Freitag, 27. April 2012

Ungehorsamer Gehorsam in der Kirche




Ungehorsamer Gehorsam und die Kirche wird sich ändern!

„Herr Professor, wird sich die Kirche jemals ändern?“, fragte mich eine Schülerin, die kurz vor der Matura steht, in ihrer vorletzten Religionsstunde. Im Ton ihrer Frage klang Resignation durch. Ein wenig war es als rhetorische Frage formuliert. Als Jugendliche hat sie wenig Hoffnung. Die real-existierende Kirchenwirklichkeit – die Messen in ihrer Heimatgemeinde bis zu den Inszenierungen rund um den Papst – haben sie längst von der Kirche entfremdet. Viele "Pfarrer der Pfarreien" – so Bezeichnung in den neu errichteten Seelsorgeräumen – haben den Draht zu den Jugendlichen verloren.
Noch mitten in der 50-tägigen Osterzeit stehend – was bedeutet an Auferstehung glaubend – kommt aus mir ein überzeugtes „Ja, sie wird sich ändern!“ Wenn ich denke, dass ich als ministrierendes Volksschulkind Lateinisch zu antworten lernte, dass die Priester mit dem Rücken zum Volk zelebrierten, dass selbst Höllenpredigten die Verkündigung bestimmten ... und dann wurde mit dem Zweiten Vatikanum plötzlich so Vieles anders! Wenn ich an die ungehorsamen Priester denke, an die Aufbruchsbewegungen in der Kirche, ... dann habe ich Hoffnung, dass die aktuelle Umarmung der Pius-Brüder durch den Papst ein letztes Aufbäumen gegen die Reformen ist, die bereits im Kommen sind. Ja, es wird der Zölibat fallen und den Frauen wird nicht länger das Priesteramt verweigert werden. Priester und Bischöfe werden vom Volk für eine Dauer gewählt werden. Homosexuelle Menschen werden nicht nur in Stützenhofen und nicht nur in Pfarrgemeinderäten offiziell verantwortliche Positionen in den Kirchen einnehmen, ohne ihre Partnerschaften verstecken zu müssen.
Ja, eine Kirchenwirklichkeit von mächtigen Männern in hohen kirchlichen Funktionen wird nicht mehr lange sein. Ein Nuntius, der am Weißen Sonntag bei einer Predigt im Stephansdom meinte, dass „auf Ungehorsam kein Segen liegt“, ist blind für die Tatsache, dass es einen Gehorsam gegenüber Gott gibt, der in manchen Fällen zum Ungehorsam gegenüber kirchlich-strukturellen Vorgaben werden könnte. Jeder Schüler lernt im Religionsunterricht als Grundformel: Das Gewissen ist die oberste Instanz. Über dem Gewissen steht kein Papst und kein Nuntius. Ein Bischof im Süden von Österreich, der apodiktisch behauptet, Frauen könnten nie und nimmer Priesterinnen werden, negiert die Rolle der Frauen in der Jesusbewegung und der frühen Kirche, beginnend mit der ersten Auferstehungszeugin. Wenn Kardinal Schönborn letztlich doch gegen den Stützenhofner Pfarrer und für den homosexuellen Pfarrgemeinderat votiert hat, dann hat er sich ein paar so entscheidende Millimeter in eine Richtung bewegt, die selbst im Weltkatechismus vorgegeben wird, wo formuliert ist, dass jede Diskriminierung von Schwulen und Lesben vermieden werden muss. Bischof Küng in St. Pölten, der sich gegen den Beschluss der Bioethikkommission stellte und meinte, alleinstehenden Frauen und gleichgeschlechtlichen Paaren dürfe nicht das Recht auf künstliche Fortpflanzung zugestanden werden, wird Vergangenheit werden. Ein Pfarrer im Tiroler Oberland steht zwar symptomatisch für den Versuch einer neuen klerikalen Fundigruppe hinter das Vatikanum zurückzurudern, doch Erfolg wird ihr keiner beschieden sein. Sie mögen zwar nun die neue Vorschrift des Papstes bei den Einsetzungsworten befolgen und betonen, dass Jesus nicht mehr „für alle“, sondern nur „für viele“ sein Erlösungswerk vollbracht hat. Solche Spitzfindigkeiten sind zwar eine Rückkehr zur „außerhalb der Kirche kein Heil“-Ideologie, werden aber die modernen Erkenntnisse der Theologie nicht mehr rückgängig machen können.
Längst schon ist eine andere Kirchenwirklichkeit Wirklichkeit und war es an vielen Orten und durch viele Menschen immer schon. Menschen in den Pfarrgemeinden, die sich von oben genannten restaurativen, antidemokratischen, frauenfeindlichen, reaktionären oder homophoben Machenschaften nicht abschrecken lassen, sondern ihren Traum von Kirche leben. Priester, die im Gehorsam gegenüber der jesuanischen Lehre nicht Kommunionverweigerer sind, sondern den ganzheitlichen Zuspruch von Jesus praktizieren. Auch wiederverheiratet Geschiedene erfahren sich als wieder willkommen in der Gegenwart der Eucharistie. Vor allem aber ist es eine Kirche, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzt. Und da gibt es so viel zu entdecken: Priester und Ordensleute und noch mehr Laien, die sich inmitten der Ärmsten der Armen engagieren – selbst Bischöfe sind unter ihnen. Katholiken, die sich auch in der Nachfolge Jesu für einen umweltgerechten Lebensstil einsetzen und ihn selbst leben. Der Blick wird frei für eine Kirche, die es jetzt schon gibt, so oft unbemerkt in der breiten medialen Berichterstattung. Ich füge noch auf die Frage der Schülerin hinzu: „Eine Kirche, wie sie deiner Sehnsucht entspricht, gibt es in vieler Hinsicht, und jene Kirche, die dir fremd und abstoßend ist, wird von der jetzt schon neuen Kirche verwandelt werden.“
Dr. theol. Klaus Heidegger

Dienstag, 17. April 2012

Homophobe Bibel?


