Dienstag, 31. März 2015

Ukraine und die Politik Russlands in friedensbewegter Analyse



Der Krieg in der Ukraine und die Rolle Putins in friedensbewegten Stellungnahmen
von Klaus Heidegger, 31 .3.2015
Friedensbewegung und Kritik an Putin-Russland
Seit gut einem Jahr folgt die friedensbewegte Kritik über den Krieg in der Ukraine dem gleichen Argumentationsmuster: Die USA und mit ihr die NATO und die EU seien vorrangig schuld an den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine. Wer Staatspräsident Putin und die russische Staatspolitik kritisiert, scheint außerhalb des friedensbewegten Konsenses zu stehen. Sofort taucht der Vorwurf auf, man sei russophob, gefährde den Dialog zwischen dem Westen und Russland und leiste der militärisch-imperialistischen Politik von NATO-EU-USA gute Dienste. Wenn die EU gegenüber Russland Sanktionen plant, dann wird dies von friedensbewegter Seite mit dem Argument kritisiert, man würde die imperialistische Politik des Westens unterstützen und die Dialogmöglichkeiten mit dem russischen Regime untergraben. Dabei galt lange Zeit das Instrument von Wirtschaftssanktionen innerhalb nichtmilitärischer und pazifistischer Friedenstheorien als probates Mittel, um Kriegsherren zu zähmen und um auf nichtmilitärischem Weg zu Lösungen zu kommen.
Berechtigte Kritik an USA-NATO-EU
Die berechtigte Kritik an USA-NATO-EU muss hier nicht wiederholt werden. Tatsächlich sind die Aufrüstungen in den osteuropäischen NATO-Ländern, die neuen NATO-Basen an der Grenze zu Russland, die neu gebildeten superschnellen NATO-Eingreiftruppen auf der Basis des „Readiness Action Plans“, die geplanten Waffenlieferungen der USA an die Ukraine usw. Maßnahmen und Entwicklungen, die zur Eskalation beitragen und die Gefahr eines großen Krieges heraufbeschwören könnten. Tatsächlich sind die westlichen Mächte zur klassischen Doktrin der Abschreckung zurückgekehrt, die viele Jahrzehnte den Kalten Krieg bestimmt hatte. Das alles muss selbstverständlich gesagt und geschrieben werden. Vor lauter Kritik an den kriegerischen Aktionen von USA, NATO und EU und deren offensichtlichen imperialistischen Interessen, gibt es zugleich eine gepflegte Blindheit gegenüber der Politik von Putin-Russland.
Berechtigte Kritik an Entwicklungen in der Ukraine
Auch mit Blick auf die vergangenen Jahre haben friedensbewegte Organisationen und ihrer Sprecher und Sprecherinnen immer wieder aufgezeigt, dass die USA bzw. mächtige EU-Staaten wesentlich beteiligt waren, dass es zu den kriegerischen Auseinandersetzungen kam. Es gab am Maidan-Platz nicht nur die friedlichen Demonstranten, sondern auch die bezahlten Schlägertrupps, die die demokratische Revolution in den Schmutz zogen. Die emporgekommenen ukrainischen Politiker Arsenij Jazenjuk und Petro Poroschenko sind tatsächlich Mitglieder alten ukrainischen Oligarchie. Faschistoide Personen sind in der neuen Regierung von Jazenjuk vertreten. Fakt ist auch, dass die Absicht der gegenwärtigen Regierung, sich in die NATO zu integrieren und wirtschaftliche Beziehungen vorrangig innerhalb der EU aufzubauen, einer friedlichen Entwicklung im Wege steht.
Krim-Annexion
Doch haben nicht die USA und NATO die Krim einverleibt, sondern russische Separatisten mit Unterstützung von Russland führten vor einem Jahr die völkerrechtlich bedenkliche Annexion der Krim an Russland durch. Menschenrechtsorganisationen, wie amnesty international, kritisieren seither die Menschenrechtssituation. Krim-Tartaren würden eingeschüchtert. Oppositionelle misshandelt. Eine unabhängige Presse würde zum Schweigen gebracht.
Aufrüstung in Russland
Auch Russland unter der Herrschaft von Putin stellt ein Bedrohungspotential dar, das in der friedensbewegten Kritik nicht übersehen werden sollte. Wenn in den letzten Jahren die Militärausgaben in Russland um 30 Prozent gestiegen sind, zugleich aber im Bildungs- und Gesundheitsbereich auf Kosten der Bevölkerung gekürzt wird, wenn Putin dann gleichzeitig den Westen für diese Aufrüstungsmaßnahmen verantwortlich macht und damit russischen Nationalismus anheizt, wenn selbst Atomwaffen in der Abschreckungs-Rhetorik verwendet werden, wenn Putin in regelmäßigen Abständen die Gefechtsbereitschaft seiner Streitkräfte zelebriert oder gar mit der menschenverachtenden Nuklearwaffen-Strategie droht, dann kann es aus Sicht von friedensbewegten Menschen nicht unkommentiert bleiben. Die Rebellen in der Ostukraine werden bekanntlich nicht mit den Mordwaffen vom Mond her beliefert, sondern aus Russland.
Menschenrechtsverletzungen in Russland heute
Das Schicksal von Kremlkritikerinnen und Kremlkritikern hat mit der Ermordung von Boris Nemzow im März 2015 eine Fortsetzung. Nemzow hatte zuvor die „unsinnige Aggression gegen die Ukraine“ seitens der russischen Politik kritisiert und sprach sich vehement für ein Ende des Krieges aus. Fakt ist, dass in Russland Oppositionelle immer wieder bedroht und verfolgt werden. Erinnert sei auch an das Schicksal der Journalistin Anna Politkowskaja.
Dialog auf Basis von Aufrichtigkeit
Die Chance auf Frieden liegt im Dialog zwischen den sich feindlich gesinnten Mächten, ja, auch im Dialog zwischen Putin und Obama, Putin und Merkel usw. Dialogfähigkeit setzt aber auch voraus, einen klaren eigenen Standpunkt zu haben. Die Strategie, Putin nicht zu kritisieren, um einen Dialog zu ermöglichen, wird jedenfalls scheitern. Friedensbewegte Kräfte machen sich unglaubwürdig, wenn stets nur die kriegstreibenden Kräfte des Westens und ihre Handlanger in der ukrainischen Staatsmacht kritisiert werden. Die friedenspolitische Zukunft Europas liegt in einer Ukraine, das als Brücke zwischen Ost und West fungiert, einem Land, in der die ethnischen, kulturellen und religiösen Unterschiede gleichberechtigt akzeptiert werden und als Bereicherung in einer ukrainischer Nation gelebt und erfahren werden.

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