Olympia 2012 im Kriegszustand
Die Spiele in Olympia im antiken Griechenland waren zu Ehren
des Zeus, des Gottes des Kampfes. Die Olympischen Sommerspiele 2012 in London
haben mit Krieg zu tun. Augenscheinlich sind die Bilder: 17.200 Soldaten der britischen Streitkräfte wurden zum
Schutz abkommandiert. Vor der Tower Bridge
ist eines der größten Kriegsschiffe in der Themse vor Anker gegangen. Die
Typhoon-Kampfjets und Militärhubschrauber der Royal Air Force überwachen den Luftraum;
auf Hausdächern wurden rund um die olympischen Stätten Boden-Luft-Raketen in
Bereitschaft gebracht. Die neuesten Kriegsgeräte – wie die Drohnen – sollen zum
Einsatz kommen. Das als „friedlichste Spiel der Welt“ bezeichnete Megaevent
hat eine militärische Tarnfarbe
bekommen. Die 30. Olympischen Sommerspiele sind zu einem Militäreinsatz
geworden. Die Innere Sicherheit wird dem Militär anvertraut, die
demokratiepolitische Trennung von Militär und Innerer Sicherheit de facto
aufgehoben. Sport, der in den Bevölkerungen dieser Welt die größten Sympathien
besitzt, wird zur Rechtfertigung für den Ausnahmezustand.
Der britische Staat ist im Krieg: Noch immer sind 9.400
britische Soldaten im Kampfeinsatz in Afghanistan. Dies ist einer der Verwände
für gewalttätig-fundamentalistische Terrorgruppen, im Namen des Islams
Anschläge anzudrohen. Was wäre, wenn sich Großbritannien nicht immer wieder in
den vergangenen zwei Jahrzehnten, Seite an Seite mit den USA, Frankreich und
den Golfstaaten, an Kriegen beteiligt hätte: in den beiden Golfkriegen, im Krieg gegen
Gaddafi und seit 11 Jahren im Krieg gegen die Taliban in Afghanistan? Großbritannien wäre weniger ein
terroristisches Angriffsziel. Einige der
von der Front in Afghanistan heimgekehrten Soldaten werden nun sofort wieder
zum Einsatz im Heimatland abkommandiert.
Friedenspolitische und pazifistische Menschen werden sich
schwer tun, selbst wenn sie sportbegeistert sind, wie der Schreiber dieser
Zeilen, sich an Olympia 2012 zu freuen. Zu sehr sind diese Spiele verbunden mit
einer gigantischen Rechtfertigung für den militärisch-industriellen Komplex; unverantwortlich
groß ist auch der ökologische Fußabdruck. Olympia bedeutet insofern auch Krieg
gegen die Natur. Angesichts des kollabierenden Weltklimas, das diesen Sommer in
den zahlreichen wetterbedingten Katastrophen spürbar wird, angesichts des
Hungerelends in Afrika und der Flüchtlingsströme, angesichts der enormen
Ausgaben für Rüstung und Militär, wäre eine andere Politik gefordert.
Der beste Schutz vor Terroranschlägen würde darin liegen,
auf diese Art von sportlicher Gigantomanie zu verzichten. Dann bräuchte es
keinen Militäraufmarsch, um die Soft Targets von Olympioniken zu beschützen.
Die 11,3 Milliarden, die allein der britische Staat in die Spiele steckte,
fehlen für öffentliche Ausgaben im Sozial- und Bildungsbereich. Angesichts von
Wohnungsarmut ist es ein Hohn, wenn gigantische Sportanlagen nur für
zweiwöchige Spiele auf- und abgebaut werden. Doch ohne Olympischen Spiele
würden die weltweit größten Konzerne weniger Aufträge bekommen, würden die
Gewinne der Superreichen nicht noch mehr steigen und würde der militärisch-industrielle Komplex
weniger Rechtfertigungsansprüche stellen können. Olympia 2012 – Cui bono?
Dr. Klaus Heidegger, Kommission für Pazifismus und
Antimilitarismus von Pax Christi Österreich
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