Zur Infobroschüre der Salzburger Landesregierung über
die Volksbefragung zu Wehrpflicht
Kommentar von Klaus Heidegger
Pax Christi Österreich – Kommission Pazifismus/Antimilitarismus
24.11.2012
Im ersten Teil der Infobroschüre werden sachlich-nüchtern Fakten über beide Modelle
aufgelistet. Dabei werden bewusst analysierende Hinweise vermieden.
1)
In der Frage
des bezahlten Sozialdienstes geht die Broschüre noch von der älteren
Version aus: Sozialminister Hundstorfer hat inzwischen das Kontingent auf 8000
bezahlte Sozialdienste erhöht.
2)
Es fällt in
diesem Vergleich auf, wie wenig Unterschied letztlich in der Frage der
Größe des Heeres und der Einsatzbereitschaft zwischen beiden Modellen besteht:
a.
Beide gehen
von einer Gesamtmobilisierungsstärke von 55.000 Mann aus.
b.
Beide geben
ein ähnliches Kontingent für den Katastrophenschutz vor: 12.500 Personen (Profis,
... BMLV-Modell) bzw. als Vergleichszahl
11.300 SoldatInnen, die beim bisher größten Katastropheneinsatz in
Österreich (Hochwasser, 2002) zum Einsatz kamen. Interessant ist sicherlich die
erwähnte Tatsache, dass es im Land Salzburg 17.000 Einsatzkäfte aus dem zivilen
Bereich gibt, während lediglich 200-600 Grundwehrdiener abkommandiert werden
könnten. Dieser Vergleich zeigt, wie letztlich unbedeutend die Einsatzfähigkeit
mit Grundwehrdienern bei einem Katastrophenfall ist.
c.
Beide halten an
der Aufgabenstellung des Heeres für Katastrophenfälle bzw. Auslandseinsätze
fest.
3)
Deutlich wird
dennoch, dass nicht nur zwei sich ähnelnde Systeme des Militärs zur Abstimmung
stehen, sondern dass der entscheidende Punkt der Abstimmung die Frage ist, ob mit
oder ohne Wehrpflicht das künftige Wehrsystem gestaltet sein soll.
Im zweiten Teil werden je 33 Meinungen zu beiden Modellen angeführt.
Einige kritische Anmerkungen
dazu:
1)
Auffallend
ist, dass Erzbischof Alois Kothgasser als Unterstützer des Vereins „Salzburg
für Allgemeine Wehrpflicht ...“ aufscheint. Ist dies tatsächlich die Meinung
der Kirche???? Wenn Kothgasser als Spitze der katholischen Kirche für
Wehrpflicht auftritt, dann sind sicherlich auch kirchliche Vertreter
herausgefordert, die eine andere Position vertreten, wehrpflichtkritische
Stimmen aus dem Bereich der Kirche ins
Spiel zu bringen. Wo sind diese?
2)
Warum
schmückt sich der Verein Pro Wehrpflicht mit dem Hinweis, für das Ehrenamt
aufzutreten? Was haben Zwangsdienste mit Ehrenamt zu tun? Die Logik ist absurd.
3)
Warum redet
gerade die Österreichische Offiziersgesellschaft von der Erfüllung der
Neutralitätspflichten? Ist es nicht gerade das Österreichische Bundesheer, das
in den letzten Jahrzehnten stets auf die neutralitätsrechtlichen
Verpflichtungen gepfiffen hat?
4)
Was soll das
Zitat aus „Wikipedia“, dass Wehrpflichtarmeen mehr Hemmungen haben, zum Einsatz
zu kommen. Es stimmt einfach nicht: Russland, Israel, Syrien, ... bis hinunter
zu den beiden Weltkriegen und Napoleon.
5)
Was soll das
Argument, dass Wehrpflichtige Auslandseinsätze besser kontrollieren würden? Es
ist auch demokratiepolitisch völlig falsch: Über Auslandseinsätze entscheiden
Bundesregierung und Parlament. Es ist falsch aufgrund der Heeresstruktur: Schon
jetzt kommen nur Berufssoldaten oder freiwillig Verlängerte bzw. Zeitsoldaten
für Auslandseinsätze in Frage.
6)
In welchem
Land zeigt sich, dass die Umstellung auf eine Berufsarmee Nachteile mit sich
gebracht hätte? Diese Behauptung bleibt ohne Beispiele – weil es solche einfach
nicht gibt!
7)
Was soll die
Verankerung des Heeres in der Bevölkerung durch Wehrpflicht? Zum einen ist das
Argument empirisch einfach falsch – weil sich ein Heer mit oder ohne
Wehrpflicht gegen die Bevölkerung bzw. Bevölkerungsteile stellen kann. Zum
anderen ist das Heer stets Instrument des Staates, egal welche Heeresstruktur
vorhanden ist. Ein schlechter Staat wird jedes Militär zum Schlechten
instrumentalisieren können. Die Wehrpflichtigen der Israeli Defence Forces
landen entweder im Gefängnis oder unterstützen die Kriegspolitik des Staates.
Rekruten sind ohnehin stets die Untersten in einer militärischen Befehlskette,
an deren Spitze die Berufsmilitärs stehen, die Befehle geben.
8)
Demokratiepolitisch
bedenklich ist das Argument der ÖOG, dass das Militär auch zuständig sei für
die innere Sicherheit.
9)
Die
Wehrpflicht würde eine Wertekultur vermitteln? Welche Werte sind es tatsächlich?
Der Schreiber dieses Argumentes (aus der Soldat) verschweigt die anderen
Gepflogenheiten, die bei der militärischen Grundausbildung antrainiert werden,
die aber nicht zu einer gewaltfreien Kultur passen.
10)
Ein bezahlter
Sozialdienst würde das Ehrenamt in Frage stellen? Warum denn? Nirgendwo gibt es
mehr Ehrenamtliche als beispielsweise in den USA und Kanada, in Ländern ohne
Wehrpflicht. Die Vielfalt an ehrenamtlichen Diensten existiert in Österreich
nicht wegen der Wehrpflicht. Warum sonst leisten derzeit vor allem viele
Mädchen und Frauen ehrenamtliche Dienste?
11)
Mehrere
Argumente drehen sich um den Zivildienst. Er wird als unverzichtbar für das
österreichische Gesundheits- und Sozialsystem gewertet – ohne ihn, so die
Wehrpflichtbefürworter, würde wohl das gesamte System zusammen brechen.
12)
Genauso
vermisst würde ohne Wehrpflicht die Militärmusik. (Vielleicht aber hätten
talentierte Musiker auch Zeit, ihr Instrument außerhalb der Grundwehrdienstzeit
zu üben ... )
Kurzum,
die Argumente der Wehrpflichtbefürworter sind sehr schwach und stammen überwiegend
von der Österreichischen Offiziersgesellschaft oder sind Textteile aus
irgendwelchen Zusammenhängen gerissen. Ich habe kein einziges
Pro-Wehrpflicht-Argument gefunden, dem nicht zu widersprechen wäre.
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