Samstag, 31. Dezember 2011

Neujahr als ökologischer Neubeginn?


Silvester – Neujahr 2012
Die Silvesterknallerei, mit der das Neue Jahr begonnen werden wird, ist Symptom einer Gesellschaft, die auch im Neuen Jahr wenig Sensibilität für die Umwelt aufbringen wird. Feuerwerkskörper sind Umweltbomben, bringen eine enorme Feinstaubbelastung mit sich, die die Grenzwerte weit übersteigen lassen. So soll in Graz in der Silvesternacht 2011 die Feinstaubbelastung 193 Gramm pro Kubikmeter betragen haben, wobei der Grenzwert bei 50 liegt. Jede fünfte in Österreich verkaufte Rakete enthält die krebserregende Substanz Hexachlorbenzol, die weltweit auf der Liste der zwölf verbotenen Giftstoffe steht. Das sind meine Gedanken, wenn ich in der Nacht die Raketen sehen und hören werde, an denen ich mich nicht „ergötzen“ werde.
Der Blick auf die Welt zum Jahreswechsel stimmt mich nicht hoffungsvoll – aus einer langen Liste seien nur fünf Punkte genannt.
·         Die Staaten dieser Welt und die herrschenden Wirtschaftssysteme setzen weiterhin auf eine ungebremste Ausbeutung der Ressourcen dieser Welt.
·         Damit verbunden sind Kriegsvorbereitungen, wie beispielsweise das gegenwärtige Säbelrasseln zwischen dem Iran und den USA zeigt.
·         Blicke ich auf die Straßen, erkenne ich kein bisschen ökologische Einsicht.
·         In Österreich nimmt die rechtspopulistische Strache-FPÖ Anlauf, stimmenstärkste Partei zu werden.
·         In meiner Kirche halten sich jene Kräfte an der Macht, die für längst notwendige Veränderungen nicht bereit sind.
Freilich gibt es auch hoffnungsvolle Ansätze: Ich denke an die Occupy-Bewegung oder die kritischen Initiativen in der Kirche, wie die Pfarrer-Initiative, die Laieninitiative oder die Kirchenvolksbewegung. Auch wenn meine Bewegung, in der ich noch aktiv bin, Pax Christi, fast schon unbedeutend klein ist, so gibt sie mir einen Ansatzpunkt, nicht allein für eine bessere Welt zu kämpfen. Ich bin so dankbar für jeden Menschen, der für mich Hoffnung und wirklichen Neubeginn verkörpert.
Mir selbst wünsche ich für das Neue Jahr, dass ich weniger faule Kompromisse eingehen werde. Dafür bin ich zu alt. Ich möchte nicht weniger radikal sein, sondern radikaler werden, auch wenn dies bedeutet, immer wieder anzuecken bei Menschen, die sich dadurch infrage gestellt fühlen oder nicht begreifen, welche inhaltlichen Überlegungen damit verbunden sind. Ich hoffe, dass es im Neuen Jahr für mich immer wieder Menschen gibt, die in diesem Sinne auf einer politisch-ökologischen und radikal-christlichen Wellenlänge mit mir sind. Allein ist es oft so schwer.
Im neuen Bulletin der religiös-sozialistischen Vereinigung der Deutschschweiz lese ich im Editorial Gedanken von Johannes Bardill, die meinen politischen Gedanken und Gefühlen zum Jahreswechsel entsprechen:
„Wenn ein voll besetzter, schwerer Reisebus auf eine schmale Bergstraße gerät, wo ein Schild darauf hinweist, dass das Maximalgewicht für Fahrzeuge auf 2,5 Tonnen beschränkt ist, müssen die Passagiere den Chauffeur darauf aufmerksam machen, dass die Weiterfahrt auf dieser Straße gefährlich ist und dass er wenden und einen anderen Weg wählen soll. Diese Pflicht haben die Fahrgäste selbst dann, wenn sie ortsunkundig sind und einen besseren Weg nicht kennen. Wenn der Chauffeur darauf hinweist, dass er der einzige sei, der sich in dieser Gegend auskenne und der einen Bus lenken könne und unverdrossen weiter fährt, ist es an der Zeit, die Notbremse zu ziehen. Vielleicht muss die Reise mit kleinem Gepäck zu Fuß fortgesetzt werden. Ähnlich verhält es sich mit dem Zustand unserer Welt. Es ist Zeit, sich zu ermutigen. Von wachen Laien gestoppt, ist besser, als von verantwortungslosen Experten in den Abgrund chauffiert zu werden.“


Montag, 26. Dezember 2011

Christtag2011

25.12.2011
Christtag. Ein Tag um Maß zu nehmen an Christus, an diesem Mann Jesus von Nazareth, dem jüdischen Propheten mit seiner verkündeten und gelebten Botschaft von Gewaltverzicht, an seinem Beispiel eines Lebens der radikalen Geschwisterlichkeit, der materiellen Bescheidenheit. Man wünscht sich „besinnliche“ Weihnachten. Besinnt man sich auf die Wurzel des Christfestes – wird also radikal im Wortsinne?
Viele so wichtige Impulse werden in dieser Weihnachtszeit in den Predigten in den Kirchen, in Zeitungsartikeln und Ansprachen vermittelt. Man besinnt sich der Notwendigkeit, aufeinander zuzugehen, besinnt sich der Mildtätigkeit, nimmt die Armen in unserer Gesellschaft in den Blick. In der Weihnachtsausgabe der Tiroler Tageszeitung wird zurecht Georg Sporschill als leuchtendes Beispiel vorgestellt, weil sich in seinem Engagement verdichtet, was zentraler Inhalt der Weihnachtsbotschaft ist: die Ärmsten der Armen in den Mittelpunkt zu stellen. Good News – euangelien des Jahres 2011 – von der Emmausgemeinschaft in Innsbruck bis zur mediengerechten Hilfeleistung des Bau-Tycoons Haselsteiner für bulgarische Straßenkinder füllen die Seiten der Weihnachtsausgaben der Printmedien. Selbst die Innenstadtkaufleute finanzierten die Teestubenöffnung für die Obdachlosen an diesem Tag. Im Kurier erstreckt sich ein Zweiseitenbericht über den Sandlerpfarrer aus Graz. Die Krone bringt als Aufmacher einen Appell von Kardinal Schönborn an die Regierung: „Bitte nicht bei Ärmsten sparen!“
Schön und richtig, was willst du mehr, oder doch nicht ganz zufrieden? Keinesfalls seien diese vielfältigen Engagements herabgewürdigt, doch fehlen mir die systemkritischen Aspekte der Weihnachtsbotschaft. Mildtätigkeit im herrschenden kapitalistischen System wird letztlich zu kurz greifen, der doch nur stets neue Wunden schlägt. Was die Innenstadtkaufleute den Obdachlosen schenkten, sind letztlich Brosamen vom Tisch der Reichen. Diesen strukturell-politischen Blickwinkel als Konsequenz der Friedensbotschaft vermisse ich. Er taucht oft nur am Rande auf, obwohl er aus meiner Sicht zur Mitte gehört. Da wurde ja nicht ein Mensch geboren, der als fürsorglicher Familienvater lebte, sondern der Messias, der Sohn des Davids, der politische Befreier, und die Ausgestoßenen von damals, Hirten und zur Prostitution gezwungene Frauen, Bettler und Krüppel, Aufständische und Verweigerer, sie alle fokussierten ihre Hoffnung auf Jesus von Nazareth. Jesus starb nicht am Kreuz, weil er mildtätig war, sondern seine Hinrichtung war die gewalttätige Reaktion auf seine systemkritischen und aufrührerischen Gedanken und Aktionen.
Ein politisches Maßnehmen an Christus im Alltag ist nicht leicht. Die Verstricktheiten in dieses System sind groß. Verständnis für ein links-ökologisches Denken ist nicht selbstverständlich. Wer so denkt, muss sich verteidigen, stößt auf Unverständnis. „Was ist schon dabei, mit dem Auto gut eine Stunde unterwegs zu sein, um zu einem Lift zu kommen?“, höre Menschen um mich sagen, wenn ich mit ihnen versuche, darüber ins Gespräch zu kommen. Peak-Oil, die neue Ölpest vor der Südküste Nigerias, Klimaerwärmung, damit verbunden Wüstenbildungen und Hunger ... all das ist nicht in ihren Köpfen und Herzen, zumindest nicht handlungsleitend, wogegen es in meinem Denken und Handeln zentral ist. Die heutige Zeitung vermeldet, dass Libyen sein Ölproduktion wieder kontinuierlich steigere – auf bis zu 1,6 Millionen Barrel pro Tag. Bringe ich diese Gedanken „ins Spiel“, setze ich mich dem Vorwurf aus, ein Moralisierer zu sein. Wer Moral predigt, wer ethische Werte als Maßstab nimmt, muss sich als „Spieldverderber“ rechtfertigen.
Ich packe meine Skatingski in den Rucksack und radle bis zur Loipe. Merkwürdig fremd wirkt mein Rad am Parkplatz vor der Loipe neben den vielen Autos.
Klaus Heidegger, 25.12.2011

Sonntag, 25. Dezember 2011

Weihnachten politisch


Aphorismen
zum Kind in der Krippe

 

Unter den Äußerlichkeiten des Weihnachtsfestes -
Lichterketten, Christbäumen, Christkindlmärkten, kletternden Weihnachtsmännern,
LED-beleuchteten Rentieren, Geschenkbergen, Weihnachtsfeiern, Punschständen –
darunter begraben, oft schon erstickt, das Innere – das Christuskind.
Ich möchte es freischaufeln, damit es wieder atmen kann.
Schreit es mir entgegnen?
„Hört auf mit euren Äußerlichkeiten, wenn das Innere fehlt ...!
Hört auf mit euren Äußerlichkeiten, die zum Eigentlichen so gar nicht passen!“

Ich sehe das Kind in der Krippe
unter den Tausenden in den Flüchtlingslagern an den Grenzen Europas
in den palästinensischen Wohnvierteln im abgetrennten Gazastreifen,
in den Slums und Favelas der Megacitys der Länder des Südens;
es ist ein einseitiges Baby – mit einer klaren Option,
Dennoch: Frohbotschaft auch für uns da im reichen Norden,
uns zu befreien von dem, was wir zu viel haben, um mehr sein zu können.

Menschgewordener Weltenretter
Nicht Rettungsschirme und Sparprogramme,
nicht Aufrüstungsprogramme ja auch nicht Abrüstungsinitiativen,
der in Jesus Christus Mensch gewordene Gott ist Rettung für diese Welt,
rettet das Klima und die verhungernden Massen des Südens,
stoppt die Kriege und bewahrt den Frieden,
so einfach wär’s: folgen wir seiner Botschaft.

Irdischer Weltenretter
Jesus von Nazareth und seine Jüngerbewegung ist nicht Sciencefiction,
ist nicht Made in Hollywood,
sind nicht Ethan Hunt und seine Epigonen,
kein Geheimagent mit übermenschlichen Fähigkeiten,
sondern ein zartes Neugeborenes in Windeln und in der Krippe.

Die Sehnsucht nach revolutionärer Weihnacht liegt in der Krippe,
oder, wie es beim Evangelisten heißt,
Gott zeltete unter den Menschen,
und Zelte haben die Menschen der Occupy-Bewegung aufgeschlagen,
da bricht Neues an und kündigt sich der Tod des Alten an,
die Hirten von Heute und auch die Engel sind die Empörten.
„Lass mich wenigstens zu Weihnachten in Ruhe mit deinen politischen Klagen“,
sagen mir viele,
die wollen ein besinnliches Fest im Rahmen ihrer Lieben,
doch die bedrohte Krippe und die flüchtende junge Familie,
lassen mir keine Wahl, als politisch zu denken,
Anderes wäre Verrat an der Weihnachtsgeschichte.
Das Kind in der Krippe will geboren werden in meinem Leben,
in meinem Dorf, in meinem Land, in meinem Staat, in diesem Europa und der Welt,
will Prioritäten neu zurecht rücken, will leben und anecken und lästig sein,
und erfüllt meine tiefsten Sehnsüchte,
lässt mich die Einsamkeit fühlen und
gibt Heimat in einer mir oft fremden Welt.

Klaus Heidegger
Aphorismen

Montag, 5. Dezember 2011

An den Nikolaus glauben

an den Nikolaus glauben ...
Wer an den Nikolaus glaubt,
glaubt wie ein Kind,
nicht naiv,
sondern bereit zu empfangen,
nicht als omnipotenter Macher,
sondern bereit, sich beschenken zu lassen,
glaubt an das Kleine,
an die Worte Jesu,
wenn ihr nicht werdet wie die Kinder,
könnt ihr nicht in das Reich Gottes eingehen ...“
vertraut wie ein Kind:
das Leben wird gut werden.

Wer an den Nikolaus glaubt,
beginnt bei den Kindern,
beginnt bei jenen, die schutzlos sind,
beginnt sein Nachdenken und Handeln bei jenen,
die uns am meisten brauchen,
macht seine Hand auf,
um selbst zu schenken,
jenen, die zu kurz gekommen sind.

Wer an den Nikolaus glaubt,
der oder die will,
dass es den „kleinen Leuten“ gut geht,
den 2 Milliarden Menschen,
die heute unter der Armutsgrenze leben,
jener Milliarde, die hungert,
den vielen,
die an der Armutsgrenze leben,
den Arbeitslosen, Verzweifelten, …
der will, dass das Kornwunder von damals,
sich heute wiederholen möge,
das Wunder, wenn geteilt wird,
dann werden alle satt.

Man hortet sein Vermögen nicht länger auf den Banken,
sondern verschenkt es wie Nikolaus unter den Armen -
heute würden wir sagen: Vermögenssteuer.

Man verschenkt „heimlich“,
wirft des Nachts den Beutel in die Zimmer,
nicht im Rampenlicht der Öffentlichkeit,
aus reiner Liebe,
nicht aus Selbstsucht.

(NIKOLAUS)
Klaus Heidegger
6.12.2012








Samstag, 3. Dezember 2011

Tötungskultur


Vendetta im 21. Jahrhundert - die neue Tötungskultur
Screenshots zeigten, wie Gaddafi halbnackt, angeschossen, blutüberströmt und fast bewusstlos von einer johlenden Menge bewaffneter Rebellen durch die Straßen von Sirte gezerrt wurde, bevor er endgültig hingerichtet wurde. Er soll noch um Gnade gefleht haben und ein „Allahu akbar“ war in diesem Gejohle und Geschreie zu vernehmen. Hinrichtung vor laufenden Handykameras. Der Exekution vorangegangen waren wochenlange Bombardements von Sirte durch NATO-Kampfflugzeuge. Hunderte Menschen starben, verbluteten, wurden verstümmelt. Krankenhäuser und andere zivile Einrichtungen wurden getroffen und unter dem Schutz der westlichen Mächte konnten die so genannten Rebellen und neuen Machthaber mit ihren modernen Maschinengewehren aus europäischer Produktion Menschenrechtsverletzungen begehen. Ein NATO-Kampfangriff führte zum finalen Ende von Gaddafi, im Widerspruch zum UN-Mandat 1973, das lediglich den Schutz von Zivilisten durch die Koalition vorsah. Die NATO lieferte Gaddafi regelrecht den Rebellen aus, ließ ihnen sozusagen das Mordwerk über. Mit dem libyschen Despoten wurden zumindest einer seiner Söhne und einige Minister schlichtweg gelyncht. Einen Tag nach seiner Hinrichtung wurde Gaddafi wie ein Stück erlegtes Wild in einem Gemüsegefrierschank eines Supermarktes blutverkrustet zur Schau gestellt und konnte von allen begafft und fotografiert werden. Im internationalen Boulevardjournalismus wurde dem libyschen Diktator jegliche Würde genommen, indem sie selbst auf den Titelseiten Bilder des sterbenden Gaddafi zeigten. Zwei Tage später wurden Dutzende Leichen in einem Hotel entdeckt, an den Händen gefesselt, mit Schusswunden im Kopf, gelyncht von jenen Rebellen, die sich mit Hilfe der NATO zum Sieg gebombt hatten.
            Die „Gaddafi-death-shots“ prägen sich in die Köpfe der Menschen ein, wollen weggedacht und weggewischt werden, und doch bleiben sie, wie die Bilder von der Erschießung des rumänischen Diktators Ceaucescu oder der Erhängung des irakischen Diktators Saddam Hussein. Wohl wäre es besser gewesen, die Boulevardpresse hätte nicht diese grausamen Fotos sensationslüstern auf Titelseiten oder im Inneren der Zeitungen gebracht. Haben wir uns bereits daran gewöhnt?
Wir leben in einer neuen Zeit der Faustrache. Obama, Sarkozy und Cameron drückten ihre Zufriedenheit über die Ermordung von Gaddafi aus. Die US-Außenministerin reagierte auf die Todesnachricht vor laufenden Kameras mit „Wow – we saw, came and won ….“ Vor fünf Monaten hatten US-Militärs Osama bin Laden liquidiert und der Drohnenkrieg geht weiter, um weitere Terroristen zu töten. „Erfolg für die Kräfte des Friedens“, nannte es im Mai 2011 die deutsche Bundeskanzlerin. Israels Geheimdienst Mossad lässt im Iran Atomwissenschaftler ermorden.
Wir haben uns an den Paradigmenwechsel in der internationalen Politik gewöhnt und rüsten unsere Armeen zu Angriffsarmeen um. Vor 10 Jahren begann die Shoot-and-Kill-Strategie in Afghanistan. Krieg, Mord und Vertreibung gelten als legitimes Mittel der Politik. Am Heldenplatz wurde am Nationalfeiertag 2011 mit besonderem Stolz der österreichische Beitrag zu den EU-Battlegroups präsentiert.
