Sonntag, 5. August 2012

Vorwissenschaftliche Arbeiten als Chance


Vorwissenschaftliche Arbeiten als große Chance für eine „Matura neu“
Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle hat „Angst vor der ‚copy-paste‘-Teilmatura“ und kritisiert damit die für alle Maturanten vorgesehene  „vorwissenschaftliche Arbeit“ (DER STANDARD, 4./5. August 2012). Dabei sprechen gerade jene Argumente für eine Maturareform, die er in seinem Kommentar anspricht, für die vorwissenschaftliche Arbeit (VWA).
Erstens hat in dieser rund 30-seitigen Arbeit ein Schüler die Möglichkeit, seine individuellen Fähigkeiten zu entfalten und persönliche Interessensgebiete ins Spiel zu bringen. Dies kann ein Erproben und Austesten für eine künftige Wahl des weiteren Ausbildungs- und Berufsweges sein. Schulspezifische Schwerpunktsetzungen, die für den Wissenschaftsminister zu Recht bei einer Zentralmatura zu berücksichtigen sind, können hier ihren Niederschlag finden. Es können beispielsweise Projekte nachhaltig zum Abschluss gebracht werden, die im Laufe der Gymnasialausbildung begonnen wurden.  Mit anderen Worten: Im Kontext der Zentralisierung bietet die VWA Raum für eine Individualisierung. Ich habe in den vergangenen Monaten in vier sechsten Klassen an meiner Schule gemerkt, wie breit die mögliche Themenvielfalt unter den rund 100 Schülern war. Eine „Themennot“, die Töchterle sieht, habe ich nicht bemerkt.
Zweitens ist die Gefahr von „copy-paste“  weit weniger gegeben als behauptet. Eine VWA entsteht in einer lebendigen Teamarbeit zwischen begleitender Lehrperson und Schüler. Damit gibt es die von Töchterle gewünschte Möglichkeit, das Lehrer-Schüler-Verhältnis in eine „stärkere Partnerschaft“ zu ändern. Die Copy-paste-Gefahr ist gebannt, weil eine Lehrperson  – die maximal 5 VWAs pro Maturatermin begleiten kann – ohnehin in den Prozess des Schreibens einer VWA involviert ist. Jede Lehrperson, die diese Aufgabe ernst nimmt, merkt von Beginn an, ob abgeschrieben oder selbstständig gearbeitet wird. Mehr noch aber sind die zentralen Vorgaben für eine VWA so geregelt, dass ein Copy-paste verhindert wird. Im Zentrum steht die Wahl einer Forschungsfrage, die in vielen Fällen einen „persönlichen Fingerprint“ des Schülers trägt. Das Forschungsfeld ist oftmals im je eigenen Bereich zu finden und trägt dann eine persönliche Note. Ein Schüler muss dementsprechend mit Methoden zur Beantwortung der Forschungsfrage umgehen lernen. Methodenarbeit kann aber nicht abgeschrieben werden. Dies sind hingegen Fingerübungen für jene, die nach der Matura ihr Studium an einer Universität beginnen wollen, womit das gesetzlich definierte Bildungsziel  von Gymnasien angestrebt wird. Tatsächlich findet aber in der bisherigen Maturaform ein permanentes geistiges „copy-paste“ statt. Lehrpersonen klagen jedes Jahr wieder, wenn die Leistung eines Schülers darin besteht, seitenweise Wissensstoff aus dem Internet auszudrucken und für eine mündliche Prüfung mehr oder weniger auswendig lernen.
Drittens schließlich fordert eine VWA von einem Schüler gerade jene Sprach- und Schreibkompetenz, die sich Töchterle wünscht. Ein Schüler ist herausgefordert, in einem Zeitraum von mehreren Monaten Gedanken in eine schriftliche Form zu bringen. Dazu gibt es in einer Oberstufe keine bessere Möglichkeit. Die Kompetenzen für eine VWA müssen in vielen Fächern bereits in den Jahren davor gelernt und eingeübt werden, womit sich in mancher Hinsicht auch die Unterrichtsform zu mehr Schülerselbständigkeit und Kompetenzorientierung verändern kann. Dies betrifft die Kompetenz im Informatikunterricht mit Textverarbeitungsprogrammen arbeiten zu können, in naturwissenschaftlichen Fächern Forschungsmethoden kennen zu lernen, in den Sprachenfächern richtig zitieren zu lernen usw. usf.
Als Lehrer an einem Oberstufenrealgymnasium und jemand, der seit vielen Jahren „Wissenschaftliches Arbeiten“ unterrichtet habe ich große Erwartungen in die vorwissenschaftlichen Arbeiten und wünsche mir eine möglichst rasche Verwirklichung.

Mag. Dr. Klaus Heidegger, Lehrer am Privaten ORG Volders St. Karl
05223-44398
6067 Absam, Bachgasse 10

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