Kirche im kritischen Widerspruch zu
militärischer Gewalt
oder im Dienst der Legitimation von Militär?
oder im Dienst der Legitimation von Militär?
Zur Ernennung des neuen
Militärbischofs in Österreich
Verhängnisvolle Affäre wird
fortgesetzt
Am 12. April 2015 wurde bekannt, dass Militärgeneralvikar Werner Freistetter
Nachfolger des bisherigen Militärbischofs Christian Werner werden soll. Diese
Ernennung wurde von der Regierung am 14. April 2015 bestätigt. Christian Werner
hatte bereits Ende Oktober 2013 aus gesundheitlichen Gründen bei Papst
Franziskus seinen Rücktritt eingereicht. Werner Freistetter war als
Militärgeneralvikar auch zugleich Generalmajor im Österreichischen Bundesheer
und bekleidet damit eine der ranghöchsten militärischen Positionen.
Pazifistische Organisationen und Menschen aus dem Bereich der
Friedensbewegung sind der real-existierenden Militärseelsorge immer schon
kritisch gegenüber gestanden. Auch in der katholischen Kirche hofften viele, dass
eine neuerliche Ernennung eines eigenen Militärbischofs in Österreich nicht
mehr erfolgt und die Seelsorge für Bedienstete des Bundesheeres und deren
Familien bzw. für Rekruten ohne ein eigenes Militärordinariat geschieht. Die
Internationale der Kriegsdienstgegner/innen kritisiert die Militärseelsorge
seit 1957. Der Internationale Versöhnungsbund hat in dieser Frage bei seinem 100-jährigen
Jubiläumstreffen im Sommer 2014 in Konstanz dazu beraten und unterstützt die
„Ökumenische Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“.
Kirchliche Gremien und Kirchenvertreter, zahlreiche kirchliche Dokumente
und Erklärungen haben in den vergangenen Jahren appelliert, jegliche religiöse
Legitimierung von Kriegen zu unterlassen. Im Namen des christlichen Glaubens
darf kein Krieg mehr geführt werden. Religion und Krieg sind der größte
Widerspruch. Angesichts der Tatsache, dass so viele Kriege unter religiösen
Etikettierungen stattfinden, braucht es die unmissverständlichen Zeichen und
Signale: Kein Krieg, keine Legitimation zum Kriegführen, keine
Kriegsvorbereitungen im Namen des Christentums.
Viele Gründe würden dafür sprechen, dass in Österreich das eigenständige
Militärbistum wieder in ein Ordinariat umgestaltet wird, wie dies beispielsweise
in Deutschland gemacht wurde oder auch in Österreich bis 1986 üblich war. In
diesem Fall würde das Ordinariat von einem anderen Diözesanbischof zusätzlich
geleitet werden.
Pazifistische Anfänge des
Christentums und Abkehr vom urchristlichen Gewaltverzicht
Die Geschichte des Christentums begann mit einer klaren Position, dass
Frieden durch Gewaltverzicht, durch aktive Schritte der Entfeindung und durch Versöhnung
geschaffen werden kann. Das zählt zum Kern der jesuanischen Botschaft und des Lebens
Jesu, von der Wiege im Stall zu Betlehem bis zu seinem Tod am Kreuz. Diese
pazifistische Stoßrichtung blieb in der frühen Kirche bis zur Konstantinischen
Wende unwidersprochen. Mit dem ersten „christlichen“ Kaiser änderte sich die
offizielle Linie im Christentum: Indem es zur Staatsreligion wurde, war es nun
möglich, Christ und Soldat zugleich zu sein. Die Kirche selbst wurde über viele
Jahrhunderte zu einer kriegführenden Macht und immer wieder haben Bischöfe und
Päpste Kriegsgeschehen unterstützt – von den Eroberungsfeldzügen Kaiser Karls zu
den Kreuzzügen, über die Conquista und den Dreißigjährigen Krieg, selbst in den
beiden Weltkriegen wurde von den Kanzeln für eine Kriegsbeteiligung geredet,
wurden Waffen gesegnet und dem Schlachten ein kirchlicher Segen gegeben. Erzbischof
Kardinal Joseph Frings aus Köln (1887-1978) war einer der ersten, der die
Wiederaufrüstung Deutschlands forderte, womit auch die Basis für die deutsche
Rüstungsindustrie gelegt wurde, die heute zu den drittgrößten der Welt zählt.
Im Afghanistan-Krieg (2001) und im Libyen-Krieg waren Kirchenvertreter segnend
dabei. Das unmissverständliche Nein zu Krieg und militärischer Gewalt wurde
missachtet.
Diese Geschichte sollte eine Mahnung sein, dass sich die Kirchen nie
wieder vor den Karren der Militärs spannen lassen, sondern im Gegenteil im
jesuanischen Auftrag Sand im Getriebe der Militär- und Tötungsmaschinerien
sind. Mit Blick auf die Kriegsgebiete dieser Welt braucht es die Signale, dass ein
„Gotteskriegertum“ im Widerspruch zu dem religiösen Grundethos jeder Religion
zählt. Wenn ein Priester als Offizier und in der Uniform einer Armee auftritt,
die etwa im Kampf gegen islamistische Kräfte ist, wird es aus dem Blickfeld
dieser „bekämpften“ Richtung erscheinen, als sei das Christentum im Kampf gegen
den Islam. Diese Karte wird allzu oft von Terroristen bemüht.
Die Kernbotschaft der Bibel lautet, dass Gewalt nicht durch Gewalt zu
besiegen ist. Gott erweist sich in der jüdisch-christlichen Geschichte als der,
der stets den Frieden will, der nur durch Vergebung und Versöhnung geschaffen werden
kann. Gott verbietet in der Abrahamsgeschichte jedes Menschenopfer. Die
Propheten des Alten Bundes sind aufgestanden gegen die Pläne der Könige, sich
auf militärische Macht zu verlassen. Die Sehnsucht nach dem Messias war eine
Sehnsucht nach einem Frieden zwischen allen Völkern. Jesus predigte: „Wer zum
Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ In der Mitte seiner Botschaft
stand der Auftrag, die Feinde zu lieben, Gewalt nicht mit Gegengewalt zu
beantworten. Seine Nachfolger sendet er waffenlos „wie Schafe unter die Wölfe“
– nicht jedoch, damit sie von den Wölfen gefressen werden, sondern damit die
Wölfe zu ihren Freunden werden.
Geschichte und Struktur der
Militärseelsorge in Österreich
Die gegenwärtige Struktur der katholischen Militärseelsorge in
Österreich geht zum einen auf das Konkordat von 1933 und zum anderen auf die
Neuregelung aus dem Jahr 1989 (Spirituale militum curae) zurück. 1989 wurde das
bestehende Militärvikariat in Militärordinariat umbenannt. In dieser
Apostolischen Konstitution wurde das Militärordinariat den anderen Diözesen
juristisch gleichgestellt, wodurch dem Militärbischof sämtliche Rechte und
Pflichten eines Diözesanbischofs zukommen. Er gehört von Rechts wegen der
Österreichischen Bischofskonferenz an. In seine personale Jurisdiktion fallen
alle Präsenzdiener und Soldaten auf Dauer ihres Militärdienstes, aber auch
Familienangehörige von Soldaten. Zugleich bleiben Katholiken auch in der
Jurisdiktion ihrer Heimatdiözesen. Die Abhängigkeit zum Bundesministerium für
Landesverteidigung ist in vielen Bereichen sichtbar. So ist der
Militärgeneralvikar dem Ministerium „in allen nicht ausschließlich sein
geistliches Amt betreffenden Angelegenheiten gegenüber weisungsgebunden.“ Vom
Rang her ist er zugleich Generalmajor. Dies ist eine der höchsten Stellungen im
Militär. Auch die Militärdekanatsgeistlichen werden nach vorherigem
Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung durch den
Militärordinarius bestellt. Ebenso werden die Militärgeistlichen staatlich
ernannt. Die Besoldung erfolgt nach staatlichen Vorgaben.
Glaubwürdigkeit steht auf dem
Spiel
Zu Recht ist in der öffentlichen Debatte die Kirche stets präsent, wenn
sie an den Endpunkten menschlichen Lebens für den Lebensschutz eintritt. Dieses
„Du wirst nicht töten“-Gebot wird konsequent in der Frage der Abtreibung oder
der aktiven Sterbehilfe als kritisches Korrektiv in die Gesellschaft
eingebracht. Wenn es aber um die Frage militärischer Ausbildung und der
Legitimation militärischer Einrichtungen geht, dann scheint das Tötungsverbot
nicht mehr so ganz zuzutreffen. Signale in diese Richtung gibt es zuhauf.
Menschen, die ohnehin der Kirche kritisch oder ablehnend gegenüber
stehen, fühlen sich durch die Verquickung von Militär/Staat und Kirche in der
real-existierenden Gestalt der Militärseelsorge entweder in ihrer Kritik
bestätigt, oder sie adjustieren der Kirche eine Doppelmoral. In den letzten
Jahren war es immer wieder deutlich, wo sich nicht unwichtige Repräsentanten
der Militärseelsorge positionierten: So etwa ließ sich symbolisch bedeutsam
FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache von Militärseelsorger Siegfried Lochner in
der St.-Georgs-Kirche – der Bischofskirche der Militärdiözese – im Jahr 2009
firmen. Es war derselbe Firmspender, der zwei Jahre davor einen „Kult“ um den
Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter kritisierte und ihn in einer von
Andreas Mölzer herausgegebenen Zeitung (Zur Zeit) als ein „bedauernswertes
Opfer seines irrenden Gewissens“ bezeichnet hatte.
Historisch belastetes Erbe
Mit Blick auf das, was sich vor gut
80 Jahren in Österreich abspielte, mit Blick auf die Auslöschung des Parlaments
und die Errichtung des Ständestaates unter dem Segen der katholischen Kirche,
mit Blick auf die Absegnung des Austrofaschismus durch die katholische Kirche
in Österreich und mit Zustimmung des Vatikans, müsste es gerade in diesem Land
so viel Vorsicht geben gegenüber allem, was wie eine Verschmelzung von Kirche
und Staat-Militär aussieht. Engelbert Dollfuß verkündete seinen Plan zur
Abschaffung der Parteien am 12. September 1933 beim Katholikentag.
Trennung Kirche – Staat als
Notwendigkeit
Jesus von Nazaret ist aufgrund
seines Widerspruchs zum römischen Staat am Kreuz gestorben. Gekreuzigt wurde im
römischen Reich derjenige, der als Gefahr für den römischen Staat und seine
Truppen galt. In dieser Tradition stehen die vielen Märtyrer bis hin zu Franz
Jägerstätter. Eine Kirche, die sich vor den Karren der Militärs spannen lässt,
steht dieser Linie diametral gegenüber.
Militärseelsorge stammt aus einer
Zeit, in der Thron und Altar eng miteinander verbunden waren. Auch heute noch
sind Staat und Militär stets miteinander verflochten. Im demokratiepolitisch
besten Fall ist das Militär im Dienst eines Staates, im negativen Fall bestimmt
Militär einen Staat. Für das Verhältnis von Kirche-Staat bedeutet dies: Eine
Kirche, die sich nicht vom Militär abgrenzt, wird letztlich keine „freie
Kirche“ in einem Staat sein.
Pastorale Dienste bei den
Soldaten statt Sorge um das Militär
Die Militärdiözese ist die einzige Diözese, die nach einem kategorialen
Prinzip organisiert ist. Laut eigener Statistik würde sie 100.000
Bundesheerangehörige für sich verbuchen können. Allerdings muss gefragt werden,
ob nicht ein Großteil dieser Angehörigen – sofern sie überhaupt eine
Kirchenbindung haben – nicht ohnehin besser in die Gemeindestruktur ihrer
Heimatpfarren eingebunden ist. Auch Rekruten können beispielsweise nur bedingt
zur Militärdiözese gezählt werden, da sie – sofern kirchlich gebunden –
weiterhin in ihren Heimatpfarreien aktiv sein werden. Wenn beispielsweise im
Bereich der Militärdiözese pro Jahr an die 50 Taufen durchgeführt werden, so
ist dies ein Zeichen, dass es wohl schwer zu rechtfertigen ist, wenn für eine
so kleine Anzahl von Gläubigen ein Apparat von einem Bischof und drei
Bischofsvikaren, Generalvikaren etc. vorhanden ist. Hier drängt sich der
Verdacht auf, dass es nicht nur um Pastoral geht, sondern um andere Interessen,
nämlich dem militärischen Apparat eine besondere kirchliche Aufmerksamkeit zu
schenken.
Wie in Österreich vor 1986 und in fast allen Staaten dieser Welt könnte
die Seelsorge für Bundesheerangehörige und ihre Familien – sofern sie nicht
ohnehin im Rahmen der Gemeindepastoral geschieht – als Aufgabengebiet einem
Diözesanbischof zugefügt werden, so wie Bischof Manfred Bischof für die Caritas
ist oder der Bischof von Burgenland als Jugendbischof fungiert.
Wie der Terminus „Militärbischof“ oder „Militärseelsorge“ schon
definiert, geht es um die Sorge für „das Militär“ als staatliches System. Es
ist per definitionem kein „Soldatenbischof“ und keine „Soldatenseelsorge“ oder
eine katholische Seelsorge für Angehörige des Militärs, wie Befürworter der
geltenden Regelung der heimischen Militärdiözese behaupten. Mag sein, dass dies
auch tatsächlich gewollt ist, die Pastoral für jene Menschen, die im Bundesheer
arbeiten oder dort zwangsverpflichtet dienen müssen. Allerdings zeigen die
vergangenen Jahre, wie sehr es den Verantwortlichen der Militärdiözese immer
wieder darum ging, die Interessen des Systems Militär zu verteidigen bzw. wie
sehr es dem militärischen Establishment gelingt, die Kirche für sich zu
vereinnahmen. Die Einrichtungen der Militärseelsorge werden damit vom
Militärbischof angefangen bis zum Militärkaplan zur Werbung für das System
Militär und damit wird die Kirche zur Legitimation für eine bestimmte Form
gewaltsamer Konfliktlösung instrumentalisiert.
