Absam, 23. Jänner 2015
Lieber Bruder Papst Franziskus!
Ich weiß, dass Sie, Bischof von Rom, nie diesen Brief
erhalten werden. Dennoch schreibe ich. Vor allem tue ich es für meine Schüler
und Schülerinnen an einem katholischen Privatgymnasium, die mich in den
vergangenen Tagen gleich mehrfach fragten, was ich denn nun von Ihren beiden
jüngsten Äußerungen halten würde. Ihre Aussagen haben es bis in die Diskussionen
der Jugendlichen gebracht. Dass Papstworte von 15- bis 18-Jährigen aufgegriffen
werden, ist in der Tat bedenkenswert.
Da war zunächst Ihre saloppe Äußerung auf der Reise auf die
Philippinen, die als Kritik gegenüber den „Charlie Hebdo“-Karikaturen gedacht
war. „Wenn Dr. Gasbarri, mein lieber
Freund, meine Mutter beleidigt, erwartet ihn ein Faustschlag. Denn man kann den
Glauben der anderen nicht herausfordern, beleidigen oder lächerlich machen."
Sie haben diese Worte zudem unterstrichen mit einem angedeuteten Faustschlag
ins Gesicht. Diese Worte und entsprechende Gestik passen für mich so gar nicht
in Ihre bisherige Botschaft. „Das ist NICHT Papst Franziskus“, hatte ich mir
auch zunächst gedacht, als ich diese Worte hörte. Das steht so diametral zu den
Worten der Bergpredigt „wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann
halte ihm auch die linke hin“. Wenn es ein Spaß war, so ist er wohl danebengegangen.
Kirchenkritiker finden darin ein gefundenes Fressen. Im „profil“ hieß es gar
auf der Titelseite, dass Sie dem Terror Vorschub leisten würden und Verständnis
dafür haben würden, wenn religiöse Beleidigungen mit Gewalt beantwortet würden.
Ich weiß, dass dies eine völlig überzogene Kritik ist. Es ist so offensichtlich
absurd, dass gerade Sie so dargestellt werden, als hätten Sie irgendeine
Sympathie für die Mörder von Paris. Gerade deswegen aber wünsche ich mir so
schnell wie möglich Worte von Ihnen, die den päpstlichen Faustschlag-Sager
auflösen können. Auf Beleidigungen und Schmähungen mit Gewalt zu reagieren, ist
im Widerspruch zu allen Religionen. Das Apostolische Schreiben „Evangelii
Gaudium“ zählt zu meinen Lieblingslektüren. Darin haben Sie, lieber Papst, auch
die paulinische Warnung aus dem Römerbrief aufgenommen, „leiste dem, der euch
etwas Böses antut, keinen Widerstand“, (Röm 12,21, EG Nr. 101) und entsprechend
schlagen Sie als Evangelisierungsstrategie vor, besonders für die Feinde zu
beten. Ich finde eine analoge Formulierung auch im Koran, wo als angemessene
Reaktion auf Schmähungen gesagt wird: „In dem euch offenbarten Buch gebietet Er
euch: Wenn ihr hört, dass Menschen Seine Zeichen verleugnen und über sie
spotten, dann sollt ihr euch solange nicht zu ihnen setzen, bis sie über etwas
anderes reden. Tut ihr das nicht, so gleicht ihr ihnen.“ Keine Schmähung, keine
Beleidigung, keine Blasphemie rechtfertigen irgendeine Gewalt. Das sind Worte,
die ich mir von einem Papst erwarte. Ein Faustschlag, das ist klar, ist keine
Kalaschnikow. Entschieden haben Sie ohnehin das Töten von Menschen immer wieder
verurteilt. Dafür bin ich dankbar. Sie haben als Papst aufgezeigt, wo die
wirkliche Blasphemie, die Verhöhnung Gottes liegt. Nicht in irgendwelchen
geschmacklosen bis vulgären Karikaturen, sondern dass die größte Beleidigung
Gottes darin besteht, dass durch unsere Wirtschaftsstrukturen und die Haltung
von Geiz und Gier Millionen Menschen in Armut und Elend leben müssen.
Nun komme ich zum zweiten Sager von
Ihnen, den Sie bei Ihrem Rückflug von den Philippinen gemacht haben. Der
Einfachheit halber nenne ich ihn den päpstlichen „Karnickel-Sager“. So werden
Sie zitiert: „Manche Menschen glauben – entschuldigen Sie den Ausdruck -, dass
sich gute Katholiken wie Karnickel vermehren müssen“. Ich bin Ihnen dankbar,
dass Sie klar von der „verantwortungsbewussten Elternschaft“ gesprochen haben
und davon, dass es viele von der Kirche erlaubte Methoden der
Empfängnisverhütung gäbe. Warum nur, so fragen mich aber nun wieder meine
Schüler und Schülerinnen, will Papst Franziskus weiterhin Pille und Kondom
unter ein generelles Verbot stellen. Jugendliche erkennen gleich, dass dieses
Verbot im Widerspruch zu einer „verantwortungsbewussten“ Beziehung stehen kann.
Ich bin froh, dass ich ihnen mit Rückbezug auf die Lehre der Kirche die
Priorität der Gewissensentscheidung buchstabieren kann. Auch hierzulande ist
die Zahl der Abtreibungen so unsäglich hoch – und hier gibt es ja den großen
kirchlichen Konsens, dass dies eine tiefe Wunde in unseren Gesellschaften ist.
Die Ursache liegt genau darin, dass in vielen Fällen zu wenig Pille oder/und
Kondom Verwendung finden. Als Lehrer bin ich geradezu verpflichtet, Jugendliche
darauf hinzuweisen, welche Folgen ungeschützter Verkehr haben kann – nicht nur
um ungewollte Schwangerschaften auszuschließen, sondern auch in Bezug auf
Geschlechtskrankheiten und insbesondere im Hinblick auf HIV.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Heidegger, Religionslehrer
P.s.: Zwei Wochen später, 7.2.2015.
Ich hatte den Brief schon abgeschlossen.
Ein offener Brief. Ein Kritiker aus Wien meinte dazu, ich würde Ihnen mit
meinen Zeilen „in den Rücken fallen“. Diese Kritik tat weh. Nicht nur, weil ich
sie als völlig unqualifiziert empfinde, sondern auch, weil sie bewusst meine
Solidarität mit Ihnen in Abrede stellt, die ich in meinem Brief ebenfalls
formuliert habe.
Nun aber gibt es da ein weiteres
Zitat von Ihnen, das ganz schwer verdaulich ist. Ich bin nicht alleine mit
meiner Kritik an Ihrer Äußerung bei der letzten Generalaudienz. So wurden Sie
zitiert. Ein Vater habe Ihnen einst erzählt, „ich muss meine Kinder manchmal
hauen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen“ „Wie schön“, haben
Sie dazu gesagt, „er kennt den Sinn der Würde, er muss aber bestrafen, er macht
es aber gerecht und geht dann weiter.“ Die katholischen Kinderorganisationen
und der katholische Familienverband haben dazu eindeutig gesagt, nichts – gar nichts
– rechtfertige körperliche Züchtigung. Gewalt in der Erziehung muss in jedem
Fall unterlassen werden. Wäre ich zynisch, müsste ich hinzufügen: Zumindest
haben Sie nicht mehr von einem Faustschlag gesprochen.
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