Montag, 2. Januar 2012

Gewaltfreier Anbruch


Gewaltfreier Anbruch gegen gewaltträchtige Befangenheiten

Die gewaltfreie Botschaft des Christentums könnte ikonografisch nicht besser auf den Punkt gebracht werden als in den weihnachtlichen Legenden: Inmitten der gesteigerten Brutalität von römischer Besatzung, bluttriefender herodianischer Vasallenpolitik und gewaltsamer Guerillabewegung bricht göttliche Macht ein – oder besser gesagt – bricht göttliche Macht aus dem Bauch einer jungen Frau, geliebt und beschützt von ihrem sorgenden Mann, nicht in einem der Paläste, sondern unbehaust in der Fremde, nicht umringt von bewaffneter Leibgarde, sondern die Tradition dichtet uns Ochs und Esel dazu, selbst Tiere begreifen, was da an Rettung geschieht. So bricht wirklicher Friede an und mit ihm beginnt die als Pax Romana titulierte größte Macht der Antike zu zerbrechen. Noch einmal, so Matthäus, bäumt sich die Brutalität der königlichen Macht des Herodes mörderisch gegen den neuen König auf – der so anders ist, so klein und ohne Machtallüren, so gewaltfrei und doch so stark in seiner Gewaltfreiheit. In der Krippe wächst jener heran, der später die Occupy-Tempelvorhalle-Bewegung gründete, wo Finanzhaie und Spekulanten der Tempelaristokratie ihre Geldgeschäfte trieben und das Volk finanziell ausbluten ließen.
            Inmitten der gesteigerten Brutalität unserer Zeit, mit Blick auf die vielen Kriegen, im Bewusstsein der Zerstörung der Schöpfung, im Hindriften auf einen großen Finanzcrash und den Zusammenbruch einer auf Pump und Ausbeutung orientierten Wirtschaft, tut es so gut von Weihnachten zu träumen, vom Kind in der Krippe, will heißen, von der Geburt des Neuen inmitten der Wirren des Alten, von einer Änderung, die so klein begonnen hat, so klein, wie vielleicht das eigene Bemühen, schon jetzt an dieser anderen Welt, die möglich ist, zu arbeiten, täglich neu, und bestenfalls mit Menschen, die genauso auf dem Weg sein möchten, ohne Gewalt aber gegen jegliche Gewalt, ohne Hass aber bereit zur Versöhnung, nicht länger warten, sondern jetzt ist der Kairos. So kann Weihnachten beginnen, immer wieder neu, gegen alle Tiefschläge, so kann Weihnachten gelingen, um endlich einmal ein gutes Leben für alle zu ermöglichen. Die Utopie einer neuen Welt hat ihren Topos gefunden, dort, wo Könige ihr Knie beugen vor einem Kind in Windeln gewickelt, in die Mitte der Nächte hinein – unserer Nächte von unerfülltem Verlangen und privaten Schickssalsschlägen, von Hunger und Finanzkrise, von atomarer Katastrophe und Klimaveränderung. „Dein Reich komme...“ lautet die Hoffnung und nicht nihilistischer Zusammenbruch alles Bestehenden. Und Johannes schreibt, Gott habe die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn gesandt hat – und eine Frau gebar.

Klaus Heidegger

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