Widersprüchliche Rhetorik in
der Flüchtlingsthematik in Österreich
Jeder Politiker und jede
Politikerin wird in diesem Sommer mit der Flüchtlingsfrage konfrontiert. Die
Freiheitlichen Österreichs mit ihrem FP-Obmann Jörg Haider nützen das Ausmaß
der Flüchtlingstragödien, um mit simplen und unmenschlichen Parolen gegen die
Aufnahme von Asylwerbern und für deren Abschiebung Stimmung zu machen. Die
freiheitlichen Rechtspopulisten reden von „Scheinasylanten“, fordern Grenzzäune
und militärische Flüchtlingsabwehr und eine konsequente Abschiebepraxis. Glaubt
man den jüngsten Meinungsumfragen, so wird diese Position in der
österreichischen Bevölkerung mehrheitlich unterstützt, wie sonst wäre in der
„Sonntagsfrage“ (profil, 23.8.2015) die FPÖ inzwischen vor den beiden
regierenden Parteien.
Auch der ÖVP-Chef und
Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wurde im ORF-Sommergespräch (24.8.2015) um
seine Positionierung gefragt. Zum einen, und hier vertritt der ÖVP-Obmann
durchaus den Standpunkt der Kirchen oder humanitärer Organisationen, dürfen
flüchtende Menschen nicht wie „Material“ behandelt werden. Dies sei eine
„Schande“. Man bräuchte sich vor diesem Problem auch nicht zu fürchten, beruhigte
Mitterlehner. Dann spielte er im Interview die Lösungskompetenz vor allem den
Gemeinden zu, die sich um die Aufnahme von Flüchtlingen kümmern sollten.
Kritisch äußerte sich Mitterlehner gegenüber dem ungarischen Grenzzaun und den
Forderungen nach einem Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze.
Da gibt es aber auch die
andere Seite bei Mitterlehner: Er spricht vom „Schutz der Außengrenzen“ und vom
Kampf gegen die Schlepper, zwei Maßnahmen, die als Junktim gesehen werden
müssen, denn je dichter die EU-Festungsmauern, desto mehr sind Flüchtende auf
Fluchthelfer angewiesen. Die Forderung nach Schutz der Außengrenzen entspricht
durchaus Stellungnahmen anderer ÖVP-Minister, etwa jener von Außenminister Kurz
und seinem 5-Punkte-Programm. Auch er verlangt letztlich ein konsequentes
Einhalten der Dublin-Verordnungen und einen stärkeren „Schutz“ der Außengrenzen
, was in der realen Situation gegen die Interessen der Flüchtenden ist und zu
noch mehr gefährlichen und tödlichen Fluchtversuchen führen wird.
Die Frage bleibt, wie
Mitterlehner seine flüchtlingsfreundlichen Anliegen innerhalb seines
Einflussbereiches in der Regierung wirklich umsetzen möchte. Wo bleibt seine
Kritik über die menschenunwürdigen Zustände in Traiskirchen?
Auch die Positionierung innerhalb
der Sozialdemokratie ist in sich widersprüchlich. Wenn Bundeskanzler Faymann
ein Einhalten der Dublin-III-Verordnungen und einen besseren Schutz der
EU-Außengrenzen einmahnt, dann hat dies mit einer Solidarität gegenüber den
Flüchtenden nichts zu tun. Im Gegenteil. Seine Forderung nach einer Quote zur
besseren Verteilung der Flüchtlinge im EU-Raum ist zwar sinnvoll, kann aber
auch eine gefährliche „Das-Boot-ist-voll“-Stimmung in Österreich stärken. Manche
SP-Politiker geraten in die Nähe von rechtspopulistischen Forderungen – so
Darabos in seiner Kritik am Durchgriffsrecht oder Niessl und seinem Vorschlag
nach einem Assistenzeinsatz des Bundesheeres an der Grenze und einer Erhöhung
der Abschiebequote. Das mag nicht so schlimm sein als die Push-back-Aktionen
der spanischen Guardia Civil in den Enklaven Ceuta und Melilla, geht aber in
die gleiche Richtung.
Was es bräuchte, ist eine
Asyl- und Aufenthaltspolitik, die von den Menschenrechten ausgeht, denen die Dublin-Verordnungen
untergeordnet sind. Österreich ist eines der reichsten Länder der Welt und
hätte noch so viele Kapazitäten, um Menschen, die Schutz und Hilfe brauchen,
menschenwürdige Flüchtlingsunterkünfte zu bieten. Bund und Länder sollten dafür
die nötigen Mittel bereitstellen. Ein Staat, der Milliarden in letztlich
fragwürdige Großprojekte wie den Brennerbasistunnel steckt, könnte für
Flüchtlinge mehr Mittel bereit stellen. Statt permanent die EU-Außengrenzen
noch undurchlässiger zu machen, bräuchte es die Möglichkeit der sicheren und legalen
Einreise nach Europa, etwa durch humanitäre Visa.
Gleichzeitig stimmt es, wenn
gefordert wird, an den Fluchtursachen anzusetzen, was vor allem bedeutet: Die
Kriege und bewaffneten Auseinandersetzungen in Syrien, dem Irak, in
Afghanistan, in Somalia und Eritrea zu stoppen. Die Erfahrung der letzten
Jahrzehnte zeigt, dass dazu militärische Interventionen von außen nur noch mehr
Elend und Zerstörung mit sich bringen. Wenn Umweltminister Andrä Rupprechter
beim Forum Alpbach sich für den Einsatz von Bodentruppen gegen die Terrormiliz
Islamischer Staat in Syrien und Nordafrika ausspricht (24.8.2015), so soll dies
nicht unwidersprochen bleiben. Im Kampf gegen den IS gibt es auch
nicht-militärische Strategien. Sie würden bedeuten: Die Waffen- und Geldflüsse
für die Terrormilizen zu stoppen. Ohne Ölgeschäfte hätten die verbrecherischen
Milizen kein Geld für ihre Waffenkäufe, ohne Waffenhändler keine Waffen. Unter
dem Mandat der Vereinten Nationen müssten Schutzzonen für bedrohte
Bevölkerungsgruppen eingerichtet werden. Dazu wären auch bestens bewaffnete
internationale Polizeieinheiten vorstellbar. Durch besseren Grenzschutz soll
auch verhindert werden, dass immer neue Kämpfer für den IS rekrutiert werden.
Für all diese Maßnahmen braucht es internationale Friedenskonferenzen unter der
Führung der Vereinten Nationen und vor allem mit starker Beteiligung der
Arabischen Staaten.
Klaus Heidegger, 25.8.2015
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen