Samstag, 5. September 2015

Widerwärtige Politshow von HC Strache als ORF-Sommergespräch



Widerwärtige Politshow von HC Strache als ORF-Sommergespräch
Wieder bot der ORF dem FPÖ-Parteichef Sendezeit, um seine bekannten Diffamierungen, Unterstellungen und Halbwahrheiten unters Volk zu bringen. Die erste Hälfte war geprägt von dem freiheitlichen Stehsatz: Die Ausländer, die Zuwanderung … sie sind schuld an Arbeitslosigkeit, hohen Mieten, schlechten Arbeitsbedingungen etc. HC Strache stellt nicht die Frage, wer die Wirtschaft lenkt. Er spielt das permanente Spiel der Opfer-Täter-Umkehr. Ausländische Arbeitskräfte, die weit unter dem Existenzminimum angestellt werden, sind die Täter – sie nehmen Arbeitsplätze für „Inländer“ weg. „Rechtskräftig“ – ein Lieblingswort Straches in dieser Sendung – zur Abschiebung verurteilte Flüchtlinge sind die Täter, weil sie bei einer Abschiebung andere Fluggäste stören könnten. Strategisch geschickt vermittelt Strache die Botschaft, als sei ein Großteil der Flüchtlinge Wirtschaftsflüchtlinge, die kein Recht hätten, um Asyl anzusuchen. Er untermauert es mit Zahlen: 70 Prozent hätten kein Recht auf Asyl in Österreich. War Strache jemals zu Besuch in Traiskirchen oder einem der Flüchtlingsheime? Liest er keine der täglichen Berichte über die Flüchtlingsschicksale. Flüchtlinge, die Opfer von Krieg, Elend und Hunger sind, werden in Straches Denkschema zu den Tätern. HC Strache stilisiert sich auch selbst als Opfer mit dem kryptischen Hinweis, wie oft er selbst Morddrohungen erhalten würde. Auch hier sind die Täter gleich ausgemacht: Die Gefahr komme von islamischer Seite. Seine Tochter würde wohl nie einen Muslim heiraten, weil sie ja tolerant und freiheitsliebend sei. Auf gemein-sublime Weise wird eine Religionsgemeinschaft attackiert. Zum Höhepunkt der politischen Dummheit zählte die Negation der Tatsache, dass die durch menschliches Tun verursachten Emissionen zu einer massiven Klimaveränderung beitragen. Strache nahm dabei seine Umweltsprecherin Susanne Winter in Schutz, die erst neulich im Parlament mit kruden Thesen den Klimawandel leugnete. Mit Blick auf Kanada stellte Strache nun das Kyoto-Protokoll in Frage, weil es der österreichischen Wirtschaft schade. Dies alles geschieht einige Wochen vor der Klimakonferenz in Paris, geschieht nachdem die Auswirkungen des Klimwandels in Gestalt der Hitzeperioden selbst in Österreich wohl genügend spürbar gewesen sind. Würde Strache den Klimwandel nicht leugnen bzw. verharmlosen, hätte er wohl auch dafür die Ausländer und Flüchtlinge verantwortlich gemacht.
Klaus Heidegger, 18. 8. 2015

Widersprüchliche Rhetorik in der Flüchtlingsthematik in Österreich



Widersprüchliche Rhetorik in der Flüchtlingsthematik in Österreich
Jeder Politiker und jede Politikerin wird in diesem Sommer mit der Flüchtlingsfrage konfrontiert. Die Freiheitlichen Österreichs mit ihrem FP-Obmann Jörg Haider nützen das Ausmaß der Flüchtlingstragödien, um mit simplen und unmenschlichen Parolen gegen die Aufnahme von Asylwerbern und für deren Abschiebung Stimmung zu machen. Die freiheitlichen Rechtspopulisten reden von „Scheinasylanten“, fordern Grenzzäune und militärische Flüchtlingsabwehr und eine konsequente Abschiebepraxis. Glaubt man den jüngsten Meinungsumfragen, so wird diese Position in der österreichischen Bevölkerung mehrheitlich unterstützt, wie sonst wäre in der „Sonntagsfrage“ (profil, 23.8.2015) die FPÖ inzwischen vor den beiden regierenden Parteien.
Auch der ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wurde im ORF-Sommergespräch (24.8.2015) um seine Positionierung gefragt. Zum einen, und hier vertritt der ÖVP-Obmann durchaus den Standpunkt der Kirchen oder humanitärer Organisationen, dürfen flüchtende Menschen nicht wie „Material“ behandelt werden. Dies sei eine „Schande“. Man bräuchte sich vor diesem Problem auch nicht zu fürchten, beruhigte Mitterlehner. Dann spielte er im Interview die Lösungskompetenz vor allem den Gemeinden zu, die sich um die Aufnahme von Flüchtlingen kümmern sollten. Kritisch äußerte sich Mitterlehner gegenüber dem ungarischen Grenzzaun und den Forderungen nach einem Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze.
Da gibt es aber auch die andere Seite bei Mitterlehner: Er spricht vom „Schutz der Außengrenzen“ und vom Kampf gegen die Schlepper, zwei Maßnahmen, die als Junktim gesehen werden müssen, denn je dichter die EU-Festungsmauern, desto mehr sind Flüchtende auf Fluchthelfer angewiesen. Die Forderung nach Schutz der Außengrenzen entspricht durchaus Stellungnahmen anderer ÖVP-Minister, etwa jener von Außenminister Kurz und seinem 5-Punkte-Programm. Auch er verlangt letztlich ein konsequentes Einhalten der Dublin-Verordnungen und einen stärkeren „Schutz“ der Außengrenzen , was in der realen Situation gegen die Interessen der Flüchtenden ist und zu noch mehr gefährlichen und tödlichen Fluchtversuchen führen wird.
Die Frage bleibt, wie Mitterlehner seine flüchtlingsfreundlichen Anliegen innerhalb seines Einflussbereiches in der Regierung wirklich umsetzen möchte. Wo bleibt seine Kritik über die menschenunwürdigen Zustände in Traiskirchen?
Auch die Positionierung innerhalb der Sozialdemokratie ist in sich widersprüchlich. Wenn Bundeskanzler Faymann ein Einhalten der Dublin-III-Verordnungen und einen besseren Schutz der EU-Außengrenzen einmahnt, dann hat dies mit einer Solidarität gegenüber den Flüchtenden nichts zu tun. Im Gegenteil. Seine Forderung nach einer Quote zur besseren Verteilung der Flüchtlinge im EU-Raum ist zwar sinnvoll, kann aber auch eine gefährliche „Das-Boot-ist-voll“-Stimmung in Österreich stärken. Manche SP-Politiker geraten in die Nähe von rechtspopulistischen Forderungen – so Darabos in seiner Kritik am Durchgriffsrecht oder Niessl und seinem Vorschlag nach einem Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze und einer Erhöhung der Abschiebequote. Das mag nicht so schlimm sein als die Push-back-Aktionen der spanischen Guardia Civil in den Enklaven Ceuta und Melilla, geht aber in die gleiche Richtung.
Was es bräuchte, ist eine Asyl- und Aufenthaltspolitik, die von den Menschenrechten ausgeht, denen die Dublin-Verordnungen untergeordnet sind. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt und hätte noch so viele Kapazitäten, um Menschen, die Schutz und Hilfe brauchen, menschenwürdige Flüchtlingsunterkünfte zu bieten. Bund und Länder sollten dafür die nötigen Mittel bereitstellen. Ein Staat, der Milliarden in letztlich fragwürdige Großprojekte wie den Brennerbasistunnel steckt, könnte für Flüchtlinge mehr Mittel bereit stellen. Statt permanent die EU-Außengrenzen noch undurchlässiger zu machen, bräuchte es die Möglichkeit der sicheren und legalen Einreise nach Europa, etwa durch humanitäre Visa.
Gleichzeitig stimmt es, wenn gefordert wird, an den Fluchtursachen anzusetzen, was vor allem bedeutet: Die Kriege und bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien, dem Irak, in Afghanistan, in Somalia und Eritrea zu stoppen. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte zeigt, dass dazu militärische Interventionen von außen nur noch mehr Elend und Zerstörung mit sich bringen. Wenn Umweltminister Andrä Rupprechter beim Forum Alpbach sich für den Einsatz von Bodentruppen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien und Nordafrika ausspricht (24.8.2015), so soll dies nicht unwidersprochen bleiben. Im Kampf gegen den IS gibt es auch nicht-militärische Strategien. Sie würden bedeuten: Die Waffen- und Geldflüsse für die Terrormilizen zu stoppen. Ohne Ölgeschäfte hätten die verbrecherischen Milizen kein Geld für ihre Waffenkäufe, ohne Waffenhändler keine Waffen. Unter dem Mandat der Vereinten Nationen müssten Schutzzonen für bedrohte Bevölkerungsgruppen eingerichtet werden. Dazu wären auch bestens bewaffnete internationale Polizeieinheiten vorstellbar. Durch besseren Grenzschutz soll auch verhindert werden, dass immer neue Kämpfer für den IS rekrutiert werden. Für all diese Maßnahmen braucht es internationale Friedenskonferenzen unter der Führung der Vereinten Nationen und vor allem mit starker Beteiligung der Arabischen Staaten.
Klaus Heidegger, 25.8.2015

Militärschläge gegen den IS sind Öl ins Feuer



Militärschläge gegen den IS sind Öl ins Feuer
Heinz Niederleitner teilt im „Tiroler Sonntag“ vom 3.9.2015 die oftmals genannte Forderung, „mit militärischer Gewalt die IS-Terroristen niederzuringen“. Damit wird in der „Kirchenzeitung“ eine Position vertreten, die gerade angesichts der Flüchtlingskrise mehr und mehr auf Zustimmung stößt. Der militärische Kampf gegen die „Mörderbanden des Islamischen Staates“ solle aufgenommen werden, so der Chefredakteur der Tiroler Tageszeitung (28.8.2015). Österreich solle sich dabei beteiligen. Ebenso hat Bundesminister Andrä Rupprechter schon mehrfach von der Notwendigkeit von Bodentruppen gesprochen. Etwas vorsichtiger doch in die gleiche Richtung positionierte sich Außenminister Sebastian Kurz. Angesichts der furchtbaren Tragödien auf den Fluchtrouten über den Balkan wie über das Mittelmeer soll die Hauptursache für die Flüchtlingsbewegungen, die Kriege im Nahen Osten und in Afrika, mit militärischen Mitteln angepackt werden. Krieg dem Krieg. Waffen gegen Waffen. Militär gegen Militär.
Ignoriert wird dabei die Tatsache, dass es gerade die Folgeerscheinungen militärischer Interventionen sind, die zur totalen Destabilisierung in den Kriegsgebieten geführt haben. In Afghanistan und im Irak haben die USA und ihre Verbündeten jahrzehntelang versucht, mit militärischen Mitteln wieder Ordnung herzustellen. Bürgerkriege sind die Folge. Ähnlich auch in Libyen. Nach den Militärinterventionen des Westens in Libyen versinkt dieser Staat gegenwärtig in einem blutigen Krieg zwischen drei militärischen Blöcken. Seit einem Jahr bombardieren US-Kampfflugzeuge Ziele im Irak und in Syrien. Der IS wurde dadurch kaum geschwächt, sondern erhält neue ideologische Aufmunitionierung und fühlt sich in seiner widersinnigen Logik, mit äußerster Gewalt gegen die „Ungläubigen“ vorzugehen, noch bestärkt.
Wenn der IS materiell und ideologisch ausgehungert würde, wenn alle Staaten dieser Welt Waffenlieferungen an die Terrormilizen verhindern würden, wenn keine Geldgeschäfte – etwa durch Ölkäufe – mit dem IS gemacht würden, dann könnte die militärische Kraft der IS-Milizen gebrochen werden. Wenn sich unter der Ägide der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga anerkannte Persönlichkeiten für politisch-diplomatische Lösungen einsetzen würden, dann könnte auch in diesen Regionen Frieden entstehen, und kein Mensch wäre mehr gezwungen, seine geliebte Heimat zu verlassen.
Dr. Klaus Heidegger

Die Bibel, die Kirchen und die Flüchtlingskrise



Die Bibel, die Kirchen und die Flüchtlingskrise

Kirchen auf Seiten der Flüchtlinge
Im Sommer 2015, als sich die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer und entlang der Westbalkanroute mehrten, als die Regierenden der europäischen Länder mit der Fülle an Flüchtlingen nicht mehr zurechtkamen, als einige Länder begannen, mehr und mehr Zäune und Mauern zu bauen und Grenzen gegenüber den Flüchtenden zu errichten, in dieser Zeit standen kirchliche Vertreter eindeutig auf Seiten der Flüchtlinge. Schon seit seinem Amtsantritt hat Papst Franziskus seine Solidarität mit den Flüchtlingen kund getan. Symbolisch war sein erster „Auslandsbesuch“ auf der Insel Lampedusa. Kardinal Schönborn meinte angesichts der Flüchtlingstragödie von Parndorf, dass es einen „sehr ernsten Test“ gebe, ob in Österreich das christliche Erbe noch lebe. Viele Bischöfe und Kirchenvertreter nahmen die Forderungen ihrer diakonischen Einrichtungen auf. Es brauche legale Wege der Einreise für Flüchtlinge, um so das Schlepperwesen auszutrocknen. Es blieb aber nicht nur bei Worten. Caritas und Diakonie stehen ganz vorne in der Betreuung von Asylwerbern und Flüchtlingen und erweisen sich als Experten in der humanen Aufnahme von Flüchtlingen. Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften öffnen ihre Türen.