Eigenständiges Militärordinariat
als Stütze für das Militär
Wer sich die Predigten von Militärgeistlichen im Rahmen von Angelobungen
anhört, merkt, worauf die reale „Militärseelsorge“ zielt. Der soldatische
Dienst soll als religiöse Pflichterfüllung wahrgenommen werden. Da wird die
Unterordnung als Befolgung des vierten Gebotes stilisiert und selbst die
Opferbereitschaft mit Blick auf den Opfertod Jesu angepriesen. Junge Männer,
die als Wehrpflichtige ihren Dienst beginnen, unmittelbar bevor sie den Eid auf
die Republik Österreich leisten, mit der Waffe in der Hand Österreich zu
verteidigen, sollen so für ihren Dienst noch in einem religiösen Sinne gestärkt
werden.
Bedenklich ist die Tatsache, dass Seelsorger im Bereich des Bundesheeres
in Uniform, im Rang von Offizieren und im Sold des Bundesheeres auftreten. Dies
lässt eine notwendige Distanz zum militärischen System vermissen. Damit wird
eine Identifikation mit dem militärischen System ausgedrückt und gelebt. Wehrpflichtige
Rekruten begegnen ihren Seelsorgern im Militär als ranghöhere Vorgesetzte in
der militärischen Befehlshierarchie. Ein Vertrauensverhältnis lässt sich so
wohl nicht herstellen.
Das Militär erweist sich dafür gegenüber dem Militärordinariat durchaus
spendabel, wie beispielsweise die Finanzierung des Instituts „Religion und
Frieden“ zeigt, dessen Leitung Generalvikar Major Freistetter innehat.
Eine Kirche im Dienste der
Gewaltausübung
Jede Ausbildung zum Militärdienst schließt das Faktum ein, im Ernstfall
andere Menschen zu verletzen oder zu töten. Dafür werden Soldaten ausgebildet.
Wenn Priester nun in soldatische Uniformen schlüpfen, wenn der Talar mit einer
Camouflage-Uniform ausgetauscht wird, wenn militärische Ränge übernommen werden
und militärischer Sold bezogen wird, dann signalisiert die Kirche, dass sie mit
dieser Form der Konfliktbewältigung einverstanden ist.
In einer pazifistischen Sicht ist das Militär eine Institution, in der
es gilt, im Ernstfall mit Waffengewalt andere Menschen zu töten und Kriege zu
führen. Das Militär ist ein Instrument des Staates, das auf Befehl- und
Gehorsamsstruktur aufbaut. Ein Seelsorger in Uniform wird Teil dieses Systems
und verliert seine kritische Distanz. Der Militärgeistliche erfüllt oftmals die
Funktion, das Heer einsatzbereit zu halten. In Kriegszeiten stellt dies eine
besondere Problematik dar.
Die Vision: Eine Kirche des
Gewaltverzichts
Besonders junge Menschen möchten die Kirchen als authentische Orte
erfahren, wo unverstellt die Botschaft Jesu gelebt wird. Die Kritik, dass sich
selbst kirchliche Vertreter nicht an die jesuanischen Vorgaben halten würden,
wird letztlich dazu führen, dass sich noch mehr enttäuscht von der Kirche
abwenden.
Die Kirchen könnten hingegen für Wege der Zivilen Konfliktintervention
und des nichtmilitärischen Friedensaufbaus eintreten. Eine andere Militärseelsorge
– verstanden als Dienst an den Soldaten – bräuchte jedenfalls eine kritische
Distanz zum militärischen Establishment und kann nicht von Seelsorgern ausgeübt
werden, die vom Militär bezahlt werden und mit militärischen Rängen
ausgestattet wurden. Jeder Rekrut lernt beispielsweise gleich bei der
militärischen Grundausbildung, dass ein Militär-Seelsorger in einem ihm weit
höher stehenden Rang ist, dem er letztlich Gehorsam schuldet. Was es bräuchte,
wären Seelsorger für Präsenzdiener, mit denen sie auf einer vertrauensvollen
Basis ihre oftmaligen Gewissenszweifel und persönlichen Probleme austauschen
könnten, die gerade während dieser belastenden Zeit auftauchen. Solche
Gespräche könnten freilich auch in kirchlichen Räumen außerhalb der Kaserne
angeboten werden.
Klaus Heidegger, 14. April 2015
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