Argumente gegen die Liquidationspolitik gibt es viele: Wer Unrecht begeht, muss vor ein Gericht gestellt werden, sein Fehlverhalten muss aufgezeigt und bestaraft werden. Dies wäre bei Osama bin Laden wie Gaddafi möglich gewesen. Wer sich auf Demokratie und Menschenrechte beruft, darf seine Politik nicht auf Tötungsstrategien aufbauen. Nie kann die Ermordung von Menschen mit dem Verweis auf Menschenrechte legitimiert werden – dies ist ein Widerspruch in sich. Vielleicht, so kann daher angenommen werden, sind die Triebfedern für die neue Tötungskultur aber auch nicht die Forderung nach Menschenrechten, sondern geostrategische Interessen verbunden mit der Gier nach Energieressourcen.
            Der Blick auf ein Land südlicher von Libyyen hätte gezeigt, wie ein diktatorisches Regime ohne Waffengewalt gestürzt werden kann. Der Friedensnobelpreis an Ellen Johnson Sirleave und Leymah Gbowee macht uns darauf aufmerksam. Charles Taylor, der ehemalige Despot von Liberia, war gewiss um vieles brutaler als ein Gaddafi. Die Friedensfrauen von Liberia hatten es ohne Waffengewalt geschafft, einen Bürgerkrieg zu beenden und Charles Taylor und sein Regime zum Abdanken zu zwingen. Auf den Krieg folgte der Friedyen, auf die Diktatur folgte Demokratie. Charles Taylor wurde nicht gelyncht, sondern vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag gebracht. Die Friedensfrauen wurden dabei von den benachbarten Staaten und der internationalen Gemeinschaft unterstützt, den Weg zum Frieden auf dem Verhandlungsweg zu suchen.
Es wäre auch für Libyen möglich gewesen. Es war auch der Wunsch vieler afrikanischer Staaten, wie in Liberia den Weg der Verhandlungen zu gehen. Es passte jedoch nicht zur Kill-Mission, die seit dem März 2011 in Libyen herrschte. Die Bilanz des Krieges ist katastrophal. Allein die USA gaben für den siebenmonatigen Einsatz 800 Millionen Euro aus – rund 4 Millionen pro Tag. Die täglichen militärischen Ausgaben Frankreichs beliefen sich auf 1,2 Millionen. Das sind unvorstellbare Summen angesichts der Schuldenkrise, die wesentlich durch die militärischen Ausgaben in die Höhe getrieben wird. Man darf behaupten und das Gegenteil kann nicht mehr bewiesen werden: Wäre ein Bruchteil der Millionen in die zivile und nichtmilitärische Konfliktintervention geflossen, so hätte ohne Bürgerkrieg und bestialisches Abschlachten eine Änderung in Libyen herbeigeführt werden können. Was vor einem Jahr durch die Jasmin-Revolution in Tunesien und etwas später in Ägypten möglich war, wäre auch in Libyen möglich gewesen, doch unterstützt von den westlichen Mächten setzten die Aufständischen von Beginn bis zum vorläufigen Ende auf die Karte militärischer Gewalt.
Die nachträglichen Rechtfertigungen für die Ermordung von Gaddafi sind fragwürdig. Es wird berichtet, wie groß das Finanzvermögen sei, das der Gaddafi-Clan auf irgendwelchen Banken angehäuft hat. Dies wäre ein Schuldeingeständnis für die Großbanken der westlichen Welt, die über Jahrzehnte ihre fetten Finanzgeschäfte mit dem libyschen Diktator machten. Es wird behauptet, man hätte Gaddafi nicht vor ein Gericht bringen können. Wo aber liegt der Unterschied zu Milosevic oder Charles Taylor? Das Beispiel Südafrika zeigt, wie wichtig es ist, durch „Wahrheitskommissionen“ Schuld aufzuarbeiten.
Die Hinrichtung von Gaddafi wird von den Massen nicht kritisch hinterfragt, sondern als Vorbild genommen. Werden Assad in Syrien oder Saleh im Jemen die nächsten sein? Leben wir in einer Welt, die Tyrannenmord gutheißt und in der politisch motivierte Gewalt quer durch die Bevölkerungsschichten und Ideologien chic geworden ist? Bei aller Sympathie für die Occupy-Bewegung und deren Inhalte muss heute auch gefragt werden, ob die Verwendung von Guy Fawkes-Masken nicht auch Unsensibilität in der Frage der politischen Gewalt ausdrückt.
            Mitgliedsorganisationen von Pax Christi International haben seit Beginn der Militärintervention immer wieder friedliche Konfliktlösungswege eingemahnt. Krieg kann aus friedensethischer Sicht niemals ein Mittel der Politik sein und die unbedingte Würde menschlichen Lebens gilt selbst den Feinden. Pax Christi versucht der Grundaussage des Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2306, zu folgen: „Wer auf gewaltsame und blutige Handlungen verzichtet und zur Wahrung und Verteidigung der Menschenrechte Mittel einsetzt, die auch den Schwächsten zur Verfügung stehen, legt Zeugnis ab für die Liebe des Evangeliums, sofern dabei nicht die Rechte und Pflichten der anderen Menschen verletzt werden. Er bezeugt zu Recht, welch schwerwiegende physische und moralische Gefahren der Einsatz gewaltsamer Mittel mit sich bringt, der immer Zerstörungen und Tote hinterlässt.“
Dr. Klaus Heidegger, Vorsitzender der Kommission für Sicherheit und Abrüstung von
Pax Christi Österreich, klaus.heidegger@aon.at, 23. Oktober 2011

Montag, 28. November 2011

Was wir gegen die Klimaerwärmung tun können!
Ökofalle Internet:
Tipps und Hinweise für Umweltbewusste

  1. IT-Geräte sind kostbar. Produktion und Lieferung ist verbunden mit hohem Energie- und Ressourcenverbrauch, Zerstörungen ... (ökologischer Fußabdruck).
    1. Je länger ich ein Gerät verwenden kann, desto besser.
      1. ich gehe achtsam mit den Geräten um
      2. es ist nicht cool, immer das Neueste haben/besitzen zu wollen
      3. reparieren lassen, falls möglich
      4. auf Schwachstellen achten (Akkus)
    2. IT-Geräte an den eigenen Bedarf anpassen (gegen Überdimensionierungen)
    3. Qualität vor Billigprodukten (langlebige Produkte!)
    4. Kleine Geräte oft sinnvoller (Notebooks vor Desktops, ...) – im Betrieb wesentlich sparsamer als Desktops!
    5. Beim Kauf auf Stromverbrauch achten (laute Geräte – mehr Strom!) – Energy Star – bürgt für energiesparend! http://www.energystar.gov/

  1. Internet sinnvoll nützen:
    1. hilft, um mich zu bilden, ...
    2. kann helfen, Fahrten zu vermeiden
    3. kann zur schnellen Vernetzung, politischem Engagement helfen
  2. Bye, bye Standby: PC, Beamer, ... vom Dauerbetrieb nehmen. Insbesondere DSL-Router oder Modem nach Surfen vom Netz nehmen!
    1. Einstellungen, mit denen Computer sich selbständig abschalten -Energiesparfunktionen des Computers. Nach 5 Minuten auf den Stand-By-Modus und nach 10 Minuten den Schlaf-Modus umschalten. Bei Nichtgebrauch ausschalten. Die Geräte können auch im ausgeschalteten Zustand Strom verbrauchen, deshalb empfiehlt sich dann die Trennung vom Netz.
    2. Bildschirmschoner sind nicht geeignet, um Strom zu sparen.
  3. Eigenes Surfverhalten ökologisieren:
    1. Suchmaschinen sparsam benützen: Jede Suche bei Google: 0,3 Watt und 0,2 Gramm CO2 pro Suche! (bei Google täglich 300.000 KW/Strom verbraucht und CO2-Ausstoß von 200 Tonnen = im Jahr Energieverbrauch einer Stadt mit 200000 EW)
    2. Ökologische Suchmaschinen benützen: http://ecosia.org/how.php
    3. Lesezeichen erstellen statt immer wieder Suchbegriffe eingeben!
    4. Lokal abspeichern statt wichtige Texte/Bilder ... ins Internet auslagern.
    5. Eigene Websiten prüfen – wie groß ist der ökologische Fußabdruck? http://www.ecocho.com/
  4. Auf Unnötiges verzichten – Computer sind Arbeits- und keine Spielgeräte!

Klaus Heidegger, November 2011

Samstag, 26. November 2011

Adventgedanken2012-Eurokrise-Wirtschaftskrise

Adventgedanken 2012 - Krise: Neubeginn oder in die Katastrophe?
Man spricht von „Krise“, man schreibt über Krise, man redet über Krise. Schuldenkrise, Eurokrise, Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Bankenkrise. Krise ist gleichzusetzen mit einer Entscheidungssituation, einer Weichenstellung. Wird die Krise in die Katastrophe führen oder wird sie Stimulus für einen Neubeginn? Mit Blick auf unseren Planeten wird bereits von Katastrophen gesprochen, der negative Ausgang einer Krise, die Klimakatastrophe oder die Hungerkatastrophe in Ostafrika. Bisher scheint’s, dass die Krise nicht als Chance genützt wird, nicht als Impuls, um gefährliche Wege zu verlassen, nicht für einen Neubeginn, der möglich wäre. Die Herrschenden und ihre Claqueure und Vasallen setzen auf Fortsetzung einer Politik und Wirtschaftsweise, die in die Krise geführt haben. Jene, die regieren sollen, hören auf die Zurufe der Banken und lassen sich von der Sachlogik treiben. Die Mächtigen in Europa spannen Rettungsschirme auf und retten damit Banken und Großkonzerne, verlangen einen Schuldenabbau und meinen damit Sozialabbau, sprechen von Schuldenbremse und machen daraus eine Sozialbremse.
            Als Theologe kann ich von Erbsünde sprechen, wenn jetzt Schuldenberge angehäuft werden. Die grundlegenden Gebote der Religionen werden durch die Prolongierung der herrschenden Ordnung missachtet: Du sollst nicht stehlen, so das 7. Gebot, und du sollst nicht begehren, so das 10. Gebot. Mit dem sündhaften Erbe einer Schuldenwirtschaft werden künftige Generationen belastet. Verbunden mit dieser Wirtschaftsweise ist der gigantomanische Raubbau an den Lebensgrundlagen, die Zerstörung der Ökosphäre – vor allem sichtbar in den Klimaveränderungen. Die warnenden Berichte des Internationalen Weltklimarates gehen unter in dem Bemühen der Herrschenden, mit den Mitteln, die in die Krise führten, das Bestehende zu retten. Und heute schon wird unser Wirtschaftssystem zur Katastrophe in anderen Erdteilen: Die Hungerkatastrophe in Ostafrika hält an. 13 Millionen Menschen sind am Verhungern. Davon steht nichts in der Sonntagszeitung, die schwer wiegt wegen der Hochglanzbroschüre für das größte Kaufhaus von Innsbruck. Der neueste Bericht des IPPC ist selbst den Qualitätszeitungen lediglich eine Achtelseite wert, während der Automobilteil sich über mehrere Seiten hinweg erstreckt.
            In den letzten Wochen des Jahres 2011 dreht sich auch die Rüstungsspirale. Mit ihr steigt die Kriegsgefahr. Der Iran soll kurz vor der Herstellung einer eigenen Atomwaffe sein. Israel droht mit einem präventiven Militärschlag. Die NATO baut am „Raketenschirm“ im Osten Europas weiter und Russland kündigt an, moderne Offensivwaffen an seiner Westgrenze zu stationieren. Der österreichische Verteidigungsminister will Waffen, die einsatzfähig sind.
            Christen feiern am letzten Sonntag des Kirchenjahres das Christkönigsfest. Das Evangelium dieses Tages erzählt auch von einer Krise – einer Entscheidungssituation. Sie betrifft die Völker, die vor die politische Instanz des Königs treten. Es heißt im 25. Kapitel bei Matthäus über das Weltgericht – nicht über das Gericht über die einzelnen Individuen, wie es in Verkehrung der politischen Aussageabsicht des Evangeliums zumeist gedeutet wird: „Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden. ....“ Heute würden wir sagen: Staaten kommen vor den Richter. Jesus Christus ist die Ratingagentur, und er hat so andere Bemessungskriterien als jene, die gegenwärtig über die Bonität von Staaten entscheiden. Das jesuanische Triple A bekommen jene Völker, in denen die Option für die Ärmsten verwirklicht wird. Was unterscheidet Jesus Christkönig von den Bemessungskriterien von „Standard and Poor’s“? Das Evangelium sagt uns klar und eindeutig, wie die Bestnoten zu erreichen sind: „Ich war krank, ich war hungrig, ich war fremd ....“ Ein Staat, der sich um diese Menschen kümmert, erhält das dreifache A. Die österreichische Bundesregierung hat soeben das neue Budget beschlossen, und prozentuell gekürzt wurde am meisten bei der staatlichen Entwicklungshilfe. Zählt mein Staat zu den Böcken auf der linken Seite? Die Flüchtlingslager in Griechenland sind voll von Menschen, die im Dreck vegetieren müssen. Die Politik der EU gegenüber jenen, mit denen sich Christus der König identifiziert, versagt kläglich.
            Christen feiern den Advent. Advent hat mit Umkehr zu tun. Auf die Umkehr folgt ein Neubeginn. Die Regierenden werden von sich aus nicht umkehren, keine Politik der Umkehr realisieren, solange sie sich der Zustimmung der Regierten sicher sein können. So wird eine Änderung – eine Umkehr – von uns an der Basis abhängen. Abertausende Occupy-Initiativen sind die adventlichen Boten des ausgehenden Jahres 2011. Den Johannes den Täufer finde ich inmitten jener, die dem polizeilichen Tränengas trotzen und den Castor-Transport ins AKW-„End“lager blockieren.
Dr. Klaus Heidegger,
Kommission Sicherheit und Abrüstung von Pax Christi Österreich

