Samstag, 24. November 2012

Volksbefragung Wehrpflicht - Entgegnung



Zur Infobroschüre der Salzburger Landesregierung über die Volksbefragung zu Wehrpflicht
Kommentar von Klaus Heidegger
Pax Christi Österreich – Kommission Pazifismus/Antimilitarismus
24.11.2012

Im ersten Teil der Infobroschüre werden sachlich-nüchtern Fakten über beide Modelle aufgelistet. Dabei werden bewusst analysierende Hinweise vermieden.
1)      In der Frage des bezahlten Sozialdienstes geht die Broschüre noch von der älteren Version aus: Sozialminister Hundstorfer hat inzwischen das Kontingent auf 8000 bezahlte Sozialdienste erhöht.
2)      Es fällt in diesem Vergleich auf, wie wenig Unterschied letztlich in der Frage der Größe des Heeres und der Einsatzbereitschaft zwischen beiden Modellen besteht:
a.       Beide gehen von einer Gesamtmobilisierungsstärke von 55.000 Mann aus.
b.      Beide geben ein ähnliches Kontingent für den Katastrophenschutz vor: 12.500 Personen (Profis, ... BMLV-Modell) bzw. als Vergleichszahl  11.300 SoldatInnen, die beim bisher größten Katastropheneinsatz in Österreich (Hochwasser, 2002) zum Einsatz kamen. Interessant ist sicherlich die erwähnte Tatsache, dass es im Land Salzburg 17.000 Einsatzkäfte aus dem zivilen Bereich gibt, während lediglich 200-600 Grundwehrdiener abkommandiert werden könnten. Dieser Vergleich zeigt, wie letztlich unbedeutend die Einsatzfähigkeit mit Grundwehrdienern bei einem Katastrophenfall ist.
c.       Beide halten an der Aufgabenstellung des Heeres für Katastrophenfälle bzw. Auslandseinsätze fest.
3)      Deutlich wird dennoch, dass nicht nur zwei sich ähnelnde Systeme des Militärs zur Abstimmung stehen, sondern dass der entscheidende Punkt der Abstimmung die Frage ist, ob mit oder ohne Wehrpflicht das künftige Wehrsystem gestaltet sein soll.

Im zweiten Teil werden je 33 Meinungen zu beiden Modellen angeführt.
Einige kritische Anmerkungen dazu:
1)      Auffallend ist, dass Erzbischof Alois Kothgasser als Unterstützer des Vereins „Salzburg für Allgemeine Wehrpflicht ...“ aufscheint. Ist dies tatsächlich die Meinung der Kirche???? Wenn Kothgasser als Spitze der katholischen Kirche für Wehrpflicht auftritt, dann sind sicherlich auch kirchliche Vertreter herausgefordert, die eine andere Position vertreten, wehrpflichtkritische Stimmen aus dem Bereich der Kirche ins  Spiel zu bringen. Wo sind diese?
2)      Warum schmückt sich der Verein Pro Wehrpflicht mit dem Hinweis, für das Ehrenamt aufzutreten? Was haben Zwangsdienste mit Ehrenamt zu tun? Die Logik ist absurd.
3)      Warum redet gerade die Österreichische Offiziersgesellschaft von der Erfüllung der Neutralitätspflichten? Ist es nicht gerade das Österreichische Bundesheer, das in den letzten Jahrzehnten stets auf die neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen gepfiffen hat?
4)      Was soll das Zitat aus „Wikipedia“, dass Wehrpflichtarmeen mehr Hemmungen haben, zum Einsatz zu kommen. Es stimmt einfach nicht: Russland, Israel, Syrien, ... bis hinunter zu den beiden Weltkriegen und Napoleon.
5)      Was soll das Argument, dass Wehrpflichtige Auslandseinsätze besser kontrollieren würden? Es ist auch demokratiepolitisch völlig falsch: Über Auslandseinsätze entscheiden Bundesregierung und Parlament. Es ist falsch aufgrund der Heeresstruktur: Schon jetzt kommen nur Berufssoldaten oder freiwillig Verlängerte bzw. Zeitsoldaten für Auslandseinsätze in Frage.
6)      In welchem Land zeigt sich, dass die Umstellung auf eine Berufsarmee Nachteile mit sich gebracht hätte? Diese Behauptung bleibt ohne Beispiele – weil es solche einfach nicht gibt!
7)      Was soll die Verankerung des Heeres in der Bevölkerung durch Wehrpflicht? Zum einen ist das Argument empirisch einfach falsch – weil sich ein Heer mit oder ohne Wehrpflicht gegen die Bevölkerung bzw. Bevölkerungsteile stellen kann. Zum anderen ist das Heer stets Instrument des Staates, egal welche Heeresstruktur vorhanden ist. Ein schlechter Staat wird jedes Militär zum Schlechten instrumentalisieren können. Die Wehrpflichtigen der Israeli Defence Forces landen entweder im Gefängnis oder unterstützen die Kriegspolitik des Staates. Rekruten sind ohnehin stets die Untersten in einer militärischen Befehlskette, an deren Spitze die Berufsmilitärs stehen, die Befehle geben.
8)      Demokratiepolitisch bedenklich ist das Argument der ÖOG, dass das Militär auch zuständig sei für die innere Sicherheit.
9)      Die Wehrpflicht würde eine Wertekultur vermitteln? Welche Werte sind es tatsächlich? Der Schreiber dieses Argumentes (aus der Soldat) verschweigt die anderen Gepflogenheiten, die bei der militärischen Grundausbildung antrainiert werden, die aber nicht zu einer gewaltfreien Kultur passen.
10)   Ein bezahlter Sozialdienst würde das Ehrenamt in Frage stellen? Warum denn? Nirgendwo gibt es mehr Ehrenamtliche als beispielsweise in den USA und Kanada, in Ländern ohne Wehrpflicht. Die Vielfalt an ehrenamtlichen Diensten existiert in Österreich nicht wegen der Wehrpflicht. Warum sonst leisten derzeit vor allem viele Mädchen und Frauen ehrenamtliche Dienste?
11)   Mehrere Argumente drehen sich um den Zivildienst. Er wird als unverzichtbar für das österreichische Gesundheits- und Sozialsystem gewertet – ohne ihn, so die Wehrpflichtbefürworter, würde wohl das gesamte System zusammen brechen.
12)   Genauso vermisst würde ohne Wehrpflicht die Militärmusik. (Vielleicht aber hätten talentierte Musiker auch Zeit, ihr Instrument außerhalb der Grundwehrdienstzeit zu üben ... )
Kurzum, die Argumente der Wehrpflichtbefürworter sind sehr schwach und stammen überwiegend von der Österreichischen Offiziersgesellschaft oder sind Textteile aus irgendwelchen Zusammenhängen gerissen. Ich habe kein einziges Pro-Wehrpflicht-Argument gefunden, dem nicht zu widersprechen wäre.

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