Adventgedanken 2012 - Krise: Neubeginn oder in die Katastrophe?
Man spricht von „Krise“, man schreibt über Krise, man redet über Krise. Schuldenkrise, Eurokrise, Wirtschaftskrise, Finanzkrise, Bankenkrise. Krise ist gleichzusetzen mit einer Entscheidungssituation, einer Weichenstellung. Wird die Krise in die Katastrophe führen oder wird sie Stimulus für einen Neubeginn? Mit Blick auf unseren Planeten wird bereits von Katastrophen gesprochen, der negative Ausgang einer Krise, die Klimakatastrophe oder die Hungerkatastrophe in Ostafrika. Bisher scheint’s, dass die Krise nicht als Chance genützt wird, nicht als Impuls, um gefährliche Wege zu verlassen, nicht für einen Neubeginn, der möglich wäre. Die Herrschenden und ihre Claqueure und Vasallen setzen auf Fortsetzung einer Politik und Wirtschaftsweise, die in die Krise geführt haben. Jene, die regieren sollen, hören auf die Zurufe der Banken und lassen sich von der Sachlogik treiben. Die Mächtigen in Europa spannen Rettungsschirme auf und retten damit Banken und Großkonzerne, verlangen einen Schuldenabbau und meinen damit Sozialabbau, sprechen von Schuldenbremse und machen daraus eine Sozialbremse.
Als Theologe kann ich von Erbsünde sprechen, wenn jetzt Schuldenberge angehäuft werden. Die grundlegenden Gebote der Religionen werden durch die Prolongierung der herrschenden Ordnung missachtet: Du sollst nicht stehlen, so das 7. Gebot, und du sollst nicht begehren, so das 10. Gebot. Mit dem sündhaften Erbe einer Schuldenwirtschaft werden künftige Generationen belastet. Verbunden mit dieser Wirtschaftsweise ist der gigantomanische Raubbau an den Lebensgrundlagen, die Zerstörung der Ökosphäre – vor allem sichtbar in den Klimaveränderungen. Die warnenden Berichte des Internationalen Weltklimarates gehen unter in dem Bemühen der Herrschenden, mit den Mitteln, die in die Krise führten, das Bestehende zu retten. Und heute schon wird unser Wirtschaftssystem zur Katastrophe in anderen Erdteilen: Die Hungerkatastrophe in Ostafrika hält an. 13 Millionen Menschen sind am Verhungern. Davon steht nichts in der Sonntagszeitung, die schwer wiegt wegen der Hochglanzbroschüre für das größte Kaufhaus von Innsbruck. Der neueste Bericht des IPPC ist selbst den Qualitätszeitungen lediglich eine Achtelseite wert, während der Automobilteil sich über mehrere Seiten hinweg erstreckt.
In den letzten Wochen des Jahres 2011 dreht sich auch die Rüstungsspirale. Mit ihr steigt die Kriegsgefahr. Der Iran soll kurz vor der Herstellung einer eigenen Atomwaffe sein. Israel droht mit einem präventiven Militärschlag. Die NATO baut am „Raketenschirm“ im Osten Europas weiter und Russland kündigt an, moderne Offensivwaffen an seiner Westgrenze zu stationieren. Der österreichische Verteidigungsminister will Waffen, die einsatzfähig sind.
Christen feiern am letzten Sonntag des Kirchenjahres das Christkönigsfest. Das Evangelium dieses Tages erzählt auch von einer Krise – einer Entscheidungssituation. Sie betrifft die Völker, die vor die politische Instanz des Königs treten. Es heißt im 25. Kapitel bei Matthäus über das Weltgericht – nicht über das Gericht über die einzelnen Individuen, wie es in Verkehrung der politischen Aussageabsicht des Evangeliums zumeist gedeutet wird: „Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden und er wird sie voneinander scheiden. ....“ Heute würden wir sagen: Staaten kommen vor den Richter. Jesus Christus ist die Ratingagentur, und er hat so andere Bemessungskriterien als jene, die gegenwärtig über die Bonität von Staaten entscheiden. Das jesuanische Triple A bekommen jene Völker, in denen die Option für die Ärmsten verwirklicht wird. Was unterscheidet Jesus Christkönig von den Bemessungskriterien von „Standard and Poor’s“? Das Evangelium sagt uns klar und eindeutig, wie die Bestnoten zu erreichen sind: „Ich war krank, ich war hungrig, ich war fremd ....“ Ein Staat, der sich um diese Menschen kümmert, erhält das dreifache A. Die österreichische Bundesregierung hat soeben das neue Budget beschlossen, und prozentuell gekürzt wurde am meisten bei der staatlichen Entwicklungshilfe. Zählt mein Staat zu den Böcken auf der linken Seite? Die Flüchtlingslager in Griechenland sind voll von Menschen, die im Dreck vegetieren müssen. Die Politik der EU gegenüber jenen, mit denen sich Christus der König identifiziert, versagt kläglich.
Christen feiern den Advent. Advent hat mit Umkehr zu tun. Auf die Umkehr folgt ein Neubeginn. Die Regierenden werden von sich aus nicht umkehren, keine Politik der Umkehr realisieren, solange sie sich der Zustimmung der Regierten sicher sein können. So wird eine Änderung – eine Umkehr – von uns an der Basis abhängen. Abertausende Occupy-Initiativen sind die adventlichen Boten des ausgehenden Jahres 2011. Den Johannes den Täufer finde ich inmitten jener, die dem polizeilichen Tränengas trotzen und den Castor-Transport ins AKW-„End“lager blockieren.
Dr. Klaus Heidegger,
Kommission Sicherheit und Abrüstung von Pax Christi Österreich
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