtweise, die so gar nicht den Erwartungen entsprechen, die viele Menschen in einen neuen Papst setzen???
Viertens: Theologen, denen ich vertraue, die so viel mehr Ein- und Durchblicke haben, teilen mit mir die Hoffnung, dass mit Bergoglio ein neuer Frühling für die Kirche anbrechen könnte. Leonardo Boff nahm ihn gegenüber der Kritik, zur Zeit der Militärdiktatur seine eigenen Mitbrüder verraten zu haben, in Schutz. In der Wahl des Namens Franziskus sieht Boff das Programm des neuen Papstes, die Kirche in einem franziskanischen Sinne neu aufzubauen. Boff schreibt in seinem Blog: „Es muss erwähnt werden, dass dies ein Papst ist, der aus dem tiefen Süden kommt, wo die ärmsten Menschen leben und sich 60% der Katholiken befinden. Mit seiner pastoralen Erfahrung und seiner Sichtweise ‘von unten` kann er die Kurie umgestalten, die Verwaltung dezentralisieren und der Kirche ein neues, glaubwürdiges Gesicht verleihen.“
Auch Hans Küng spricht sehr positiv von einem „radikalen Wandel“ für die Kirche. Bischof Erwin Kräutler schloss ebenfalls aus, dass Bergoglio zur Zeit der Militärdiktatur mit den Machthabern paktiert habe. Voll des Lobes sind auch die Theologen vor Ort. Jozef Niewiadomski erwartet sich eine tiefgreifende Kurienreform. Viele trauen dies dem neuen Papst zu, da er selbst nicht aus den Kurienkreisen stammt und zugleich als sehr durchsetzungsfähig gilt. Der Wunsch nach einer Kurienreform eint die Katholiken von Kardinal Schönborn angefangen bis hin zur Plattform „Wir sind Kirche“.
Fünftens und nochmals: Im Zentrum der Botschaft von Papst Franziskus steht wie beim Povorello aus Assisi die Liebe zu den Armen. Folgende einfache Worte an die Medienvertreter, also in der ersten Pressekonferenz des neuen Papstes, sind programmatisch klar und eindeutig, Worte, wie ich sie mir nicht sehnlicher von einem Papst erwartete:
„Manche wussten nicht, warum der Bischof von Rom sich Franziskus nennen wollte. Einige dachten an Franz Xaver, an Franz von Sales und auch an Franz von Assisi. Ich erzähle Ihnen eine Geschichte. Bei der Wahl saß neben mir der emeritierte Erzbischof von São Paolo und frühere Präfekt der Kongregation für den Klerus Kardinal Claudio Hummes – ein großer Freund, ein großer Freund! Als die Sache sich etwas zuspitzte, hat er mich bestärkt. Und als die Stimmen zwei Drittel erreichten, erscholl der übliche Applaus, da der Papst gewählt war. Und er umarmte, küsste mich und sagte mir: ‚Vergiss die Armen nicht!‘ Und da setzte sich dieses Wort in mir fest: die Armen, die Armen. Dann sofort habe ich in Bezug auf die Armen an Franz von Assisi gedacht. Dann habe ich an die Kriege gedacht, während die Auszählung voranschritt bis zu allen Stimmen. Und Franziskus ist der Mann des Friedens. So ist mir der Name ins Herz gedrungen: Franz von Assisi. Er ist für mich der Mann der Armut, der Mann des Friedens, der Mann, der die Schöpfung liebt und bewahrt. Gegenwärtig haben auch wir eine nicht sehr gute Beziehung zur Schöpfung, oder? Er ist der Mann, der uns diesen Geist des Friedens gibt, der Mann der Armut. … Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!“
Angesichts solcher Worte, verbunden mit den klaren Zeichen, kann ich im Religionsunterricht meinen Schülern und Schülerinnen endlich die Bedeutsamkeit des Papstamtes mit Freude und Zustimmung nahe bringen. Ich merke, dass sie meine Hoffnung teilen und dass damit Kirche auch für sie glaubwürdiger wird. Freilich bleibt mein Grundansatz, dass das Erleben von Kirche nicht von einem Papst abhängt, sondern Kirchesein in den Familien, in den Freundeskreisen, der Schule und in den Gemeinden gelebt wird – und das alles können wir mit oder ohne Papst. Gut, wenn dies nicht gegen sondern mit einem Hoffnungspapst geschehen kann. Für das alltägliche Glaubensleben ist ein Papst zunächst unbedeutsam. Und dennoch kann die atmosphärische Veränderung im Vatikan auch die Atmosphäre in einer x-beliebigen Kirchengemeinde verändern. Im ersten Sonntagsgottesdienst meiner Heimatgemeinde nach der Papstwahl reichten sich erstmalig in der 1000-jährigen Geschichte dieser Gemeinde die Gläubigen beim Vaterunser die Hände.
