Donnerstag, 29. August 2013

Kein Krieg mit Syrien

Dr. Klaus Heidegger Kommission Pazifismus/Antimilitarismus von Pax Christi Österreich, 28.8.2013 Kein Krieg mit Syrien! Die USA, Großbritannien und Frankreich sind auf Kriegskurs mit dem syrischen Regime. Die teuersten und besten Waffensysteme sind im Mittelmeer zusammen gezogen worden und warten auf Einsatzbefehl. Die Staatsspitze Israels drängt auf diesen Angriff. Die Bündnispartner der NATO stehen „Gewehr bei Fuß“. Und wieder wird eine „Koalition der Willigen“ gebildet. Drei Fragen müssen beantwortet werden. 1) Gibt es eine Legitimation für einen US-Militärschlag gegen Syrien? 2) Gibt es Aussicht auf Erfolg für eine kriegerische Intervention? 3) Gibt es Alternativen zu den kriegerischen Mitteln? Erstens: Legitimation für einen US-Militärschlag? Auch wenn die Arbeit der UN-Inspektoren in Syrien zur Aufdeckung der Anwendung von Giftwaffen im syrischen Bürgerkrieg noch nicht abgeschlossen ist, steht fest: Giftgas wurde eingesetzt. Dies hat auch „Ärzte ohne Grenzen“ festgestellt. Kann dies aber dem syrischen Machthaber Assad in die Verantwortung gelegt werden? Assad musste immer damit rechnen, dass damit die berühmte „rote Linie“ überschritten würde, die zur militärischen Reaktion der USA führen würde. Haben also andere Einheiten chemische Waffen in diesem inzwischen so unübersichtlichen Krieg eingesetzt, um die militärische Reaktion des Westens herauszufordern? Weder Assad und die Regierungstruppen noch der mit Syrien verbündete Iran hätten ein Interesse an einem US-Militärschlag. Schon lange vor dem Giftgaseinsatz haben andererseits der israelische Ministerpräsident und mächtige Kräfte in den USA und in Großbritannien für eine Intervention plädiert. Eine Legitimation für einen Militärschlag dürfte laut internationalem Völkerrecht nur vom UN-Sicherheitsrat gegeben werden. Russland hat sich aber bereits klar dagegen ausgesprochen. Würden die USA und Großbritannien und ihre Verbündeten angreifen, so würden sie sich damit außerhalb des UN-Vertragswerkes stellen. Zweitens: Die Folgen des Militäreinsatzes In den letzten Wochen gibt es mit dem neuen iranischen Präsidenten Hassan Rouhani Hoffnungszeichen, dass das iranische Nuklearprogramm gestoppt wird. Ein US-Angriff würde diese Entwicklung gefährden, indem es die iranischen Hardliner stärken würde, die enge Verbindungen mit dem syrischen Regime haben. Eine Militärintervention brächte unkalkulierbare Risiken mit sich. Die bisherigen US-Militärinterventionen in Afghanistan, im Irak oder in Vietnam haben gezeigt, dass kriegerische Interventionen meist mit langjährigen Kriegshandlungen verknüpft waren und keinen Frieden mit sich brachten. Was würde ein unkontrollierbarer Regimewechsel in Syrien nach sich ziehen, wenn die Extremisten an die Macht kämen, in deren Hand dann die syrischen Waffenarsenale wären – bis hin zu den chemischen Kampfstoffen? Jedenfalls würde eine Militärintervention eine unkontrollierbare Eskalation des Krieges bedeuten mit einer Vervielfachung von Zerstörung, Kriegstoten und Kriegsverletzten. Mit Öl kann kein Feuer gelöscht werden! Drittens: Alternativen zum Militärschlag Tatsächlich müsste gerade nach diesem schrecklichen Giftgaseinsatz eine nicht-militärische und politisch-diplomatische Kriegsintervention von Seiten der internationalen Gemeinschaften – wie der EU oder der Arabischen Liga – und der USA und Russlands erfolgen. Ziel muss ein sofortiger Waffenstillstand im syrischen Bürgerkrieg sein. Dieser könnte noch erreicht werden. Washington müsste intensiven Druck auf Saudi Arabien ausüben und Moskau auf den Iran, damit der permanente Waffenfluss in das Kriegsgebiet unterbrochen wird. Es bleibt zu hoffen, dass sich die österreichische Außenpolitik und zivile Organisationen gegen Kriegstreiberei und für nichtmilitärische Interventionen stark machen

Sonntag, 25. August 2013

Ägypten und die Wehpflicht

Ägypten und die Wehrpflicht Wenn ich die schrecklichen Bilder aus Ägypten sehe, wenn ich die Gewalttaten der ägyptischen Armee gegenüber den protestierenden Menschen im Blick habe, dann denke ich auch an jene Argumente, die da vor einigen Monaten lauteten: Eine Armee auf der Basis der Wehrpflicht würde nicht auf die eigenen Menschen losgehen, hätte Hemmungen, exzessive Gewalt im Inneren anzuwenden. Kaum ein Staat dieser Welt hat eine Armee mit einer solch starken Wehrpflichtbasis wie Ägypten: Alle jungen Männer sind militärverpflichtet. Wehrdienstverweigerer werden weiterhin diskriminiert. Sie werden beispielsweise von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen. Christen werden während ihrer Wehrpflichtzeit oftmals schikaniert. Der ägyptische Zwangsdienst dauert bis zu 36 Jahre und eine Reservistenverpflichtung besteht für weitere 9 Jahre. Die ägyptische (Wehrpflicht-)Armee ist auch deswegen so stark – und gefährlich! Zu wünschen wäre deswegen eine weltweite Bewegung zur Abschaffung der Wehrpflicht – und damit auch ein Weg zu weniger Militär und Gewaltmissbrauch. Das ägyptische Exempel zeigt: Wehrpflicht garantiert keinen Schutz vor dem missbräuchlichen Einsatz des Militärs, sondern bietet vielmehr eine Basis für Gräueltaten gegenüber der eigenen Bevölkerung. Klaus Heidegger, 23.8.2013

FPÖ-Nationalratswahl-Nächstenliebe?

Dr. Klaus Heidegger, Bachgasse 10, A-6067 Absam, klaus.heidegger@aon.at, 22.8.2013 Wahlkampf auf Kosten der „Nächsten“ Und wieder führt die Partei mit der himmelblauen Farbe einen gewohnt ausländerfeindlichen Wahlkampf und bedient sich dabei der eigentlich so leicht durchschaubaren populistischen Strategie. Da wird auf den Plakaten das religiöse Grundgebot „LIEBE deine NÄCHSTEN“ mit dem belehrenden Zusatz versehen „Für mich sind das unsere ÖSTERREICHER“. Unschwer ist in diesem Zweizeiler von den Werbestrategen der „sozialen Heimatpartei“ die Großschreibung von drei emotional aufgeladenen Begriffen zu erkennen: LIEBE – NÄCHSTEN – ÖSTERREICHER. Wer der scheinbar Liebende ist, lässt das Plakat nicht offen. Der freiheitliche Parteichef blickt in einem der Werbeplakate strahlend in das Gesicht einer älteren Frau, die ihm liebevoll über die Wange streichelt, in einem anderen ist sein Gegenüber ein – sicherlich nicht zufällig – blondes Mädchen. Plumper geht es wohl nicht mehr. HC Strache benützt diesmal nicht wie ein Kreuzritter das Kreuz, um gegen Ausländer oder Andersgläubige zu hetzen und die „christlichen Werte des Abendlandes“ zu verteidigen, sondern das biblisch-religiöse Grundgebot. Allerdings verdreht die FPÖ dabei die Kernaussage dieser Stelle aus dem Evangelium in ihr Gegenteil. Dort nämlich ist Jesus von Nazareth sehr eindeutig. Auf die Frage, wer denn mein Nächster sei, stellt er in der bekannten Gleichniserzählung vom „barmherzigen Samariter“ ( Lukas 10,25-37) eindeutig fest: Der Nächste ist vor allem jener, der in Not geraten ist und der Hilfe bedarf. In dieser jesuanischen Lehrerzählung wird zusätzlich gezeigt, dass nicht die „Einheimischen“, nicht die Vertreter der „eigenen Religion“, sondern ein „Fremder“, ein „Andersgläubiger“ begreift, wer der Nächste ist, was Nächstenliebe wirklich bedeutet. Die christliche Sozialethik baut ihre Lehre nicht auf Gruppenegoismus, sondern auf eine grenzenlose solidarische Ethik. In der jesuanischen Logik sind die Nächsten daher die Pakistanis im Servitenkloster in Wien, denen der Abschub droht, genauso wie die entlassenen Dayli-Verkäuferinnen, die nur schwer einen selbst minderbezahlten Job finden. Wenn sich also die FPÖ eines religiösen Vokabulars bedient, täte sie gut daran, dieses auch wirklich zu beherzigen und nicht nach ihrem Gutdünken umzudeuten. Die Kirchen in Österreich, aufbauend auf ihrer praktischen Arbeit mit den „Nächsten“, haben klar gemacht, dass sie mit einer Politik auf Kosten von Flüchtlingen oder Migranten und mit antiislamischen oder antisemitischen Untertönen keine gemeinsame Basis finden. Eine missbräuchliche Verwendung religiöser Symbole und religiöser Sprache für eine inhumane Politik wird abgelehnt. Die untergriffige Reaktion des FP-Parteichefs auf die klare Distanzierung von Kardinal Christoph Schönborn oder von Bischof Michael Bünker lautete, dass diese kein Monopol auf den Satz „liebe deine Nächsten“ hätten. Heinz Christian Strache übersieht als typischer Vertreter einer postmodernen Beliebigkeit, dass sich das Gebot „christlicher Nächstenliebe“ jedoch nicht beliebig auslegen lässt. Es passt einfach nicht zusammen, wenn damit eine ausländerfeindliche Politik legitimiert werden soll. Es ist falsch, wenn Nächstenliebe als „Inländerliebe“ („unsere Österreicher“) uminterpretiert wird, weil sich dieses allen Religionen gemeinsame Grundgebot an der Würde und dem Wert jeder Person orientiert, nicht aber an Herkunft oder ethnischer Zugehörigkeit. Wer sich implizit oder explizit auf das Christentum bezieht, und gerade das tut Heinz Christian Strache, kann Nächstenliebe nicht wieder neu eingrenzen. Die Grenzenlosigkeit jesuanischer Nächstenliebe manifestiert sich bei Jesus schließlich auch in der Feindesliebe. Jesus und die Evangelien greifen damit den Faden auf, der sich schon in den jüdischen Schriften des Alten Bundes findet. Dort wird Nächstenliebe stets im Kontext mit den Schutzrechten für die Armen und Fremden gesehen! Würde die FPÖ die biblischen Grundgebote wirklich ernst nehmen, könnte sie auch plakatieren: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten!“ Papst Benedikt schrieb in seiner ersten Enzyklika (Deus caritas, 2005) über die Nächstenliebe folgende Deutung: "Nächstenliebe besteht ja darin, dass ich auch einen Mitmenschen, den ich zunächst gar nicht mag oder nicht einmal kenne, von Gott her liebe." Klaus Heidegger