Militärmusik und die
Frage des Krieges
Die Diskussion um die Fortführung der Militärmusik in
Österreich in gewohnter Form und Stärke folgt meist über monetäre Argumente.
Die geplante Reduzierung der acht Militärmusikkapellen um zwei Drittel wird von
Seiten des Ministeriums und der Regierung mit notwendigen Einsparungen
begründet. Derzeit betragen die direkten Aufwendungen für die heimische
Militärmusik 11 Millionen Euro. Das ist tatsächlich ein hoher Betrag, wenn es
mit dem Ertrag in Korrelation gebracht wird. Jene, die gegen die Kürzungen für
die Militärmusik sind, argumentieren auch auf finanzieller Ebene. Gemessen am
Gesamtbudget des Heeres betrage diese Summe lediglich 0,56 Prozent. Die
zentrale Frage „cui bono?“ – wem nützen Musikkapellen in Heeresuniform – wird
kaum gestellt.
In der Geschichte hat die Militärmusik stets kriegerisches
Geschehen unterstützt. In diesen Tagen wird in Tirol daran gedacht, als die
ersten Kompanien in den Krieg gegen Italien aufbrachen. Pfingsten 1915.
Hundertschaften von zwangsverpflichteten Soldaten zogen in sinnlose Schlachten.
Beim Abmarsch gingen ihnen Militärkapellen voraus. Gleichschrittmusik macht
Körper zu Gleichschrittmaschinen. Der Marsch wird zur musikalischen
Kriegspropaganda. Die Aufgabe der Militärmusik war es immer schon, den „guten
Ton“ zum martialischen Getöse zu machen. Der Kampfeswille sollte gestärkt
werden. 1915 schrieb Kurt Tucholsky im Gedicht „Unser Militär“ im letzten Vers:
„Aber
noch übertönte den Jammer im Krieg: Militärmusik! Militärmusik!“
Auch heute ist der primäre Zweck der Musiker in Tarnfarbe
nicht, schöne Musik zu bieten, sondern Sympathieträger für das Heer zu sein; vor
allem soll eine emotionale Brücke zwischen Bevölkerung und Armee hergestellt
werden. Der österreichische Spitzendiplomat der Nachkriegsjahre, Josef Schöner,
schrieb in sein Tagebuch: „Überhaupt finde ich, daß trotz aller pazifistischen
Vernunftargumente richtige Marschmusik etwas ist, das das Unterbewußtsein der
Masse ganz direkt anrührt und aufrüttelt, sie geht ohne den Umweg über das
Gehirn direkt an die Massenseele. Da kann die Vernunft noch so schöne Reden
gegen den Militarismus halten – die Trompeten eines Militärmarsches rütteln die
Herzen auf.“ Militärmusik verhindert auch Rekrutierungsprobleme. Ich könnte an
dieser Stelle Dutzende meiner ehemaligen Schüler aufzählen, die auf die Frage,
warum sie zum Heer gingen, die Militärmusik nannten. Dies gab ihnen tatsächlich
die Möglichkeit zu einer gediegenen musikalischen Weiterbildung.
Sinn und Ziel der Militärmusik ist und bleibt, der
militärischen Logik eine emotionale Basis zu geben und das militärische System
zu stärken. Ein Land mit mikrigem Entwicklungsbudget bräuchte jedoch andere
Töne: Es ginge nicht darum, in die militärischen Eskalationen überall auf
dieser Welt noch mehr auf Militär zu setzen, sondern auf eine Politik der
Deeskalation, der friedlichen Konfliktlösungsstrategien und, ja auch dies, der
Entmilitarisierung. Dafür steht eben eine Militärmusik nicht. In einer Welt voller
Kriege fehlt es an Signalen gegen jede Form der Militarisierung. Daher wäre
eine Abschaffung der Militärmusik ein kleiner Schritt in eine Welt des
Friedens.
Dr. Klaus Heidegger, klaus.heidegger@aon.at – 23.5.2015, „Gedenktag zum Kriegsbeginn in Tirol vor 100
Jahren“
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen