25.12.2011
Christtag. Ein Tag um Maß zu nehmen an Christus, an diesem Mann Jesus von Nazareth, dem jüdischen Propheten mit seiner verkündeten und gelebten Botschaft von Gewaltverzicht, an seinem Beispiel eines Lebens der radikalen Geschwisterlichkeit, der materiellen Bescheidenheit. Man wünscht sich „besinnliche“ Weihnachten. Besinnt man sich auf die Wurzel des Christfestes – wird also radikal im Wortsinne?
Viele so wichtige Impulse werden in dieser Weihnachtszeit in den Predigten in den Kirchen, in Zeitungsartikeln und Ansprachen vermittelt. Man besinnt sich der Notwendigkeit, aufeinander zuzugehen, besinnt sich der Mildtätigkeit, nimmt die Armen in unserer Gesellschaft in den Blick. In der Weihnachtsausgabe der Tiroler Tageszeitung wird zurecht Georg Sporschill als leuchtendes Beispiel vorgestellt, weil sich in seinem Engagement verdichtet, was zentraler Inhalt der Weihnachtsbotschaft ist: die Ärmsten der Armen in den Mittelpunkt zu stellen. Good News – euangelien des Jahres 2011 – von der Emmausgemeinschaft in Innsbruck bis zur mediengerechten Hilfeleistung des Bau-Tycoons Haselsteiner für bulgarische Straßenkinder füllen die Seiten der Weihnachtsausgaben der Printmedien. Selbst die Innenstadtkaufleute finanzierten die Teestubenöffnung für die Obdachlosen an diesem Tag. Im Kurier erstreckt sich ein Zweiseitenbericht über den Sandlerpfarrer aus Graz. Die Krone bringt als Aufmacher einen Appell von Kardinal Schönborn an die Regierung: „Bitte nicht bei Ärmsten sparen!“
Schön und richtig, was willst du mehr, oder doch nicht ganz zufrieden? Keinesfalls seien diese vielfältigen Engagements herabgewürdigt, doch fehlen mir die systemkritischen Aspekte der Weihnachtsbotschaft. Mildtätigkeit im herrschenden kapitalistischen System wird letztlich zu kurz greifen, der doch nur stets neue Wunden schlägt. Was die Innenstadtkaufleute den Obdachlosen schenkten, sind letztlich Brosamen vom Tisch der Reichen. Diesen strukturell-politischen Blickwinkel als Konsequenz der Friedensbotschaft vermisse ich. Er taucht oft nur am Rande auf, obwohl er aus meiner Sicht zur Mitte gehört. Da wurde ja nicht ein Mensch geboren, der als fürsorglicher Familienvater lebte, sondern der Messias, der Sohn des Davids, der politische Befreier, und die Ausgestoßenen von damals, Hirten und zur Prostitution gezwungene Frauen, Bettler und Krüppel, Aufständische und Verweigerer, sie alle fokussierten ihre Hoffnung auf Jesus von Nazareth. Jesus starb nicht am Kreuz, weil er mildtätig war, sondern seine Hinrichtung war die gewalttätige Reaktion auf seine systemkritischen und aufrührerischen Gedanken und Aktionen.
Ein politisches Maßnehmen an Christus im Alltag ist nicht leicht. Die Verstricktheiten in dieses System sind groß. Verständnis für ein links-ökologisches Denken ist nicht selbstverständlich. Wer so denkt, muss sich verteidigen, stößt auf Unverständnis. „Was ist schon dabei, mit dem Auto gut eine Stunde unterwegs zu sein, um zu einem Lift zu kommen?“, höre Menschen um mich sagen, wenn ich mit ihnen versuche, darüber ins Gespräch zu kommen. Peak-Oil, die neue Ölpest vor der Südküste Nigerias, Klimaerwärmung, damit verbunden Wüstenbildungen und Hunger ... all das ist nicht in ihren Köpfen und Herzen, zumindest nicht handlungsleitend, wogegen es in meinem Denken und Handeln zentral ist. Die heutige Zeitung vermeldet, dass Libyen sein Ölproduktion wieder kontinuierlich steigere – auf bis zu 1,6 Millionen Barrel pro Tag. Bringe ich diese Gedanken „ins Spiel“, setze ich mich dem Vorwurf aus, ein Moralisierer zu sein. Wer Moral predigt, wer ethische Werte als Maßstab nimmt, muss sich als „Spieldverderber“ rechtfertigen.
Ich packe meine Skatingski in den Rucksack und radle bis zur Loipe. Merkwürdig fremd wirkt mein Rad am Parkplatz vor der Loipe neben den vielen Autos.
Klaus Heidegger, 25.12.2011
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