Fluchtgeschichten als biblisches Grundmotiv
Flucht- und Migrationsgeschichten durchziehen die biblischen Schriften wie ein roter Faden. Im Mythos von Adam und Eva müssen beide nach dem Sündenfall ihr Paradies verlassen. Es ist Gott, der sie auf dieser Flucht schützt und ihnen eine sichere Bleibe außerhalb des Paradieses zusichert. Als Kain flüchten muss, bekommt er von Gott ein Zeichen, damit er nicht umgebracht werde. Im Mythos von der Urflut kann sich Noach mit seiner Familie und der Tierwelt vor dem ökologischen Untergang retten. Und dann kommt es mit Abraham zur Gründungsgeschichte der drei abrahamitischen Religionen. „Als über das Land eine Hungersnot kam, zog Abram nach Ägypten hinab, um dort zu bleiben; denn die Hungersnot lastete schwer auf dem Land.“ (Gen 12,10) Aus dieser Perspektive sind Abraham und seine Sippe Hungerflüchtlinge. Doch selbst unter seinen Nachkommen kommt es zum tödlichen Konflikt. Hagar nimmt ihren Sohn Ismael und flüchtet. Wieder ist es Gott, der den Schrei der Flüchtenden hört und rettend eingreift, ihnen sogar verspricht, sie zu einem großen Volk zu machen. Viktor Orbáns Stacheldrähte gab es in der biblischen Welt noch nicht, auch nicht für die unmittelbaren Nachfahren von Jakob und Rebekka. Sie finden zunächst eine sichere Aufnahme im Land Ägypten: „Josef ging also hin, berichtete dem Pharao und sagte: Mein Vater und meine Brüder sind mit ihren Schafen, Ziegen und Rindern und mit allem, was ihnen gehört, aus Kanaan gekommen. Sie sind bereits in Goschen. Der Pharao fragte Josefs Brüder: Womit beschäftigt ihr euch? Sie antworteten dem Pharao: Hirten von Schafen und Ziegen sind deine Knechte; wir sind es, und unsere Väter waren es auch schon. Weiters sagten sie zum Pharao: Wir sind gekommen, um uns als Fremde im Land aufzuhalten. Es gibt ja keine Weide für das Vieh deiner Knechte, denn schwer lastet die Hungersnot auf Kanaan. Nun möchten sich deine Knechte in Goschen niederlassen.“ (Gen 47,1-4). Mose selbst wird zum Politflüchtling und findet Aufnahme im fremden Land Midian. „Eines Tages ging Mose zu seinen Brüdern hinaus und schaute ihnen bei der Fronarbeit zu. Da sah er, wie ein Ägypter einen Hebräer erschlug, einen seiner Stammesbrüder. Mose sah sich nach allen Seiten um, und als er sah, daß sonst niemand da war, erschlug er den Ägypter und verscharrte ihn im Sand. ... Der Pharao hörte von diesem Vorfall und wollte Mose töten; Mose aber entkam ihm. Er wollte in Midian bleiben ...“ (Ex 2,11ff) Von Beginn an stellt sich JAHWE, der Gott Israels, als Freund der Flüchtlinge und Fremden vor und erinnert sein Volk an die eigenen Erfahrungen. Das spiegelt sich in den Gesetzesvorschriften des Volkes Israel wider: „Wenn bei dir ein Fremder in eurem Lande lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten, und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen. Ich bin der Herr, euer Gott." (Lev 19,33f) Noomi flieht aus einer Notsituation ins Land Moab. Dort heiraten ihre Söhne Moabiterinnen. Eine von ihnen, Rut, wird die Stammmutter von David, aus dessen Geschlecht Jesus selbst stammt. Die Propheten und Prophetinnen treten dann auf, wenn diese Option für die Fremden und Flüchtlinge von den Herrschenden missachtet wird: „Das Wort des Herrn an den Propheten Jeremia: Denn nur wenn ihr ernsthaft eure Wege und eure Werke bessert, wenn ihr wirklich untereinander Recht schafft, wenn ihr Fremdlinge, Witwen und Waisen nicht bedrückt ..., dann will ich mit wohnen an diesem Ort ..." (Jer 7,5-7) „Wort Gottes an Israel durch Vermittlung des Propheten Maleachi: ‚Dann komme ich zu euch zum Gerichte und werde als ein überraschender Kläger auftreten .... gegen die, die den Fremdling abweisen ..." (Mal 3,5) Im Matthäusevangelium wird der neugeborene Jesus mit seiner Mutter und seiner Vater selbst ein Politflüchtling. Kein Sperrzaun verhindert ihre Einreise nach Ägypten. Auf Schlepper waren sie nicht angewiesen. Damals. In der zentralen Rede Jesu über das Weltgericht identifiziert sich der Messias mit den Flüchtlingen: "Ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich aufgenommen. ... Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan ... Weg von mir, ihr Verfluchten ... denn ich war fremd und obdachlos, und ihr habt mich nicht aufgenommen. Was ihr für einen meiner geringsten Brüder nicht getan habt, das habt ihr mir nicht  getan." (Mt 25) Der Auferstandene wird, so die Emmauserzählung, von den beiden Jüngern im Fremden, der aus der Stadt flieht, wiedererkannt. Schließlich wird in der neutestamentlichen Briefliteratur die Gastfreundschaft als zentraler Wert definiert: "Vergesst nicht die Gastfreundschaft; durch sie haben einige, ohne es zu ahnen, Engel beherbergt." (Hebr 13,2)

Verkündigung der biblischen Botschaft der Gast- und Flüchtlingsfreundschaft
In vielen Ansprachen und Hirtenworten haben seither die Kirchenleitungen diese Botschaft weiter verkündet: "Für Gott gibt es keine Ausländer und Fremde. Gott liebt alle Menschen. Wir brauchen keine Angst zu haben, dass wir zu kurz kommen. Wir dürfen aber auch nicht andere ausgrenzen. Wer sich zum Glauben bekennt, kann nicht gleichzeitig aussperrende Mauern errichten, wenn Menschen unsere Hilfe brauchen." So sprach der damalige Bischof der Diözese Linz, Maximilian Aichern, an die Adresse jener Menschen gerichtet, die bereits vor 20 Jahren Mauern und Stacheldrähte im Kopf hatten. Der verstorbene Kardinal Franz König meinte: „Mehr als jede weltliche Gesellschaft muss sich eine religiöse Gemeinschaft am Umgang mit dem Fremden messen lassen. Denn sie selbst leitet ja ihren Anspruch von der Begegnung mit dem ‚Ganz-Anderen, dem Transzendenten, dem Absolut-Fremden‘ ab. Gott begegnet uns sinnenhaft im Fremden, das uns übersteigt und oft den Weg in die Zukunft weist. Gott, der Fremde, ruft uns immer wieder..."

Das Kirchenvolk – auf welcher Seite?
Flüchtlinge scheitern an einem Europa, das sich als das christliche definiert. In Österreich schwingt der Parteiobmann der FPÖ, Heinz-Christian Strache, das Kreuz, predigt das „christliche Abendland“ und zugleich fordert er stärkere und effizientere Flüchtlingsabwehr. Es scheint, dass eine größer werdende Zahl von Katholiken und Katholikinnen auf dem Weg von der Kirche ins Wahllokal die Botschaft der Bibel aus den Augen verloren. Andere hingegen, und das ist das Evangelium, die frohe Botschaft im Jetzt, ergreifen den Kairos, engagieren sich für Flüchtlinge, demonstrieren „refugees welcome“, sind bereit zu teilen, ohne Angst, etwas vom eigenen Überfluss zu verlieren.

Klaus Heidegger

Donnerstag, 4. Juni 2015

Fronleichnam 2015



Die andere Fronleichnamsprozession
Es war der 4. Juni 2015. Dieser Tag wird in der Geschichte der burgenländischen Marktgemeinde unvergesslich bleiben. Es war der Tag nach dem burgenländischen Tabubruch, dem Verrat an dem sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität, einem Verrat, der auch von den Spitzen der heimischen Parteiführung zur Kenntnis genommen worden war. An diesem katholischen Festtag war vieles anders. Der Pfarrgemeinderat hatte sich am Tag nach den Wahlergebnissen vom Sonntag in einer Art außerordentlicher Sitzung zusammen gefunden und beraten, wie die diesjährige Fronleichnamsprozession ihrem tiefsten Kern entsprechen könnte. Würde Jesus in diesen Ort kommen, würde er durch die schmucken Straßen gehen, würde er selbst mit den Menschen reden, was wäre dann wohl?
An den Straßen standen viele Menschen. Die Kurhotels waren an diesem verlängerten Wochenende ausgebucht. Viele konnten den Zwickeltag für einen Kurzurlaub nutzen und nun standen sie am Straßenrand in der Erwartung eines farbenfrohen Spektakels, zufrieden nach dem reichen Angebot an den Frühstücksbuffets.
Am auffälligsten bei dieser Prozession war diesmal wohl die Mitte. Die Monstranz, in der das Allerheiligste mitgetragen wurde, war nicht jene aus dem 16. Jahrhundert, ein schweres goldenes Ding, wohl das kostbarste Kunstwerk des Ortes. Diesmal trug der Pfarrer ein hölzernes Kreuz, in dessen Mitte eine Öffnung für die große Hostie war. Das Holz war verwittert. Es war in der heimischen Tischlerei aus den Brettern von einem alten Bewachungsturm an der nahen Grenze gezimmert worden. Die Symbolik war klar. Dieser Jesus passt einfach nicht in das Gold, das in der damaligen Zeit den lateinamerikanischen Völkern geraubt worden war, eine Geschichte, die mit Genozid und Ausbeutung verknüpft werden muss. Heute ist Gold jenes Material mit dem wohl größten ökologischen Fußabdruck. Die Lebensgrundlagen der Indigenen am Amazonas werden auch heute noch des Goldes wegen zerstört; in den Goldminen in Afrika schuften Kinder und gefährden ihr Leben. Ein wenig erinnerte die diesjährige Holzmonstranz auch an die Schiffsplanken von Flüchtlingsbooten, die an die Küsten von Lampedusa, Malta oder Sizilien geschwemmt werden. Diese Assoziation lag auch nahe.
So anders waren die Himmelträger. Links vorne ging Ahmed. In der juridischen Fachsprache ist er ein UMF – ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling. Sein Heimatdorf liegt heute dort, wo der Islamische Staat die Kontrolle hat. Seine Eltern konnten nicht fliehen. Sein Vater wurde von einer Bombe zerfetzt, seine Mutter dürfte mit seinen Geschwistern in einem Flüchtlingslager in Jordanien sein. Ahmed lebt heute wie der andere Himmelträger im Pfarrhof. Er muss mit seinen 16 Jahren nicht fürchten, abgeschoben zu werden. Er könnte eine leidvolle Geschichte der Flucht über den griechisch-türkischen Grenzfluss Evros erzählen. Er hatte es geschafft – und schließlich kam er an dem verwitterten Grenzturm vorbei über die Grüne Grenze ins Burgenland. Anders aber der Somali rechts von ihm, der sich bemüht, die Stange des Himmels im Lot zu halten. Er kam über das Mittelmeer. Als Dublin-III-Flüchtling hat er Angst, nach Italien abgeschoben zu werden. In der Zib-2-sprach am Tag zuvor die Innenministerin von der Notwendigkeit, Dublin-Flüchtlinge schneller abzuschieben. Dieser Somali rechts vorne Himmel tragend hat allerdings einen Schutzengel. Der Pfarrer hatte bereits zugesichert, ihm in diesem Fall Kirchenasyl anzubieten. In der Sakristei war für alle Fälle schon eine Notschlafstelle eingerichtet. Die beiden hinteren Himmelträger waren im Ort gut bekannt. Es war ein Vertreter der heimischen Roma und die Pfarrgemeinderatsobfrau in burgenländischer Tracht.
Vorbei ging die Prozession an FPÖ-Wahlplakaten, die absichtlich oder unabsichtlich noch nicht weggeräumt worden waren. „Heimvorteil für Burgenländer“ hieß es da. Hinter dem Himmel zogen Jugendliche der Pfarre ein Holzboot auf einem Anhänger. Mit weißer Schrift stand auf den Holzplanken: „Das Boot ist nicht voll“. Bunt gemischt folgte das Volk, unter ihnen auch Flüchtlinge aus dem nahen Flüchtlingsheim und Roma aus der Siedlung am Rand des Dorfes. Die Abordnungen des Dorfes hatten wie immer ihre Trachten, die Musikkapelle spielte, ein Bursch trug eine Regenbogenfahne mit.
5:00 morgens. Böllerschüsse in meinem Heimatdorf wecken mich. Ich hatte von einer Fronleichnamsprozession geträumt, die so anders sein könnte.
Klaus Heidegger, Fronleichnam,
4. Juni 2015