Klarstellung-Priesterinitiative

Liebe Pfarrerinitiative-Sprecher von Tirol, lieber Bernhard und Franz!
 
Ich bin froh, dass ihr den Mut und das Interesse habt, euch auch öffentlich für die Priesterinitiative zu positionieren. Das Anliegen, die Priesterinitiative zu "demokratisieren" und zu regionalisieren, scheint zu gelingen und ist sicherlich sehr notwendig. Ein Lob für eure Website, die die Diskussion beleben könnte - weswegen hier auch mein Beitrag.
 
War eure Klarstellung gegenüber dem Artikel in der Freitags-TT wirklich notwendig? Die Botschaft kommt in dem, was als direktes Zitat von euch zwar in einem extrem komplizierten Schachtelsatz ausgedrückt wird - Karl Rahner lässt grüßen! - gut zum Ausdruck, dass nämlich Eucharistie als Zentrum des kirchlichen Lebens durch die Weigerung, an den Zulassungsbedingungen etwas zu ändern, vom Episkopat selbst in gewisser Weise in Frage gestellt wird. Nirgends wird dort aber - zumindest nicht direkt - behauptet, ihr würdet das Priesteramt als solches in Frage stellen.
 
Eine spannend-theologische Frage, die sicherlich nicht so apodiktisch und anathema-sit-mäßig -  wie von euch in der Klarstellgung formuliert - gelöst werden kann, ist die Frage nach der Verknüpfung des priesterlichen Weiheamtes mit der Eucharistie. Da finde ich die Position von Rohner sakramentaltheologisch ehrlicher. Was ich mit Martha Heizer und ihrer Gruppe nicht teile, worin sie allerdings interessanterweise der kirchenamtlich herrschenden Sicht entspricht - ist die fast magisch wirkende Sichtweise von Wandlung vernknüpft mit Hochgebet.
 
Klaus Heidegger