Samstag, 30. März 2013
Kreuz und Auferstehung
Von einem Mensch, der das Leben in Fülle für alle will
Gedanken am Karsamstag
Wie jedes Jahr bei der Karfreitagsliturgie spüre ich die Ambivalenz der inszenierten Kreuzesverehrung. Auf der einen Seite ist da das Wissen, dass jener, in dessen Nachfolge ich sein möchte, aufgrund seines politischen Wirkens, seines radikalen Lebensstils und seiner Infragestellung von erniedrigenden Herrschaftsstrukturen von den Römern in Zusammenarbeit mit der religiösen Führungsclique grausam hingerichtet worden ist. In dieser Radikalität ist mir jener, der Menschen von ihrem psychischen oder körperlichen Leiden heilte („Wunder vollbrachte“), dessen Bewegung gekrümmte Existenzen aufrichtete, der politische Widerständler vor sinnlos-gewalttätigem Märtyrertum retten wollte („wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen“) und der mit den Menschen Hochzeitsfeste feierte („Weinwunder von Kana“) ein Vorbild. Das Leiden Jesu steht in krassem Gegensatz zur lässigen Rund-um-die-Uhr-Party-Mentalität, jenem egoistisch-ausbeuterischen Lebensstil, jener Grundhaltung, ich hole mir das Maximum – an Ressourcen, an Arbeits- und Lebenszeit von anderen Menschen – um mir selbst den nötigen Fun zu verschaffen. Das Kreuz als radikalstes Zeichen einer Proexistenz: als solches möchte ich darauf schauen. Es wird dann zum durchsichtigen Kreuz und ich sehe dahinter die Kreuze unserer Zeit, die Abermillionen Menschen, die durch eine kapitalistische Weltwirtschaft, gestützt durch unseren Konsum, zu wenig zum Leben haben. Ich denke an die Kriege in der Welt, die Flüchtlinge, und frage mich, was kann ich tun, außer darüber nachzudenken und Gedanken zu formulieren. Dies ist mir zu wenig.
Auf der anderen Seite kann das Gedenken an den Kreuzestod Jesu so leicht zu einer falsch verstandenen Leidensverherrlichung führen und ich verstumme beim Lied „o Haupt voll Blut und Wunden ...“ und ich kann nicht mehr mitsingen bei „heil’ges Kreuz sei hochverehret ...“ Das Kreuz als solches bleibt eines der grausamsten Symbole der Hinrichtungsmethoden römischer Besatzer. Das Kreuz an sich verdient keine „Verehrung“, sondern Abscheu. Dieser Jesus ist gestorben, nicht damit wir uns selbst verstümmeln. Es gab in dieser Geschichte der Religionen schon viel zu viele masochistische Selbstabtötungen. Unsere Kirchen sind voll von Gebeinen von Märtyrern, von steingewordenen Grausamkeiten. Sie riechen zu oft nach Blut und Tränen, das aus den Bildern von den Fresken und Ölgemälden rinnt.
Nach den Kartagen kann ich nun das Osterfest feiern: Als Aufruf, gegen die Kreuze in unserer Zeit aufzubegehren, gegen das Verhungernlassen, gegen die Kriegsvorbereitungen durch Militär und Waffenhandel, gegen fremdenfeindliche Stimmungen in diesem Land, gegen die FPÖ mit ihre menschenverachtenden Parolen („Asylbetrüger abschieben“). Auch meine Kirche, die sich auf Kreuz und Auferstehung bezieht, braucht solche Auferstehung gegen Gesetze und Strukturen, die nicht der Freiheit dienen, sondern Ausdruck von Unterdrückung und Herrschaft sind.
Klaus Heidegger, Karsamstag 30.3.2013
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