Freitag, 13. Juli 2012

Militärintervention in Mali: der Colt sitzt locker


Der Colt sitzt locker: Internationale Militärintervention in Mali?
Fundamentalistische und gewalttätige Islamisten zerstören in Mali uralte Kulturgüter, die unter dem Schutz der UNESCO stehen. Der Norden Malis ist unter Kontrolle der neuen islamistischen Herrscher. Wer nicht gehorcht, wird massakriert. Die Situation erinnert an Afghanistan oder Somalia. Fast eine halbe Million Menschen sind auf der Flucht. Eine humanitäre Tragödie bahnt sich an. Die Regierung von Mali scheint ohnmächtig zu sein. Der in den USA militärisch ausgebildete Staatschef von Mali kam erst vor ein paar Monaten durch einen Militärputsch an die Macht. Und wieder überlegen nun US-Militärs den Einsatz ihrer Drohnen und drängt Frankreich auf eine militärische Intervention, noch lange bevor es einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates gibt. Implizit steht im Hintergrund: Responsibility to Protect (R2P) ohne UN-Mandatierung. Die Welt scheint sich daran gewöhnt zu haben. Ein militärisches R2P dürfte es aber laut UN-Vorgaben nur dann geben, wenn alle anderen Mittel ausgeschöpft wären, wenn es Aussicht auf Erfolg gäbe, wenn die zu erwartenden Verluste und Zerstörungen nicht unverhältnismäßig wären und wenn es ein entsprechendes Mandat seitens der UNO gäbe. Keines der Kriterien ist jedoch derweilen erfüllt worden. Es wäre Zeit, wenn die internationale Gemeinschaft mit allem Nachdruck zunächst die vielfältigen Methoden der nichtmilitärischen Konfliktintervention erwägen und ausführen würde, bevor auf den Einsatz der militärischen Mittel zurückgegriffen wird. In diesem Sinne kann die UN-Sicherheitsratsresolution 2056 (2012) interpretiert werden, die keine Mandatierung für eine Militärintervention vorsieht, sondern zu einer politischen Lösung drängt. Eine solche könnte beispielsweise eine Teilautonomie im Norden Malis sein, bei der die territoriale Integrität des Landes erhalten bliebe.
Militärinterventionen sollten – wenn überhaupt – stets an letzter Stelle stehen. Die vergangenen Jahrzehnte militärischer Interventionen – Irak, Afghanistan, Somalia, Libyen – haben gezeigt, dass mit militärischer Einmischung von außen kein Staat und kein Frieden zu machen sind, dass jedoch damit stets unendlich viel menschliches Leid, Zerstörung und Vergeudung von Ressourcen verknüpft sind. Frankreich ist aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit und seiner Interessen in der Region zu militärischer Zurückhaltung verpflichtet. Eine französisch-amerikanisch dominierte Intervention würde den islamistischen Kräften und den Tuareg-Rebellen nur neuen Vorwand für ihre terroristischen Aktivitäten geben.
Auch Libyen ist kein Beispiel für eine gelungene Intervention von außen angesichts von 30.000 Opfer des Kampfes um die Macht in Libyen, einem bis heute tief gespaltenen Land, das stets am Rande eines neuerlichen Bürgerkriegs steht, und einer immer noch zerstörten Infrastruktur. Die Tausenden traumatisierten Tuareg-Kämpfer, die auf Seiten Gaddafis gekämpft hatten und nach dem Machtwechsel aus Libyen in den Norden Malis geflohen sind, führen nun ihren Krieg in einem anderen Land weiter. Gewalt gebiert neue Gewalt. Aus der Gewalt führt nur der Weg der Gewaltfreiheit.
Dr. Klaus Heidegger, Kommission für Pazifismus und Antimilitarismus von Pax Christi Österreich

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen