Gewaltfreier Anbruch gegen
gewaltträchtige Befangenheiten
Die gewaltfreie Botschaft des
Christentums könnte ikonografisch nicht besser auf den Punkt gebracht werden
als in den weihnachtlichen Legenden: Inmitten der gesteigerten Brutalität von
römischer Besatzung, bluttriefender herodianischer Vasallenpolitik und
gewaltsamer Guerillabewegung bricht göttliche Macht ein – oder besser gesagt –
bricht göttliche Macht aus dem Bauch einer jungen Frau, geliebt und beschützt
von ihrem sorgenden Mann, nicht in einem der Paläste, sondern unbehaust in der
Fremde, nicht umringt von bewaffneter Leibgarde, sondern die Tradition dichtet
uns Ochs und Esel dazu, selbst Tiere begreifen, was da an Rettung geschieht. So
bricht wirklicher Friede an und mit ihm beginnt die als Pax Romana titulierte
größte Macht der Antike zu zerbrechen. Noch einmal, so Matthäus, bäumt sich die
Brutalität der königlichen Macht des Herodes mörderisch gegen den neuen König
auf – der so anders ist, so klein und ohne Machtallüren, so gewaltfrei und doch
so stark in seiner Gewaltfreiheit. In der Krippe wächst jener heran, der später
die Occupy-Tempelvorhalle-Bewegung gründete, wo Finanzhaie und Spekulanten der
Tempelaristokratie ihre Geldgeschäfte trieben und das Volk finanziell ausbluten
ließen.
Inmitten
der gesteigerten Brutalität unserer Zeit, mit Blick auf die vielen Kriegen, im
Bewusstsein der Zerstörung der Schöpfung, im Hindriften auf einen großen
Finanzcrash und den Zusammenbruch einer auf Pump und Ausbeutung orientierten
Wirtschaft, tut es so gut von Weihnachten zu träumen, vom Kind in der Krippe,
will heißen, von der Geburt des Neuen inmitten der Wirren des Alten, von einer
Änderung, die so klein begonnen hat, so klein, wie vielleicht das eigene
Bemühen, schon jetzt an dieser anderen Welt, die möglich ist, zu arbeiten,
täglich neu, und bestenfalls mit Menschen, die genauso auf dem Weg sein
möchten, ohne Gewalt aber gegen jegliche Gewalt, ohne Hass aber bereit zur
Versöhnung, nicht länger warten, sondern jetzt ist der Kairos. So kann
Weihnachten beginnen, immer wieder neu, gegen alle Tiefschläge, so kann
Weihnachten gelingen, um endlich einmal ein gutes Leben für alle zu
ermöglichen. Die Utopie einer neuen Welt hat ihren Topos gefunden, dort, wo
Könige ihr Knie beugen vor einem Kind in Windeln gewickelt, in die Mitte der
Nächte hinein – unserer Nächte von unerfülltem Verlangen und privaten
Schickssalsschlägen, von Hunger und Finanzkrise, von atomarer Katastrophe und
Klimaveränderung. „Dein Reich komme...“ lautet die Hoffnung und nicht
nihilistischer Zusammenbruch alles Bestehenden. Und Johannes schreibt, Gott
habe die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn gesandt hat – und eine Frau
gebar.
Klaus Heidegger
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