All alone – ein Deserteursdenkmal
in Wien
Die „Enthüllung“ des Denkmals für
Deserteure in Wien im Vorfeld des Nationalfeiertages 2014 ist ein
Hoffnungszeichen. Die Zeit im Jahreslauf der politischen Gedenktage ist gut
gewählt. Der Nationalfeiertag und das Denken an die österreichische Neutralität
haben mit Kriegsdienstverweigerung zu tun. Neutralität bedeutet im innersten
Kern ein Nein zu kriegerischen Beteiligungen. Das haben die Deserteure aller
Kriege mit ihrem Einsatz bekundet. Wenn der oberste Befehlshaber des
Bundesheeres feierlich die Eröffnung dieses Denkmals vornimmt, so ist dies
Signal, dass selbst die Spitze dieser Republik demonstriert, dass über jedem
militärischem Befehl das eigene Gewissen zählt, oder, um es dialektisch zu
formulieren, dass Widerstand zur Pflicht wird, wo Recht zu Unrecht wird.
70 Jahre hat es gedauert, bis so
ein Denkmal errichtet werden konnte. Während des Zweiten Weltkrieges hatten Zehntausende
den Kriegsdienst verweigert, gegen 30.000 wurden von den NS-Militärgerichten
Todesurteile verhängt, die meisten davon wegen Desertion und
„Wehrkraftzersetzung“, 3000 wurden hingerichtet, viele von ihnen ohne Prozess
standrechtlich erschossen. Hunderte weitere Dienstverweigerer und Deserteure
wurden zum Tode oder Lagerhaft verurteilt. Ich denke an die Biographien mancher
dieser Männer, vor allem aber an Franz Jägerstätter. Jene, die überlebten,
wurden gegenüber jenen, die im Krieg dienten, benachteiligt. Deserteure galten
als Vaterlandsverräter, als Feiglinge, hatten keinen Rentenanspruch für die
Kriegsjahre – wie dies selbst NSDAP-Mitglieder beanspruchen konnten.
Seit dem Krieg wurden die Tausenden
„Heldendenkmäler“ in den österreichischen Ortschaften gepflegt und gehegt und
mit ihnen die Ideologie eines heldenhaftes Todes. Bis zum heutigen Tag wird bei
Denkmälern der „gefallenen“ Kameraden gedacht, die in ihrem Dienst in der
Wehrmacht zugleich Opfer und Täter waren. Es sei eine „Desavouierung der
gefallenen Kameraden“, kritisiert der Kameradschaftsbund die Enthüllung des
Deserteursdenkmals. Desertion sei in „allen Rechtsstaaten ein Strafdelikt“,
wird hinzugefügt. Und wes Geistes Kind der Führer der Freiheitlichen in
Österreich ist, wurde wieder einmal sichtbar, wenn das Deserteursdenkmal als
„katastrophaler Fehler“ bezeichnet wird. „Kameradenmörder“ seien viele der
Deserteure gewesen. Das ist wie ein Code für die Ewiggestrigen, verschlüsselte
Sprache, um das Verbotsgesetz zu umgehen.
Der Blick zurück muss auch ein
Blick in das Heute sein. Kriegsdienstverweigerung wird 2014 in der Republik
Österreich nicht mehr mit standrechtlichen Verurteilungen bestraft. Sie
geschieht rechtlich institutionalisiert und diszipliniert im Zivildienst. Dort
wird sie als wertvoller Sozialdienst gesehen, nicht jedoch als Verweigerung
eines militärischen Dienstes. So wird ihr der militärkritische Stachel
genommen. Aus dem Kriegsdienstverweigerer wurde der salonfähige Zivildiener.
Ein wenig wirkt der militärische Drang, Kriegsdienstverweigerung zu ahnden, trotz
schöner Reden weiter fort. Zivildiener haben eine 50-prozentige längere
Dienstdauer als jene, die sich zum Dienst mit der Waffe verpflichten.
Klaus Heidegger, 25. Oktober 2014, klaus.heidegger@aon.at
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