Der
Krieg in der Ukraine und die Rolle Putins in friedensbewegten Stellungnahmen
von Klaus Heidegger, 31 .3.2015
Friedensbewegung
und Kritik an Putin-Russland
Seit gut einem Jahr folgt die
friedensbewegte Kritik über den Krieg in der Ukraine dem gleichen
Argumentationsmuster: Die USA und mit ihr die NATO und die EU seien vorrangig
schuld an den kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine. Wer Staatspräsident
Putin und die russische Staatspolitik kritisiert, scheint außerhalb des
friedensbewegten Konsenses zu stehen. Sofort taucht der Vorwurf auf, man sei
russophob, gefährde den Dialog zwischen dem Westen und Russland und leiste der
militärisch-imperialistischen Politik von NATO-EU-USA gute Dienste. Wenn die EU
gegenüber Russland Sanktionen plant, dann wird dies von friedensbewegter Seite
mit dem Argument kritisiert, man würde die imperialistische Politik des Westens
unterstützen und die Dialogmöglichkeiten mit dem russischen Regime untergraben.
Dabei galt lange Zeit das Instrument von Wirtschaftssanktionen innerhalb
nichtmilitärischer und pazifistischer Friedenstheorien als probates Mittel, um
Kriegsherren zu zähmen und um auf nichtmilitärischem Weg zu Lösungen zu kommen.
Berechtigte
Kritik an USA-NATO-EU
Die berechtigte Kritik an
USA-NATO-EU muss hier nicht wiederholt werden. Tatsächlich sind die
Aufrüstungen in den osteuropäischen NATO-Ländern, die neuen NATO-Basen an der
Grenze zu Russland, die neu gebildeten superschnellen NATO-Eingreiftruppen auf
der Basis des „Readiness Action Plans“, die geplanten Waffenlieferungen der USA
an die Ukraine usw. Maßnahmen und Entwicklungen, die zur Eskalation beitragen
und die Gefahr eines großen Krieges heraufbeschwören könnten. Tatsächlich sind
die westlichen Mächte zur klassischen Doktrin der Abschreckung zurückgekehrt,
die viele Jahrzehnte den Kalten Krieg bestimmt hatte. Das alles muss
selbstverständlich gesagt und geschrieben werden. Vor lauter Kritik an den
kriegerischen Aktionen von USA, NATO und EU und deren offensichtlichen
imperialistischen Interessen, gibt es zugleich eine gepflegte Blindheit
gegenüber der Politik von Putin-Russland.
Berechtigte
Kritik an Entwicklungen in der Ukraine
Auch mit Blick auf die
vergangenen Jahre haben friedensbewegte Organisationen und ihrer Sprecher und
Sprecherinnen immer wieder aufgezeigt, dass die USA bzw. mächtige EU-Staaten
wesentlich beteiligt waren, dass es zu den kriegerischen Auseinandersetzungen
kam. Es gab am Maidan-Platz nicht nur die friedlichen Demonstranten, sondern
auch die bezahlten Schlägertrupps, die die demokratische Revolution in den
Schmutz zogen. Die emporgekommenen ukrainischen
Politiker Arsenij Jazenjuk und Petro Poroschenko sind tatsächlich Mitglieder
alten ukrainischen Oligarchie.
Faschistoide Personen sind in der neuen Regierung von Jazenjuk vertreten. Fakt ist auch, dass die
Absicht der gegenwärtigen Regierung, sich in die NATO zu integrieren und
wirtschaftliche Beziehungen vorrangig innerhalb der EU aufzubauen, einer
friedlichen Entwicklung im Wege steht.
Krim-Annexion
Doch haben nicht die USA und
NATO die Krim einverleibt, sondern russische Separatisten mit Unterstützung von
Russland führten vor einem Jahr die völkerrechtlich bedenkliche Annexion der
Krim an Russland durch. Menschenrechtsorganisationen, wie amnesty
international, kritisieren seither die Menschenrechtssituation. Krim-Tartaren
würden eingeschüchtert. Oppositionelle misshandelt. Eine unabhängige Presse
würde zum Schweigen gebracht.
Aufrüstung
in Russland
Auch Russland unter der
Herrschaft von Putin stellt ein Bedrohungspotential dar, das in der
friedensbewegten Kritik nicht übersehen werden sollte. Wenn in den letzten
Jahren die Militärausgaben in Russland um 30 Prozent gestiegen sind, zugleich
aber im Bildungs- und Gesundheitsbereich auf Kosten der Bevölkerung gekürzt
wird, wenn Putin dann gleichzeitig den Westen für diese Aufrüstungsmaßnahmen
verantwortlich macht und damit russischen Nationalismus anheizt, wenn selbst
Atomwaffen in der Abschreckungs-Rhetorik verwendet werden, wenn Putin in
regelmäßigen Abständen die Gefechtsbereitschaft seiner Streitkräfte zelebriert
oder gar mit der menschenverachtenden Nuklearwaffen-Strategie droht, dann kann
es aus Sicht von friedensbewegten Menschen nicht unkommentiert bleiben. Die
Rebellen in der Ostukraine werden bekanntlich nicht mit den Mordwaffen vom Mond
her beliefert, sondern aus Russland.
Menschenrechtsverletzungen
in Russland heute
Das Schicksal von
Kremlkritikerinnen und Kremlkritikern hat mit der Ermordung von Boris Nemzow im
März 2015 eine Fortsetzung. Nemzow hatte zuvor die „unsinnige Aggression gegen
die Ukraine“ seitens der russischen Politik kritisiert und sprach sich vehement
für ein Ende des Krieges aus. Fakt ist, dass in Russland Oppositionelle immer
wieder bedroht und verfolgt werden. Erinnert sei auch an das Schicksal der
Journalistin Anna Politkowskaja.
Dialog
auf Basis von Aufrichtigkeit
Die Chance auf Frieden liegt
im Dialog zwischen den sich feindlich gesinnten Mächten, ja, auch im Dialog
zwischen Putin und Obama, Putin und Merkel usw. Dialogfähigkeit setzt aber auch
voraus, einen klaren eigenen Standpunkt zu haben. Die Strategie, Putin nicht zu
kritisieren, um einen Dialog zu ermöglichen, wird jedenfalls scheitern.
Friedensbewegte Kräfte machen sich unglaubwürdig, wenn stets nur die kriegstreibenden
Kräfte des Westens und ihre Handlanger in der ukrainischen Staatsmacht kritisiert
werden. Die friedenspolitische Zukunft Europas liegt in einer Ukraine, das als
Brücke zwischen Ost und West fungiert, einem Land, in der die ethnischen,
kulturellen und religiösen Unterschiede gleichberechtigt akzeptiert werden und
als Bereicherung in einer ukrainischer Nation gelebt und erfahren werden.
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