Mit Spannung blicke ich auf die nächsten Monate und Jahre. Was folgt nach der päpstlichen Charmeoffensive? Nein, ich setze nicht meine ganze Hoffnung für eine Erneuerung der Kirche in diesen Mann – im Gegenteil. So kann ihm das Schicksal erspart werden, zum „Sündenbock“ zu werden. Wie Petrus darf auch Petrus Franziskus fehlbar sein. Ich habe aber dennoch sehr viel Hoffnung – eine kritische Hoffnung. Papst Franziskus hat als Brückenbauer jedenfalls auch eine Brücke zu meinen Hoffnungen geschaffen. Es beginnt etwas Neues.
Klaus Heidegger, 23. März 2013
Samstag, 2. März 2013
Mein Lieblingspapst
Mein Lieblingspapst (noch besser wäre freilich Lieblingspäpstin)
Er lebt nicht in prunkvollen Palästen mit Fußböden aus Marmor und Möbel aus Edelhölzern, die modrig nach Museen riechen und an eine Zeit erinnern, in der die Kirche mit Macht und Gewalt regierte. Seine Wohnung und Amtsräume sind bescheiden – vielleicht irgendwo mitten in einem der vielen Armutsviertel der Megastädte dieser Welt, nicht mit Blick auf großzügige Gartenanlagen, sondern auf armseligen Wellblechhütten, in der Millionen Menschen und ein großer Teil der Katholiken hausen müssen.
Er kleidet sich nicht in herrschaftliche Gewänder. Über seinen bescheiden-einfachen Kleidern passt kein Brokatumhang. Auf seinem Kopf ist keine reich-golden gestickte Mitra – kein bisschen will mein Lieblingspapst in seinem Outfit den weltlichen Herrschern gleichen. „... was sorgt ihr euch um die Kleider ...“ – dieses Jesuswort ist zur Kleiderregel des Papstes geworden und er macht es dem Hl. Franz nach.
Er fährt nicht in einem an die 100.000 Euro teuren Mercedes-Papamobil. Dieses hat er dem Daimler-Chef zurückgeschickt mit der Begründung: „Der Papst will damit ein Zeichen setzen, dass er gegen die Geschäfte des größten deutschen Rüstungsproduzenten ist.“ Mein Lieblingspapst lehnt das Product Placement eines Rüstungsgiganten ab, das dem Kriegshandel scheinbar göttlichen Segen verleiht.
Er lässt sich nicht länger „Heiliger Vater“ nennen, denn nur einer ist unser „heiliger Vater“. Mit „Pontifex“ mag er genauso wenig angesprochen werden, da dieser Titel an die römischen Herrscher erinnert. Er erhebt auch nicht den missverständlichen Anspruch, „Stellvertreter Christi“ auf Erden zu sein.
Er lässt sich nicht von Gardisten beschützen mit ihren Hellebarden, jenen ehemals grausamen Mordinstrumenten. Der Lieblingspapst setzt vielmehr auf gewaltfreie Zeichen. In sein Papstwappen wurde die Regenbogenfahne aufgenommen.
