Samstag, 7. Februar 2015

Kritische Papstäußerungen über Gewalt und Empfängnisverhütung



Absam, 23. Jänner 2015
Lieber Bruder Papst Franziskus!
Ich weiß, dass Sie, Bischof von Rom, nie diesen Brief erhalten werden. Dennoch schreibe ich. Vor allem tue ich es für meine Schüler und Schülerinnen an einem katholischen Privatgymnasium, die mich in den vergangenen Tagen gleich mehrfach fragten, was ich denn nun von Ihren beiden jüngsten Äußerungen halten würde. Ihre Aussagen haben es bis in die Diskussionen der Jugendlichen gebracht. Dass Papstworte von 15- bis 18-Jährigen aufgegriffen werden, ist in der Tat bedenkenswert.
Da war zunächst Ihre saloppe Äußerung auf der Reise auf die Philippinen, die als Kritik gegenüber den „Charlie Hebdo“-Karikaturen gedacht war. „Wenn Dr. Gasbarri, mein lieber Freund, meine Mutter beleidigt, erwartet ihn ein Faustschlag. Denn man kann den Glauben der anderen nicht herausfordern, beleidigen oder lächerlich machen." Sie haben diese Worte zudem unterstrichen mit einem angedeuteten Faustschlag ins Gesicht. Diese Worte und entsprechende Gestik passen für mich so gar nicht in Ihre bisherige Botschaft. „Das ist NICHT Papst Franziskus“, hatte ich mir auch zunächst gedacht, als ich diese Worte hörte. Das steht so diametral zu den Worten der Bergpredigt „wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die linke hin“. Wenn es ein Spaß war, so ist er wohl danebengegangen. Kirchenkritiker finden darin ein gefundenes Fressen. Im „profil“ hieß es gar auf der Titelseite, dass Sie dem Terror Vorschub leisten würden und Verständnis dafür haben würden, wenn religiöse Beleidigungen mit Gewalt beantwortet würden. Ich weiß, dass dies eine völlig überzogene Kritik ist. Es ist so offensichtlich absurd, dass gerade Sie so dargestellt werden, als hätten Sie irgendeine Sympathie für die Mörder von Paris. Gerade deswegen aber wünsche ich mir so schnell wie möglich Worte von Ihnen, die den päpstlichen Faustschlag-Sager auflösen können. Auf Beleidigungen und Schmähungen mit Gewalt zu reagieren, ist im Widerspruch zu allen Religionen. Das Apostolische Schreiben „Evangelii Gaudium“ zählt zu meinen Lieblingslektüren. Darin haben Sie, lieber Papst, auch die paulinische Warnung aus dem Römerbrief aufgenommen, „leiste dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand“, (Röm 12,21, EG Nr. 101) und entsprechend schlagen Sie als Evangelisierungsstrategie vor, besonders für die Feinde zu beten. Ich finde eine analoge Formulierung auch im Koran, wo als angemessene Reaktion auf Schmähungen gesagt wird: „In dem euch offenbarten Buch gebietet Er euch: Wenn ihr hört, dass Menschen Seine Zeichen verleugnen und über sie spotten, dann sollt ihr euch solange nicht zu ihnen setzen, bis sie über etwas anderes reden. Tut ihr das nicht, so gleicht ihr ihnen.“ Keine Schmähung, keine Beleidigung, keine Blasphemie rechtfertigen irgendeine Gewalt. Das sind Worte, die ich mir von einem Papst erwarte. Ein Faustschlag, das ist klar, ist keine Kalaschnikow. Entschieden haben Sie ohnehin das Töten von Menschen immer wieder verurteilt. Dafür bin ich dankbar. Sie haben als Papst aufgezeigt, wo die wirkliche Blasphemie, die Verhöhnung Gottes liegt. Nicht in irgendwelchen geschmacklosen bis vulgären Karikaturen, sondern dass die größte Beleidigung Gottes darin besteht, dass durch unsere Wirtschaftsstrukturen und die Haltung von Geiz und Gier Millionen Menschen in Armut und Elend leben müssen.
Nun komme ich zum zweiten Sager von Ihnen, den Sie bei Ihrem Rückflug von den Philippinen gemacht haben. Der Einfachheit halber nenne ich ihn den päpstlichen „Karnickel-Sager“. So werden Sie zitiert: „Manche Menschen glauben – entschuldigen Sie den Ausdruck -, dass sich gute Katholiken wie Karnickel vermehren müssen“. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie klar von der „verantwortungsbewussten Elternschaft“ gesprochen haben und davon, dass es viele von der Kirche erlaubte Methoden der Empfängnisverhütung gäbe. Warum nur, so fragen mich aber nun wieder meine Schüler und Schülerinnen, will Papst Franziskus weiterhin Pille und Kondom unter ein generelles Verbot stellen. Jugendliche erkennen gleich, dass dieses Verbot im Widerspruch zu einer „verantwortungsbewussten“ Beziehung stehen kann. Ich bin froh, dass ich ihnen mit Rückbezug auf die Lehre der Kirche die Priorität der Gewissensentscheidung buchstabieren kann. Auch hierzulande ist die Zahl der Abtreibungen so unsäglich hoch – und hier gibt es ja den großen kirchlichen Konsens, dass dies eine tiefe Wunde in unseren Gesellschaften ist. Die Ursache liegt genau darin, dass in vielen Fällen zu wenig Pille oder/und Kondom Verwendung finden. Als Lehrer bin ich geradezu verpflichtet, Jugendliche darauf hinzuweisen, welche Folgen ungeschützter Verkehr haben kann – nicht nur um ungewollte Schwangerschaften auszuschließen, sondern auch in Bezug auf Geschlechtskrankheiten und insbesondere im Hinblick auf HIV.
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Heidegger, Religionslehrer
P.s.: Zwei Wochen später, 7.2.2015.
Ich hatte den Brief schon abgeschlossen. Ein offener Brief. Ein Kritiker aus Wien meinte dazu, ich würde Ihnen mit meinen Zeilen „in den Rücken fallen“. Diese Kritik tat weh. Nicht nur, weil ich sie als völlig unqualifiziert empfinde, sondern auch, weil sie bewusst meine Solidarität mit Ihnen in Abrede stellt, die ich in meinem Brief ebenfalls formuliert habe.
Nun aber gibt es da ein weiteres Zitat von Ihnen, das ganz schwer verdaulich ist. Ich bin nicht alleine mit meiner Kritik an Ihrer Äußerung bei der letzten Generalaudienz. So wurden Sie zitiert. Ein Vater habe Ihnen einst erzählt, „ich muss meine Kinder manchmal hauen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen“ „Wie schön“, haben Sie dazu gesagt, „er kennt den Sinn der Würde, er muss aber bestrafen, er macht es aber gerecht und geht dann weiter.“ Die katholischen Kinderorganisationen und der katholische Familienverband haben dazu eindeutig gesagt, nichts – gar nichts – rechtfertige körperliche Züchtigung. Gewalt in der Erziehung muss in jedem Fall unterlassen werden. Wäre ich zynisch, müsste ich hinzufügen: Zumindest haben Sie nicht mehr von einem Faustschlag gesprochen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen