Interstellar, Christkönigssonntag
und die Herrschaft des Neuen, oder: Lemminge auf vier Rädern
Christkönigssonntag 2014: Benzin- und Dieseljunkies
hinterlassen ihre Spuren der Zerstörung. Für kurze Zeit entfliehe ich in die
Höhe hinauf zur Hinterhornalm. In der Inntalfurche liegt in diesen
Novembertagen die bekannte Smogdecke. Tausende leben in dem Giftcocktail aus
den Auspuffen – Stickoxide, Blei und andere Staube fressen sich in den Lungen
fest, schwächen vor allem Kinder und alte Menschen. Lärm macht die Menschen
krank. Doch die Show must go on. Auch an diesem Wochenende stauen sich autofahrende
Sportler, um im Ziller-, Stubai-, Ötz-, Pitz- oder Kaunertal auf die Gletscher
zu kommen. Die Parkplätze vor den Einkaufszentren sind voll. Der Himmel ist
durchfurcht von Flugzeugen. Kerosin verbrennt tonnenweise. Die herrschende Wirtschaft
boomt. Die Ölkonzerne streifen ihre Gewinne ein. Letzte Ölressourcen werden
angezapft. Einige tausend Kilometer südlich: Der spanische Erdölkonzern Repsol
ignoriert alle Gefahren und beginnt mit den Offshore-Bohrungen vor den
Kanarischen Inseln. Einsam ist ein Greenpeace-Boot zwischen den Riesenschiffen
von Rapsol. Es wurde gekentert. Wer denkt schon an die verletzten
Greenpeace-Aktivisten, wenn er oder sie den Zündschlüssel dreht oder sein
High-Tech-„Schlüssel“ in High-Tech-Armaturenbrett steckt, an die Gefährdung der
Arktis durch neue Ölbohrungen. Die Intelligenz vieler Autofahrer reicht eben
nicht bis zum Klimakollaps und jeder und jede hat zig Ausreden parat, warum er
oder sie unbedingt mit dem Auto fahren muss. Die Tausenden Gründe, doch auf
eine Autofahrt zu verzichten, werden verdrängt. In den Händen der Ölindustrie
stirbt unser Planet – und die Masse der Menschen gleicht dem Zug der Lemminge
in den Abgrund.
Die Christen feiern das Ende des Kirchenjahres und damit Christkönigssonntag.
Der Kern dieses Festes: Jesus Christus wird diese Welt und mit ihr die
Menschheit retten. Wie hohl ist doch dieser Glaube geworden! Die kollektiven
Massen glauben – sofern ein Glaube überhaupt reflektiert wird – mehr an die
Zerstörung dieses Planeten.
Der neue Blockbuster „Interstellar“ beginnt mit den Sätzen: „Wir
sind besorgt über unseren Planeten. Nichts in unserem Sonnensystem kann uns
noch retten!“ Coop, der heroische Raumfahrer, bringt die No-future-Stimmung wie
folgt auf den Punkt: „Es ist nicht unser Schicksal, die Welt zu retten, sondern
sie zu verlassen.“ Der Defätismus vieler Zeitgenossen angesichts von
Klimaveränderung und ökologischen Katstrophen ist der geistige Hintergrund dieses
Filmes. Die planetare Katastrophe, so die Analyse zu Beginn dies Filmopus, werde
verursacht durch 6 Milliarden Menschen, von denen jeder nur an sich denke. Christopher
Nolan sieht den Retter des zerstörten Planeten Erde nicht in einem Christus,
sondern in Gestalt des Raumfahrers Cooper, der durch ein Wurmloch schießt, um
dort einen Planeten zu finden, der als Ersatz für die verlorene Erde dienen
kann. Es versteht sich von selbst, dass diese Mission verknüpft ist mit dem
US-amerikanischen Weltrettungspathos.
Interstellar hat aber – wenn die äußere Rahmenhandlung von
Weltraumfahrten, Schwarzen Löchern und negativer Energie weggelassen wird – in
der Tiefe eine bleibende Kernbotschaft, die doch zum Christkönigsfest passt. Es
ist letztlich die väterliche Liebe von Cooper zu seiner Tochter, in der das
ganze Erlösungspotenzial steckt. Letztlich will Regisseur Christopher Nolan die
Kinobesucher mit einer großen Portion Hoffnung entlassen: Menschliche Liebe und
Beziehungsfähigkeit sind stets stärker als die Monströsitäten dieser Welt.
Anders als in Interstellar wird die Wiederkunft Christi jedoch nicht verlagert
in eine ferne Zukunft auf einen fernen Planeten. Das Weltgericht, das Matthäus
im 25. Kapitel seines Evangeliums beschreibt, ist ein Gericht, das im Hier und Jetzt
stattfindet. Es ist eben nicht egal, wie ein Mensch handelt. Wichtigster
Maßstab ist dabei – so das Evangelium – die Sorge um jene, die in Not sind als
Arme, Kranke, Obdachlose oder Hungrige. Nie geht es um eine Flucht aus dieser
Welt, sondern um jenen Himmel, der hier auf Erden stets Gestalt annehmen will.
Das Wurmloch, das es dabei zu überwinden gilt, ist der eigene Egoismus und die
Angst, selbst zu kurz zu kommen. Da müssen wir durch, um die Freiheit des
Evangeliums zu entdecken, die stets eine Freiheit für andere ist. Wir brauchen
dazu keine Raumanzüge und keine Raumschiffe. Und noch ein skandalöser
Unterschied besteht: Die Krone des Christkönigs ist kein Raumfahrerhelm,
sondern es bleibt die paradoxe Dornenkrone eines Mannes, der gerade durch seine
Ohnmacht die Mächtigen dieser Welt entmachtet hat.
Advent steht vor der Tür. Vielleicht doch ein Neubeginn? Die
Katholische Jugend Oberösterreich propagiert an diesem Wochenende unter dem
Motto "Wir FAIRdrehen die Welt!" eine andere Haltung. Sie entspricht
dem Evangelium vom Christkönigssonntag. Diese unsere Welt lässt sich jetzt
schon fair-ändern, dass sie mehr und mehr ein Reich der Gerechtigkeit und des
Friedens wird, ein Ort, in der ein gutes Leben für alle möglich sein wird. Für
unsere Erde gibt es eben keinen Planeten B.
Klaus Heidegger, 22. Nov. 2014
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