Der Colt sitzt
locker: Internationale Militärintervention in Mali?
Fundamentalistische und gewalttätige Islamisten zerstören in
Mali uralte Kulturgüter, die unter dem Schutz der UNESCO stehen. Der Norden
Malis ist unter Kontrolle der neuen islamistischen Herrscher. Wer nicht
gehorcht, wird massakriert. Die Situation erinnert an Afghanistan oder Somalia.
Fast eine halbe Million Menschen sind auf der Flucht. Eine humanitäre Tragödie
bahnt sich an. Die Regierung von Mali scheint ohnmächtig zu sein. Der in den
USA militärisch ausgebildete Staatschef von Mali kam erst vor ein paar Monaten
durch einen Militärputsch an die Macht. Und wieder überlegen nun US-Militärs
den Einsatz ihrer Drohnen und drängt Frankreich auf eine militärische
Intervention, noch lange bevor es einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates gibt.
Implizit steht im Hintergrund: Responsibility to Protect (R2P) ohne
UN-Mandatierung. Die Welt scheint sich daran gewöhnt zu haben. Ein
militärisches R2P dürfte es aber laut UN-Vorgaben nur dann geben, wenn alle anderen
Mittel ausgeschöpft wären, wenn es Aussicht auf Erfolg gäbe, wenn die zu
erwartenden Verluste und Zerstörungen nicht unverhältnismäßig wären und wenn es
ein entsprechendes Mandat seitens der UNO gäbe. Keines der Kriterien ist jedoch
derweilen erfüllt worden. Es wäre Zeit, wenn die internationale Gemeinschaft
mit allem Nachdruck zunächst die vielfältigen Methoden der nichtmilitärischen
Konfliktintervention erwägen und ausführen würde, bevor auf den Einsatz der
militärischen Mittel zurückgegriffen wird. In diesem Sinne kann die
UN-Sicherheitsratsresolution 2056 (2012) interpretiert werden, die keine Mandatierung
für eine Militärintervention vorsieht, sondern zu einer politischen Lösung
drängt. Eine solche könnte beispielsweise eine Teilautonomie im Norden Malis
sein, bei der die territoriale Integrität des Landes erhalten bliebe.
Militärinterventionen sollten – wenn überhaupt – stets an
letzter Stelle stehen. Die vergangenen Jahrzehnte militärischer Interventionen –
Irak, Afghanistan, Somalia, Libyen – haben gezeigt, dass mit militärischer
Einmischung von außen kein Staat und kein Frieden zu machen sind, dass jedoch damit
stets unendlich viel menschliches Leid, Zerstörung und Vergeudung von
Ressourcen verknüpft sind. Frankreich ist aufgrund seiner kolonialen
Vergangenheit und seiner Interessen in der Region zu militärischer
Zurückhaltung verpflichtet. Eine französisch-amerikanisch dominierte Intervention
würde den islamistischen Kräften und den Tuareg-Rebellen nur neuen Vorwand für
ihre terroristischen Aktivitäten geben.
Auch Libyen ist kein Beispiel für eine gelungene
Intervention von außen angesichts von 30.000 Opfer des Kampfes um die Macht in
Libyen, einem bis heute tief gespaltenen Land, das stets am Rande eines
neuerlichen Bürgerkriegs steht, und einer immer noch zerstörten Infrastruktur. Die
Tausenden traumatisierten Tuareg-Kämpfer, die auf Seiten Gaddafis gekämpft
hatten und nach dem Machtwechsel aus Libyen in den Norden Malis geflohen sind,
führen nun ihren Krieg in einem anderen Land weiter. Gewalt gebiert neue
Gewalt. Aus der Gewalt führt nur der Weg der Gewaltfreiheit.
Dr. Klaus Heidegger, Kommission für Pazifismus und
Antimilitarismus von Pax Christi Österreich
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