Freitag, 1. August 2014
Kirche und Erster Weltkrieg
28. Juli 2014 100-jähriger Gedenktag an den Beginn des Ersten Weltkrieges
Anlässlich des Gedenkens an die Kriegserklärung von Kaiser Franz Joseph an das Königreich Serbien soll der Blick auf die Gegenwart und die Zukunft gelenkt werden, damit sich die verbrecherischen Gräueltaten NIE WIEDER wiederholen.
Zur recht wird heute das Verhalten der katholischen Kirche von damals kritisiert, das ein wesentlicher Faktor war, um den Krieg und seine Gräuel zu legitimieren. Ohne den kirchlichen Segen wäre weniger gekämpft worden, wäre weniger gemordet worden, wäre der Krieg schneller beendet gewesen. Die Kirche hat es mitzuverantworten, dass 20 Millionen Menschen getötet wurden und noch weit mehr an Körper und Seele verwundet worden sind. Von höchsten katholischen Würdenträgern wurde der Krieg als von Gott gewollt dargestellt. Die Autorität des Kaiserhauses wurde nicht in Frage gestellt. Kriegslegitimation gepaart mit Unterordnung unter staatliche Obrigkeiten wirkten auch nach dem Ersten Weltkrieg weiter und mündeten direkt in die Legitimation des Zweiten Weltkrieges.
Alles in allem muss die Kirche heute ein Schuldbekenntnis dafür ablegen, damals die Zeichen der Zeit nicht erkannt, die gewaltfreie Botschaft des Evangeliums verraten zu haben und eine fragwürdige Loyalität gegenüber den Kriegsherren an den Tag gelegt zu haben.
Und wie sieht es heute aus? Werden die Zeichen der Zeit innerkirchlich erkannt und auch zum Programm für kirchliches Handeln gemacht?
1) Pazifistisches Denken und Handeln war damals nicht in den Kirchen und kirchlichen Einrichtungen beheimatet. Im Gegenteil. Bertha von Suttner ließ vor ihrem Tod testamentarisch festlegen, dass kein Geistlicher an ihrem Grab sein solle. War es Enttäuschung über kirchliche Kriegsrhetorik, die so gar nichts gemein hatte mit ihrem „Die Waffen nieder!“
Auch heute noch ist pazifistisches Denken und Handeln nicht in der Mitte der Kirche zu finden und wird noch am Rande geduldet. Militärnahe Thinktanks wie das „Institut für Religion und Friede“, Priester und Bischöfe im Sold und in der Uniform des Militärs können für sich beanspruchen, in der Mitte der Kirche voll anerkannt zu sein.
2) Damals haben nur wenige – wie Bertha von Suttner – vor der großen Katastrophe gewarnt. Die Völker Europas sind in den Krieg geschlittert.
Die großen Bedrohungen und Konfliktfelder für die Menschheit bleiben und verschärfen sich in einigen Bereichen. Weltweite Bedrohungen, wie die atomare Massenvernichtung, der Hunger in der Dritten Welt und die Umweltzerstörung setzen heute das Überleben der Menschheit aufs Spiel. Heute stehen der Menschheit gigantische Katastrophen bevor, unter denen schon heute Abermillionen Menschen sterben und leiden. Klimatische Veränderungen verbunden mit Massenelend, massenhafte Flüchtlingsbewegungen, Rohstoffkriege, … Wo sind die warnenden Stimmen in den Kirchen und kirchenamtlichen Verlautbarungen?
3) Damals führte das Denken, mit militärischer Gewalt Siege zu erringen, in die große Katastrophe.
Heute gibt es zwar die Möglichkeit, den Wehrdienst zu verweigern, noch immer aber steht das Militärische im Vordergrund. Bei Staatsbesuchen werden Gäste nicht von Abordnungen von Wehrdienstverweigerern oder Sozialarbeiterinnen empfangen, sondern von stramm stehenden Gardesoldaten. Heute noch existiert der Kriegsdienstzwang. Zivildienstleistende werden demgegenüber mit einer 50-prozentig längeren Dienstdauer bestraft. Vor allem aber wird das österreichische Bundesheer mehr und mehr – entgegen der neutralitätsrechtlichen Bedingungen – für internationale Kriegseinsätze im Stile von EU-Battlegroups umgebaut.
Nie wieder Krieg! Das bedeutet eine Absage an Kriegsvorbereitungen – verbunden mit einem Nein zur Produktion von Kriegsmaterialien, einem Nein zum Kriegsdienstzwang – und einem uneingeschränkten Ja zu allen Formen und Wegen ziviler und nichtmilitärischer Konfliktlösungen.
Fast täglich fahre ich über den Hötzendorf-Platz in Hall in Tirol. Einer der größten Kriegstreiber zum Ersten Weltkrieg bleibt so in Ehren der Stadtgemeinde Hall. Am heutigen Gedenktag hätte ich die blauen Straßenschilder am liebsten mit einem schwarzen Tuch mit der Aufschrift „Massenmörder“ behängt. Es blieb bei den Gedanken.
Klaus Heidegger, 28. Juli 2014
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