Unermüdlich beginnt er den Dialog mit den Ortskirchen, um eine umfassende Reform der Kirche umzusetzen. Die Reformschritte des Zweiten Vatikanums werden mutig fortgeschrieben. Die mittelalterliche Struktur der römischen Kurie wird grundlegend verändert. Die Kollegialität der Bischöfe und damit der Ortskirchen wird gestärkt. Wie in alten Zeiten soll das Volk selbst die Bischöfe wählen, diese wiederum ihre Vertreter in den einzelnen Ländern und diese wiederum wählen den Papst für eine bestimmte Amtsperiode. Damit wird dem Papst eine Machtfülle genommen, die für jede Person zu viel ist, die zu Intrigen und Geheimnistuereien führt. Die Kirche wird transparent und bietet keinen Stoff mehr für Verschwörungsphantasien. Vati-Leaks und Redeverbot für Kardinäle, Forderungen nach absolutem Gehorsam und Skandalgeschichten sind Vergangenheit. So wird möglich, was überall schon lange gefordert wird: Dass sich kirchliche Ämter auch für Frauen öffnen, dass die Ehelosigkeit zur freiwilligen Sache für die Priester wird und damit an Wert und Zeichencharakter gewinnt. Endlich wird es auch ein Papst sein, für den homophobe Äußerungen fremd sind. Letztgültiger Maßstab für das Handeln der Kirche und des Papst wird wieder neu das Evangelium Jesu Christi.
Dabei wird mein Lieblingspapst nicht wie sein Vorgänger Gutfreund zu Personen und Organisationen sein, die einem anitmodernistischen Kirchenbild verhaftet sind. Piusbrüder und Opus Dei haben an Einfluss verloren, hingegen wird das so vorbildhafte Wirken der Befreiungstheologen anerkannt.
So wird mein Lieblingspapst wichtiger, weil er weniger gewichtig ist, weil die Leitung der Kirche nicht so sehr auf einem einzigen Mann ruht, sondern (basis-)demokratisch wird sie auf viele Köpfe und Herzen verteilt werden. Er wird nicht „bedingungslosen Gehorsam“ einfordern, sondern die Freiheit des Gewissens betonen.
Er wird in besonderer Weise auf die Vertreter der anderen christlichen Kirchen und Religionsgemeinschaften zugehen. Die Stolpersteine der Ökumene werden weggeräumt. Zeichenhaft spendet mein Lieblingspapst auch den evangelischen Christen die Kommunion, wenn sie eine „katholische“ Messe besuchen. Abendmahlsgemeinschaft ist Wirklichkeit geworden, weil die anderen Kirchen und ihre Vertreter als Kirchen anerkannt werden. Selbst ein wiederverheiratetes Paar bekam nach genauer Prüfung den Segen des Papstes.
Mein Lieblingspapst kann zu einer Weltautorität werden, die die Stimme erhebt gegen den atomaren Rüstungswahnsinn und das systematisch-strukturierte Verbrechen einer imperialistischen Weltherrschaft des Kapitals, das verursacht, dass alle 5 Sekunden ein Kind an Folgen des Hungers stirbt. Im neuen Peak-Oil-Pontifikat wird die katholische Weltkirche als Global Player ihre umfassende Verantwortung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung neu wahrnehmen.