Die Bibel ist nicht homophob!

Nicht die biblischen Schriften des Ersten und Neuen Testaments sind homophob. Homophob sind jedoch oftmals ihre Interpreten, wie jetzt die Gefolgsleute des Pfarrers von Stützenhofen aber genauso die Kirchen-Religions-Bibel-Kritiker, die ähnlich unkritisch die These hochhalten, die Bibel würde Homosexualität verteufeln.
Der Blick in die Bibel zeigt jedoch ein anderes Bild. Die jüdisch-christliche Religion zeichnet sich von ihrem Ansatz her durch eine hohe Wertschätzung von Sexualität aus. Dieses „Gott sah, dass es gut war, als er den Menschen geschaffen ...“ aus dem Buch Genesis bezieht sich auf das Ganze des Menschseins, auch seiner Sexualität. Das Ja Gottes zu seinem großartigen Schöpfungswerk ist auch ein Ja zu Schwulen und Lesben mit ihrer Sexualität. Auch ihre Anlagen entsprechen dem Schöpferwillen Gottes. Eine generelle Abwertung der Sexualität und Leiblichkeit kam erst durch nicht-jüdisch-christliche Philosophien in den Bereich der Kirchen, ist also unbiblisch. Aus christlicher Sicht dient Sexualität nicht nur der Fortpflanzung, sondern ist primär Ausdruck der Liebe zwischen Menschen. So lehrt die katholische Sexualmoral, dass Liebe und Verantwortlichkeit letztlich darüber entscheiden, in welcher Weise Sexualität gut oder böse ausgelebt wird. Die angeblich homo-feindlichen Stellen in der Bibel richten sich nicht gegen Homosexualität als solche, sondern gegen perverse Praktiken wie Tempelprostitution, Vergewaltigung oder Päderastie. In diesem Sinne sind diese Stellen durchaus berechtigt. Einige wenige Stellen wiederum müssen als zeit- und kulturell bedingte Aussagen verstanden werden, die weder der Grundlinie der biblischen Frohbotschaft entsprechen noch den humanwissenschaftlichen Erkenntnissen der Gegenwart. Dagegen gilt es festzuhalten: Homosexualität kann auch als Geschenk Gottes gelebt werden, als Ort der Gotteserfahrung, als Erfahrungsraum des Göttlichen. Wer in der Bibel liest und sie von der Liebe und Barmherzigkeit des Schöpfergottes her interpretiert, wird sich wünschen, dass sich Schwule und Lesben in den Kirchen und der Gesellschaft nicht länger diskriminiert fühlen müssen, sondern angenommen und sicher!
Dr. theol. Klaus Heidegger

Sonntag, 1. April 2012

Muttergottes für rassistische Parolen


Mit der Muttergottes für Ausländerfeindlichkeit!?
Zu Recht wurde und wird in den Medien und der breiten Öffentlichkeit die dummdreiste rassistische Spruchreimerei der FPÖ kritisiert. Nach „Pummerin statt Muezzin“ im Wiener Wahlkampf nun die Parole „Heimatliebe statt Marokkaner-Diebe“ im Innsbrucker Bürgermeister- und Gemeinderatswahlkampf. Als Theologe und Religionslehrer spricht mich ein Detail auf diesen hetzerischen FP-Plakaten in besonderer Weise an. Da ragt aus der rechten Bildhälfte die Muttergottes der Annasäule heraus und dreht ihren Kopf dem heimatliebenden August Penz liebevoll zu. Lächelt er, weil er eine Erscheinung hat und die Botschaft der Maria hört? Der Innsbrucker Hotelier und FP-Kandidat als „Sohn“ der göttlichen Mutter oder als begnadeter Seher? Die Annasäule ist nicht irgendein Symbol, das die FP-Wahlstrategen gewählt haben. Es hat die Funktion wie der Steffl oder die Pummerin von Wien. Man will sagen: Wir haben den Segen der (katholischen) Religion und wir handeln wie die Kreuzritter im göttlich-jungfräulichen Auftrag. Seit der Vertreibung der Bayern zu Beginn des 18. Jahrhunderts steht die Annasäule für das Konstrukt des wehrhaften Tirolers, der auch mit den Mitteln der Gewalt das verdrängt, was fremdländisch ist. Sind für die FP-Tirol die Ausländer – insbesondere die Nordafrikaner – die Bayern des 18. Jahrhunderts? Will Penz einen Marokkaner- oder Nordafrikaner-„Rummel“ oder ist ihm einfach jedes Mittel recht, um aus seiner politischen Abseitsposition doch noch Aufmerksamkeitspunkte zu erreichen? Beides ist gleichermaßen fies. Den Segen der Maria und ihrem Sohn, der jede Gewalt und Ausgrenzung verabscheute und durch und durch die Versöhnung lebte, hat er jedenfalls sicher nicht.

Dr. Klaus Heidegger,
Arbeitsgruppe Pazifismus und Antimilitarismus von Pax Christi Österreich