Samstag, 22. November 2014

Christkönigssonntag und Interstellar



Interstellar, Christkönigssonntag und die Herrschaft des Neuen, oder: Lemminge auf vier Rädern
Christkönigssonntag 2014: Benzin- und Dieseljunkies hinterlassen ihre Spuren der Zerstörung. Für kurze Zeit entfliehe ich in die Höhe hinauf zur Hinterhornalm. In der Inntalfurche liegt in diesen Novembertagen die bekannte Smogdecke. Tausende leben in dem Giftcocktail aus den Auspuffen – Stickoxide, Blei und andere Staube fressen sich in den Lungen fest, schwächen vor allem Kinder und alte Menschen. Lärm macht die Menschen krank. Doch die Show must go on. Auch an diesem Wochenende stauen sich autofahrende Sportler, um im Ziller-, Stubai-, Ötz-, Pitz- oder Kaunertal auf die Gletscher zu kommen. Die Parkplätze vor den Einkaufszentren sind voll. Der Himmel ist durchfurcht von Flugzeugen. Kerosin verbrennt tonnenweise. Die herrschende Wirtschaft boomt. Die Ölkonzerne streifen ihre Gewinne ein. Letzte Ölressourcen werden angezapft. Einige tausend Kilometer südlich: Der spanische Erdölkonzern Repsol ignoriert alle Gefahren und beginnt mit den Offshore-Bohrungen vor den Kanarischen Inseln. Einsam ist ein Greenpeace-Boot zwischen den Riesenschiffen von Rapsol. Es wurde gekentert. Wer denkt schon an die verletzten Greenpeace-Aktivisten, wenn er oder sie den Zündschlüssel dreht oder sein High-Tech-„Schlüssel“ in High-Tech-Armaturenbrett steckt, an die Gefährdung der Arktis durch neue Ölbohrungen. Die Intelligenz vieler Autofahrer reicht eben nicht bis zum Klimakollaps und jeder und jede hat zig Ausreden parat, warum er oder sie unbedingt mit dem Auto fahren muss. Die Tausenden Gründe, doch auf eine Autofahrt zu verzichten, werden verdrängt. In den Händen der Ölindustrie stirbt unser Planet – und die Masse der Menschen gleicht dem Zug der Lemminge in den Abgrund.
Die Christen feiern das Ende des Kirchenjahres und damit Christkönigssonntag. Der Kern dieses Festes: Jesus Christus wird diese Welt und mit ihr die Menschheit retten. Wie hohl ist doch dieser Glaube geworden! Die kollektiven Massen glauben – sofern ein Glaube überhaupt reflektiert wird – mehr an die Zerstörung dieses Planeten.
Der neue Blockbuster „Interstellar“ beginnt mit den Sätzen: „Wir sind besorgt über unseren Planeten. Nichts in unserem Sonnensystem kann uns noch retten!“ Coop, der heroische Raumfahrer, bringt die No-future-Stimmung wie folgt auf den Punkt: „Es ist nicht unser Schicksal, die Welt zu retten, sondern sie zu verlassen.“ Der Defätismus vieler Zeitgenossen angesichts von Klimaveränderung und ökologischen Katstrophen ist der geistige Hintergrund dieses Filmes. Die planetare Katastrophe, so die Analyse zu Beginn dies Filmopus, werde verursacht durch 6 Milliarden Menschen, von denen jeder nur an sich denke. Christopher Nolan sieht den Retter des zerstörten Planeten Erde nicht in einem Christus, sondern in Gestalt des Raumfahrers Cooper, der durch ein Wurmloch schießt, um dort einen Planeten zu finden, der als Ersatz für die verlorene Erde dienen kann. Es versteht sich von selbst, dass diese Mission verknüpft ist mit dem US-amerikanischen Weltrettungspathos.
Interstellar hat aber – wenn die äußere Rahmenhandlung von Weltraumfahrten, Schwarzen Löchern und negativer Energie weggelassen wird – in der Tiefe eine bleibende Kernbotschaft, die doch zum Christkönigsfest passt. Es ist letztlich die väterliche Liebe von Cooper zu seiner Tochter, in der das ganze Erlösungspotenzial steckt. Letztlich will Regisseur Christopher Nolan die Kinobesucher mit einer großen Portion Hoffnung entlassen: Menschliche Liebe und Beziehungsfähigkeit sind stets stärker als die Monströsitäten dieser Welt. Anders als in Interstellar wird die Wiederkunft Christi jedoch nicht verlagert in eine ferne Zukunft auf einen fernen Planeten. Das Weltgericht, das Matthäus im 25. Kapitel seines Evangeliums beschreibt, ist ein Gericht, das im Hier und Jetzt stattfindet. Es ist eben nicht egal, wie ein Mensch handelt. Wichtigster Maßstab ist dabei – so das Evangelium – die Sorge um jene, die in Not sind als Arme, Kranke, Obdachlose oder Hungrige. Nie geht es um eine Flucht aus dieser Welt, sondern um jenen Himmel, der hier auf Erden stets Gestalt annehmen will. Das Wurmloch, das es dabei zu überwinden gilt, ist der eigene Egoismus und die Angst, selbst zu kurz zu kommen. Da müssen wir durch, um die Freiheit des Evangeliums zu entdecken, die stets eine Freiheit für andere ist. Wir brauchen dazu keine Raumanzüge und keine Raumschiffe. Und noch ein skandalöser Unterschied besteht: Die Krone des Christkönigs ist kein Raumfahrerhelm, sondern es bleibt die paradoxe Dornenkrone eines Mannes, der gerade durch seine Ohnmacht die Mächtigen dieser Welt entmachtet hat.
Advent steht vor der Tür. Vielleicht doch ein Neubeginn? Die Katholische Jugend Oberösterreich propagiert an diesem Wochenende unter dem Motto "Wir FAIRdrehen die Welt!" eine andere Haltung. Sie entspricht dem Evangelium vom Christkönigssonntag. Diese unsere Welt lässt sich jetzt schon fair-ändern, dass sie mehr und mehr ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens wird, ein Ort, in der ein gutes Leben für alle möglich sein wird. Für unsere Erde gibt es eben keinen Planeten B.
Klaus Heidegger, 22. Nov. 2014

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