Klaus Heidegger, am 1. Tag der Sedisvakanz, 1. März 2013
Samstag, 23. Februar 2013
Carnivore Doppelmoral
Carnivore Doppelmoral
Wäre in der beanstandeten Lasagne Huhn statt Pferd, so hätte es keine große Debatte gegeben, da mag das Huhn auch noch so grausam gehalten worden sein. Fleischesser haben ihre eigene Logik. Warum scheint es ungleich schrecklicher zu sein, ein Pferd zu essen, als Rind zu essen? Warum rinnt beim Wort Rindfleisch so manchem Zeitgenossen das Mund im Wasser zusammen, bei Pferdefleisch aber entdeckt man Mitleid mit der vierfüßigen Kreatur? Es ist eine absurde Logik, die mit unendlich viel Tierleid verbunden ist. Abertausend Tonnen Fleisch, das falsch deklariert sein könnte, soll nun vernichtet werden. Für jedes Kilo Fleisch muss nun ein anderes Tier getötet werden, um das vernichtete Fleisch zu ersetzen. Massenschlachtereien sind die Folge. Dies ist der eigentliche Skandal im „Pferdefleischskandal“. Der Skandal ist die Massentierhaltung, die jeder Fleischkonsument mitträgt, der nach Billigfleischware aus ist, der mitverursacht, dass es eine gigantische Nachfrage nach „toten Tieren“ gibt. Vielleicht trägt die gegenwärtige öffentliche Hysterie über pferdefleischliche Zusätze dazu bei, dass weniger nach den fleischlichen Verpackungen in den Tiefkühlregalen gegriffen wird, dass vielleicht sogar so mancher Zeitgenosse seine Tierliebe neu entdeckt und menschliche Empathien für Tiere nicht auf Pferde und vierbeinigen Haustiere beschränkt werden.
Klaus Heidegger
Sonntag, 27. Januar 2013
Zwangskrekrutierung bleibt Ausbildung zum Kriegführen
Warum eine Bewegung, die auf Gewaltfreiheit aufbaut, dem Bundesheer und militärischer Zwangsrekrutierung prinzipiell kritisch gegenüber eingestellt bleiben wird – auch nach dem Plebiszit – liegt im eigentlichen Zweck dieser Institutionen. Ihn bringt Caspar Einem treffend auf den Punkt.
„Man hat doch in den vergangenen Wochen gänzlich darauf vergessen, dass es sich beim Bunesheer um eine Armee handelt, bei der es im schlimmsten Fall auch um das Kriegführen gehen kann. Das Bundesheer ist keine Schneeschauflerpartie und keine Beschäftigungstherapie für junge Männer. Der eigentliche Zweck ist die militärische Ausbildung.“
Caspar Einem, Tiroler Tageszeitung, 25.1.2013
Nach der Volksbefragung zur Wehrpflicht - Reformen!
Nach der Volksbefragung:
Den Geist der Gewaltfreiheit stärken,
Zivil- und Wehrdienste reformieren und
Alternativen einer nicht-militärischen Friedenspolitik entwickeln
Die Kommission Pazifismus/Antimilitarismus von Pax Christi Österreich will die breite öffentliche Diskussion über eine Neugestaltung der Zivil- und Wehrdienste sowie der Weichenstellungen für eine sicherheits- und friedenspolitische Zukunft nützen und dabei die gewaltfreie und pazifistische Option einbringen. Einerseits gilt es, den Volksentscheid zu akzeptieren, andererseits bleiben die Kritikpunkte an der Wehrpflicht bestehen und die Hoffnung, dass eines Tages diese Institution doch abgeschafft werden wird, lebt fort.
Nach der Volksbefragung ergeben sich drei Handlungsfelder. Die ersten zwei liegen im Bereich des Fortbestehens von Wehr- und Zivildienst, das dritte Handlungsfeld liegt außerhalb des Systems der Pflichtdienste und des Heeres und bietet die größten Chancen für wirklich friedenspolitisches Handeln. Pax Christi hat dazu mit dem Konzept von Freiwilligendiensten bereits wichtige Vorarbeiten geleistet.
1) Handlungsfeld 1: Im System den Zivildienst reformieren
• Der Zivildienst sollte zur echten Alternative werden durch Erweiterung von Tätigkeitsfeldern und Aufgabengebieten. Die Forderung des Tiroler Caritas-Direktors Georg Schärmer, dass Zivildienst nicht länger „Wehr-Ersatz“ bleiben soll, ist in dieser Hinsicht voll zu unterstützen.
• Aus Gründen der Gerechtigkeit (Wettbewerbsnachteil in Beruf, Ausbildung und Studium) ist eine gleiche Dienstdauer zwischen Wehr- und Zivildienst anzustreben.
• Der Vorschlag der Grünen, nach einer Anrechenbarkeit von ehrenamtlichen Diensten auf den Zivildienst, würde ein interessante Perspektive zur Stärkung von Freiwilligendiensten bieten.
2) Handlungsfeld 2: Im System den Wehrdienst reformieren (bzw. „Zivildienstverweigerer-Dienste“ reformieren)
• Die Tätigkeitsfelder des Bundesheeres sind ausschließlich im Rahmen einer konsequenten Neutralitätspolitik zu definieren, was Auslandseinsätze betrifft ausschließlich im Rahmen der Vereinten Nationen zur Friedenserhaltung bzw. zum Friedensaufbau. Hier gilt es das B-VG Art. 23f (Kriegsteilnahmeermächtigung der Bundesregierung) in Frage zu stellen.
• Fragwürdig ist weiters B-VG-Art 79, das einen Einsatz des Bundesheeres gegen das eigene Volk ermöglichen würde.
• Bestehende Einbindungen in Bündnisstrukturen (Partnership for Peace, EU-Battle-Groups) sind rückgängig zu machen.
• Es braucht eine Reduktion des Wehrbudgets und zugleich ein Einrechnen aller rüstungsrelevanten Aufwendungen in dieses Budget.
• Bei künftigen Überlegungen für Neuanschaffungen von Rüstungsmaterialen sollte darauf Rücksicht genommen werden, warum der überwiegende Teil der Bevölkerung für Wehrpflicht gestimmt hat: Insofern bräuchte es Schneeräumgeräte statt Panzer, Schneeschaufeln statt Sturmgewehre, ...
• Schrittweise Reduktion der Personalstärke des Bundesheeres.
3) Handlungsalternative 3: Alternativen außerhalb der Pflichtdienste und des Militärs
• Die Kommission Antimilitarismus/Pazifismus von Pax Christi Österreich unterstützt die Bürgerinitiative Bundesheer abschaffen. Sie ist jetzt nach der Volksbefragung weiterhin notwendig, weil sie jenen Teil der Bevölkerung repräsentieren kann, die sich Frieden und Sicherheit jenseits eines militärischen Systems vorstellen können und daran arbeiten wollen.
• Friedensdienste sind Bausteine einer aktiven Friedenspolitik. Anstatt auf Kosten des sozialen Friedens und der Umwelt militärische Potenziale mit enormem Aufwand weiter auszubauen bzw. zu erhalten, sollte der Vorrang bei Investitionen in den weiteren Ausbau ziviler Kapazitäten der Konfliktbearbeitung – beispielsweise von Peace-Building-Stellen im Bereich der UNO, der OSZE oder der EU – liegen. Konkret soll es um die Förderung eines Europäischen Zivilen Friedensdienst-Programms gehen, um qualifizierte Friedensfachkräfte und Friedensteams in Konfliktregionen entsenden zu können. Dafür ist auch eine sichere Finanzierung des Österreichischen Studienzentrums für Frieden und Konfliktlösung in Schlaining notwendig. Zum Aufbau einer Friedenskultur zwischen den Nationen und Völkern kann auf ein großes Potential an Möglichkeiten zurückgegriffen werden, die sich bereits in der Vergangenheit bewährt haben und angewendet worden sind.
Mali - gewaltfrei intervenieren!
In Mali – gewaltfrei interveniern!
„Die Antwort auf Gewalt dürfe nicht Gewalt bedeuten. ... Die Religionen sollten sich stattdessen ihres Versöhnungspotenzials besinnen. ... Nur so könne die Sackgasse der Intoleranz gesprengt werden.“ Mit diesen Worten wird in der heutigen Sonntagsausgabe der Tiroler Tageszeitung Jozef Niewiadomski zitiert. Gelten diese Worte auch angesichts der Situation in Mali?
In Mali wird Gewalt mit Gewalt beantwortet. Die islamistischen Kämpfer im Norden erfahren die Gewalt der französischen Streitmacht. Jankowitsch begrüßt das Vorgehen der französischen Truppen – siehe Mali: Ein neuer Krisenherd in Afrika fordert Europa heraus | ampunkt.bsa.at – und die alte Kolonialmacht wird wie ein Befreier gefeiert – sie Militäreinsatz in Mali: Frankreich läuft prima - taz.de. Die Strategie der Europäischen Union setzt zielstrebig auf den Aufbau einer „regulären“ militärischen Armee in Mali.
Können solche Signale von Seiten Pax Christi unwidersprochen bleiben? Elisabeth Förg sendet andere Signale aus, wenn sie als Entwicklungsexpertin aus Mali schreibt: „Bisher noch kaum genutzt wurde das reiche soziale Kapital der malischen Gesellschaft mit ihrer hochentwickelten Kultur des Dialogs und der Konfliktlösung zwischen den Ethnien. Der starke Wunsch nach dem Wiederaufbau eines demokratischen und säkularen Staates und der Stolz auf die friedfertigen Traditionen sind hoffnungsvolle Zeichen. Diesen politischen Prozess, inklusive einer Aushandlung von Selbstbestimmungsrechten, sollte die internationale Gemeinschaft klug und sachkundig unterstützen.“
(27.1.2013)
Samstag, 19. Januar 2013
Mali als Nagelprobe für pazifistische und antimilitaristische Optionen
Gegenwärtig wird in nordwestafrikanischen Ländern, insbesondere in Mali, sichtbar, was auch der Kern der Österreichischen Sicherheitsstrategie ist. Bedrohungsszenarium 1 ist der Kampf gegen den Terrorismus, verbunden damit auch Bedrohungsszenarium 2, nämlich die Gefährdung von Rohstoffquellen. Die Terroristen sind islamistische bzw. salafistische Kräfte, die mit untolerierbarer Grausamkeit den Norden von Mali erobert haben. In diesen Gebieten liegen wiederum bedeutsame Rohstoffquellen für die europäischen und internationalen Konzerne. Responsibility-to-Protect (R2P) ist nun wieder als Software gefragt. Die nötige Hardware liefern die bestgerüstetsten europäischen Armeen. Solche Software und Hardware führt zum Modern Warfare. Für Frankreich ist dies eine logische Folge: Die französische Nation hat die größten Wirtschaftsinteressen in dieser Region und zugleich die schlagkräftigste Armee. Seit den Kolonialzeiten ist ihr dieses Gebiet vertraut.
Wie reagieren friedensbewegte Kräfte in dieser Situation? Stellt diese Lage nicht jede antimilitärische und pazifistische Option in Frage? Ist es unmoralisch und unverantwortlich, nicht nach einem massiven militärischen Eingreifen gegen Islamisten und Salafisten zu rufen? Dürfen wir angesichts des Leids in Nordmali die militärische Entschlossenheit Frankreichs kritisch sehen?
Vor allem Gegner einer Berufsarmee aus den Reihen der Friedensbewegung müssten sich nun fragen. Warum sind wir gegen Battlegroups unter österreichischer Beteiligung, bejahen aber Frankreichs Intervention? Wer Hannes Androsch mit seinen Profiheer-Ambitionen schnell verurteilt hat und jetzt Frankreichs Tun in Mali befürwortet, bleibt in sich widersprüchlich. Wer am Sonntag in der Wahlzelle ein Kreuzerl macht, ohne die Situation in Mali mitzubedenken, blendet einen wesentlichen Teil der Wirklichkeit aus und handelt mit österreichischer Kleingeistigkeit.
Eine friedensbewegte Antwort könnte jedenfalls lauten: Wir brauchen gerade angesichts der Weltsituation bestens ausgebildete nichtmilitärische und militärische Friedensfachkräfte, die höchstprofessionell geschult sind, im Rahmen der Vereinten Nationen in Gewaltsituationen zu intervenieren. Da könnte der ganz spezifische Beitrag einer österreichischen Armee liegen. Ein Nachdenken darüber wird vor allem aber die Tausenden Möglichkeiten einer nicht-militärischen Konflikttransformation nicht weiterhin ausblenden.
Dr. Klaus Heidegger, Pax Christi
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